Fußballthemen, welche den FCK nicht oder nicht direkt betreffen.

Beitragvon Kohlmeyer » 07.12.2021, 00:00


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Rezension: Film "King Otto"
Legenden werden nicht erklärt, sondern genährt

Die Doku "King Otto" erzählt von einem Fußballwunder, das Meistertrainer Rehhagel bewirkte. Leider nicht als pfälzische Volkssage, sondern als griechisches Heldenepos. Wir haben uns den Film angeschaut und verlosen drei DVDs.

Viel zu sehen war von ihm zuletzt nicht mehr. Versuche, Interviewtermine zu vereinbaren, werden schon am Telefon von Ehefrau Beate abgeblockt, berichten Kollegen. Kein Wunder, hatte Otto Rehhagel mit Journalisten doch noch nie viel am Hut. Haben die doch, so eines seiner Credos, eh keine Ahnung von Fußball und sind außerdem grundsätzlich böswillig konditioniert, besonders ihm gegenüber. Wer den nunmehr 83-jährigen dennoch mal wieder "live" und in Farbe sehen möchte, hat dazu jetzt im Heimkino Gelegenheit: Die Doku "King Otto" ist ab 9. Dezember als DVD und bei allen namhaften Streaming-Anbietern erhältlich.

Vor knapp vier Wochen gab's auch einen Kinostart, allerdings nur in ausgesuchten Häusern. Und keins davon stand in Kaiserslautern, der Stadt, der Otto Rehhagel 1998 den sensationellsten Deutschen Meistertitel aller Zeiten bescherte. Der Streifen hätte da sicher Interesse geweckt, obwohl der Film diesen Zeiten nur zu Beginn ein paar kurze Schnitte widmet, ebenso seiner Kindheit und Jugend im zerbombten Essen. In der Hauptsache erzählt er den Coup nach, den der King bei der Euro 2004 in Portugal landete: Mit Griechenland machte er einen krassen Außenseiter zum Europameister.

Vom Underdog zum Champ: die klassische Sportfilm-Dramaturgie

Bereits die Texteinschübe im Trailer kündigen an, welche Art Geschichte hier erzählt werden soll: "Von allen kritisiert" - "Von Experten abgeschrieben" - "Doch ein Mann inspirierte eine ganze Nation, an sich zu glauben"... Die Geschichte vom Underdog, an den niemand glaubt außer er an sich selbst und der am Ende triumphiert.

Die klassische Sportfilm-Dramaturgie, unzählige Male variiert, mal anhand frei erfundener, mal wahrer Geschichten. Schon als Sylvester Stallone 1976 "Rocky" aus der Taufe hob, schrieben Kritiker, der Film wirke wie ein Remake, obwohl er keines war. Für FCK-Fans freilich bleibt "Das Wunder von Bern" die Genre-Referenz. Denn gut gemacht, reißen solche Filme nun einmal mit, auch wenn jeder von vorneherein weiß, wie's ausgeht.

Das gilt auch für "King Otto" - hauptsächlich, wenn sich Regisseur Christopher André Marks, ein Amerikaner mit griechischen Wurzeln, auf die Kraft seiner Bilder verlässt. Diese bescheren ihm gleich drei Kameraleute sowie ein rundes Dutzend Archive, die er für seine Recherchen durchforstet hat.

Königsposen und kontrollierte Offensive: Willkommen zur Otto-Show

Weshalb der greise König sich für dieses Projekt noch einmal die Kamera locken ließ, lässt sich schnell ahnen: King Otto darf sich in einer Art barockem Festsaal sitzend an seine Regentschaft erinnern, ohne dass ihm ein Ahnungsloser, also ein Journalist, dazwischenquatscht. Zwischendurch posiert er vor leeren Rängen alter griechischer Sportstätten, vom Kameramann in gebückter Haltung umkreist. Am Ende auch mal vor Statuen griechischer Götter, wobei sein an seiner Seite flanierender Ex-Assistent Ioannis Topalidis anmerkt, dass hier dereinst ein Bildnis von King Otto stehen sollte. Wie hätte Seine Majestät einer derartigen Inszenierung ihrer Selbst widerstehen können?

Fußball gibt's natürlich auch zu sehen. Zusammenschnitte von den nunmehr historischen EM-Siegen der Griechen gegen Portugal in der Gruppenphase und im Finale, sowie von den Viertel- und Halbfinal-Begegnungen gegen Frankreich und Tschechien. Aber auch von den Qualifikationsspielen, in denen es zunächst gar nicht gut lief für King Otto. An diesen Stellen wäre freilich etwas mehr Fußball-Fachliches schön gewesen: Wie bekam der King die wackelige Hintermannschaft seiner Hellenen in den Griff? Welche Spieler wurden durch die Otto-Zäsur rasiert, welche gepusht? Wie kam er auf die Idee, nochmal mit Libero spielen zu lassen, obwohl das schon 2004 als anachronistisch galt? Da hätten die Filmemacher vielleicht mal einen damaligen Trainerkollegen als Zeitzeugen befragen können.

So aber sind nur ehrfürchtige Spieler-Kommentare zu hören à la "Der Trainer wusste immer, was zu tun war". King Otto betont gleich mehrmals, dass außer ihm eben niemand geahnt habe, wie stark seine Mannschaft war, denn die Ahnungslosen, also die Journalisten, hätten ja immer nur über Ronaldo und Zidane geredet. Oder er gibt sein sattsam bekanntes Mantra von der "kontrollierten Offensive" zum Besten. Während Griechenlands damaliger Verbandspräsident Vassilis Gagatsis analysiert: "Dieser Deutsche hat das Herz eines Griechen." Man merkt's: Hier geht's nicht darum, die Legende zu erklären, sondern zu nähren.

Ohren auf: King Otto singt sich in den Olymp

Schmunzeln lässt das Geständnis einiger Spieler, dass sie schon vor dem Spiel gegen Frankreich ihre Koffer packten, um am nächsten Morgen schnell abreisebereit zu sein - so wenig glaubten sie selbst an einen Erfolg im Viertelfinale. Oder dass Assistent Topalidis, der auch als Dolmetscher fungierte, zugibt, Ottos Kommandos selten wörtlich übersetzt zu haben, sondern "für griechische Ohren abgemildert." Und dann ist da natürlich noch King Ottos Gesangvortrag: Er singt die griechische Nationalhymne. Himmlisch.

Wirklich mitreißend ist "King Otto" aber, wenn die Bilder ohne Worte auskommen. Wenn das jubelnde Athen zu sehen ist, die Nation, die sich für ihre Nationalelf zunächst nicht einmal interessierte - und die am Ende vor Stolz und Begeisterung förmlich explodierte. Oder King Otto am Spielfeldrand, springend, hüpfend, wild gestikulierend. Immerhin schon 63 damals, aber nach wie vor mit jeder Faser seines Körpers fürs Spiel und seine Spieler brennend.

Ohne Worte: Der wahre Otto am Spielfeldrand

In diesen Szenen ist zu spüren, dass es neben dem selbstgerechten Majestät, als die er sich den Ahnungslosen, also den Journalisten gegenüber stets dargestellt hat, immer auch noch einen anderen Otto gegeben haben muss. Einen wahrhaft Großen seines Fachs, der seine Spieler für sich und seine meist gar nicht mal neuen Ideen wie kein anderer begeisterte. Und der unschlagbar darin war, Underdogs über sich hinaus wachsen zu lassen.

"Von allen kritisiert" - "Von Experten abgeschrieben" - "Doch ein Mann inspirierte eine ganze Region, an sich selbst zu glauben" ... Und wann kommt der Film, der die Legende von der Meisterschaft des 1. FC Kaiserslautern im Jahr 1998 nacherzählt? Vielleicht als Spielfilm, mit Heiner Lauterbach oder Heino Ferch unter einer Otto-Perücke? Vielleicht ja zum 90. Geburtstag des Meistertrainers. Oder zum 40. Jahrestag des Titelgewinns. Schau'n mer mal.

Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Gewinnspiel: Drei DVDs von "King Otto" werden verlost

Der Betze brennt verlost drei DVD-Exemplare von "King Otto". Zur Teilnahme muss folgende Frage beantwortet werden: Welcher Aktive des 1. FC Kaiserslautern stand beim EM-Finale 2004 auf dem Platz?



Beitragvon Westkurvenalex » 07.12.2021, 15:14


Mit 3 Mann am 1. Spieltag 97/98 nach München ins Olympiastadion gefahren und am Ende den hüpfenden Otto vor der Kurve bejubelt. Das war mein einschneidendes Erlebnis mit ihm. Auf der Rückfahrt sagte noch ein Kumpel: wir werden Meister mit Otto....er behielt recht.
Rehagel war dann ein guter Trainer, wenn im Verein alles auf ihn ausgerichtet war. Deshalb ist er auch in Bayern gescheitert, da sein System dort nicht funktioniert hat. Und letzten Endes ist er beim FCK gescheitert, da er den sehr hohen Ansprüchen des Fußballvolkes nicht (mehr) gerecht werden konnte. Im Vereinsfussball war Otto nach uns verbrannt, da sein System nicht mehr gewünscht und durchsetzbar war.
Ich finde Otto war ein Fluch und ein Segen für uns zu gleich. Aufstieg und Meister, ein Rekord für die Ewigkeit. Er hat aber auch einen Anteil daran, dass sich die Strukturen verfestigten, die letzten Endes zu unserem Niedergang führten.



Beitragvon Walk on! » 08.12.2021, 09:20


Die Aufstiegssaison 1996/97 und die Meistersaison 1997/98 durfte ich mit Anfang 20 im besten Alter als Dauerkarteninhaber und Besucher zahlreicher Auswärtsspiele miterleben. Es war wie ein Rausch der Gefühle - diese Erfolge nur kurz nach dem traurigen ersten Abstieg der Vereinsgeschichte. Vielen Dank für diese unvergessliche Zeit! :beer:
In guten wie in schlechten Zeiten unserem FCK die Treue halten



Beitragvon die 80er » 08.12.2021, 12:41


Wenn ich das so lese, hat er quasi den Film selbst gemacht, passt irgendwie zu ihm. Schwierig mit manchen,
aber zu seiner Truppe damals?
Er hat es einfach geschafft eine Mannschaft, ein Wir-Gefühl, die Gruppe über alles zu stellen.. klar nicht kritikfähig, aber so war er halt.

Er war immer schützend für seine Mannschaft und was auch eine seiner Charaktereigenschaft ist, WERTE hoch zu halten.
Gerade jetzt, was er sagte zu Horst Eckel, er hat diese Generation verehrt und war selbst auch so.
Das halte ich ihm sehr Zugute, zu seinem Feuer was er damals bei uns entfacht hat.
War ja auch eine tolle Truppe, Wagner, Roos, Schönberg, Kadlec, Ratinho, Kuka etc. alles Spieler die sich zu 1000% mit dem Verein und der Region indentifiziert hatten.
oh mei war einfach eine schöne zeit...



Beitragvon Tavlaret » 08.12.2021, 14:39


Monate vorher hatten wir uns über Wetten für die EM unterhalten. Ich sagte "Passt auf, wo Otto ist, passieren eigenartige Dinge.", natürlich wurde ich verlacht. Ich glaubte ja auch nicht wirklich, dass er gleich Europameister wird, nur, dass Griechenland überraschen würde. Und wenn ich einen Arsch in der Hose gehabt hätte, hätte ich einen Hunderter gesetzt. :-(
Griechenland spielte dann wirklich keinen schönen Fußball und Manndeckung, hatten natürlich auch das Glück, das man braucht. Das war alles egal, wir fieberten mit und feierten Rehhakles. :-)
2006 setzte ich dann einen Hunderter auf Australien (wenn schon, denn schon ;-)). Die spielten dann überraschend gut, der Hunderter war aber weg.
Wer kämpft kann verlieren ... wer nicht kämpft hat beim FCK nichts verloren.




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