Neuigkeiten und Pressemeldungen zum 1. FC Kaiserslautern.

Beitragvon Kohlmeyer » 17.10.2022, 15:32


Hier kommt unsere Taktik-Nachlese samt xG-Grafiken zum 0:3 gegen Regensburg:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SSV
Die DBB-Analyse: Am besten einfach vergessen

Die Remis-Serie des 1. FC Kaiserslautern ist gerissen. Allerdings nicht so, wie sein Anhang es sich vorgestellt hatte: 0:3 zuhause gegen Jahn Regensburg. Die "Comebacker der Liga" sind sich untreu geworden.

Anscheinend muss es Tage wie diesen einfach geben. Einmal in der Saison, mindestens. Spieltage, an denen die Fans mit den schönsten Erwartungen auf den Betzenberg pilgern, an denen das Hochgefühl dann aber schon kurz nach Anpfiff einem unguten Bauchgrummeln weicht: Das wird heute nichts. Der letzte Tag dieser Art war der 30. April dieses Jahres. Da strömten über 48.000 Menschen ins Fritz-Walter-Stadion, um Zeuge zu werden, wie die Roten Teufel gegen Borussia Dortmund II auf einen direkten Aufstiegsplatz stürmen. Zu sehen bekamen sie von ihrem Team jedoch nur ein uninspiriertes Gebolze, das zurecht mit einer 1:3-Heimniederlage endete. Die Pfälzer mussten sich die Rückkehr ins Unterhaus dann über die Relegation sichern.

An diesem Sonntag war es wieder soweit. Nach dem ehrenwerten 1:1 vor Wochenfrist beim Tabellenführer Hamburger SV war die Stimmung bis zum Anpfiff bestens. Doch schon nach wenigen Minuten begann sie sich zu trüben. Schienen da doch gleich elf Jungs allesamt mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.

So viele Abwehrböcke in elf Minuten - geht’s noch?

Nicht nur, dass die Gäste schon nach acht Minuten 1:0 führten, nach elf hatten sie zusätzlich noch zwei Aluminiumtreffer zu verzeichnen. Für den ersten zeichnete Kaan Caliskaner nach sechs Minuten verantwortlich: FCK-Keeper Andreas Luthe hatte eine Rechtsflanke von SSV-Mittelstürmer Andreas Albers in die Strafraummitte abgewehrt, direkt vor die Füße des Gegners.

Vor dem Führungstreffer konnte zunächst Lauterns Mittelfeldzentrale den Ball nicht behaupten, anschließend hinterlief Regensburgs Linksverteidiger Lasse Günther seinen Vordermann Charalambos Makridis, ohne dass ihm jemand folgte. Boris Tomiak und Luthe tauchten unter seiner Flanke hindurch, Albers vollstreckte mit dem Kopf. Und nochmal drei Minuten später ließ sich Innenverteidiger Kevin Kraus von Caliskaner den Ball abjagen. Der lief frei auf Luthe zu, traf aber nur den Pfosten.

So viele Abwehrböcke in nicht einmal einer Viertelstunde, und dann sind mit Kraus und Luthe daran auch noch zwei der erfahrensten Spieler im Team maßgeblich beteiligt. Also die, die den Jüngeren eigentlich helfen sollen, die Nerven im Griff zu behalten - geht’s noch?

Ein paar Chancen, aber kaum eine war herausgespielt
 
Aber: In den vergangenen Wochen haben sich die Roten Teufel ja den Ruf als "die Comebacker der Liga" erworben. Acht Mal schon sind sie nach Rückständen zurückgekommen. Warum also sollte es nicht auch noch ein neuntes Mal klappen? Freunde Russischen Roulettes wissen freilich: Wenn die Patronenkammer bei fünf Schussversuchen immer leer war, muss sie es beim sechsten nicht auch noch sein.

In der übrigen ersten Hälfte kam der FCK zwar etwas besser, aber nicht wirklich gut ins Spiel. Bezeichnend, dass die ersten, halbwegs vernünftigen Chancen aus Umschaltsituationen resultierten, wie sie sich einer in Rückstand geratenen Heimmannschaft eher selten eröffnen. Philipp Klement, Terrence Boyd und Kenny Redondo spielten eine Drei-gegen-Zwei-Situation gut aus, Klement kam halblinks zum Schuss, scheiterte aber an Keeper Dejan Stojanovic. Boyd kam halbrechts zum Schuss, nachdem ein Stojanovic-Abschlag volley ins Angriffsdrittel retourniert wurde.

Ein Boyd-Kopfball nach einer Flanke von Marlon Ritter aus dem rechten Halbfeld war die einzige Torannäherung, die die Gastgeber aus dem Spiel heraus zustande brachten, wenn die gegnerische Hintermannschaft sie geordnet erwartete. Ansonsten waren da nur zwei Kopfballansätze Tomiaks und Boyds nach Freistoßflanke und Ecke Klements zu verzeichnen. Szenen, nach denen die treuesten Fans zu sagen pflegen: An guten Tagen kann so einer auch mal reingehen. Aber so ein Tag war dieser Sonntag nicht.

Die Ketten-Diskussion hilft da nicht weiter

Lag es daran, dass das FCK-Team nicht mit der "Favoritenrolle" klarkam, die ihr sogar Dirk Schuster vor dem Spiel zugestanden hatte? Unsinn. Ebenso wenig ist es hilfreich, an dieser Niederlage die Diskussion "Vierer- oder Dreierkette?" festzumachen.

Ja, Schuster hatte nach dem respektablen 1:1 in Hamburg seine Startformation nicht ändern wollen und darum wieder mit einer Dreierkette begonnen. Und ja, der Trainer hatte vor dem Spiel selbst gesagt, dass dieses Spiel ja ein vollkommen anderes werden würde. Und ja, eine Viererkette mit zwei Außenverteidigern, die die vorderen Flügelspieler absichern und mit Läufen die Linie entlang unterstützen, ist grundsätzlich besser geeignet, um ein Spiel breit zu machen, wie es gegen diesen Gegner nötig gewesen wäre.

Aber es ist durchaus auch möglich, in einem 3-4-1-2, wie es der FCK in der ersten Hälfte praktizierte, über die Außenbahnen zu kommen. Wenn etwa ein Redondo, als zweiter Stürmer aufgeboten, immer wieder auf die Flügel ausweicht, wenn ein Klement und ein Ritter das Zusammenspiel mit den Schienenspielern Hendrick Zuck und Erik Durm suchen. So, wie sie es gerade auch in Hamburg taten. An diesem Sonntag aber agierte die Mittelfeldzentrale zu pomadig, sodass der Defensivverbund der Regensburger kaum in Bewegung kam und auch stabil blieb, wenn die Schuster-Jungen dann irgendwann mal den absehbaren langen Ball schlugen.

Der Jahn dominierte auch bei ruhenden Bällen

Hauptsächlich mussten die Gäste sich darauf konzentrieren, die Lufthoheit bei ruhenden Bällen zu bewahren. Das gelang ihnen auch - bei nahezu allen elf Ecken der Lautrer sowie diversen Freistoßflanken, für die sich meist Klement verantwortlich zeichnete. Und von ihren fünf eigenen Eckbällen vermochten sie eine zu verwandeln. Diese zirkelte Makridis in der 57. Minute aufs kurze Eck, und Albers vollstreckte abermals. Tomiak stand unmittelbar bei dem Dänen, Boyd nah hinter ihm. Zwei von den stärksten Kopfballspielern also. Was für ein gebrauchter Tag.

Schuster hatte seine Abwehr bereits in der Pause auf Viererkette umgestellt. Innenverteidiger Kraus war hinausgegangen, Aaron Opoku gekommen, und der übernahm die offensive Flügelposition rechts. Auf das 0:2 reagierte der Trainer dann mit einem Dreifach-Wechsel: Jean Zimmer für Durm, Tyger Lobinger für Ritter, Mike Wunderlich für Klement.

Vier Mann vorne - und trotzdem keine Angriffswucht

Lobinger und Boyd nun als Doppelspitze, außen Opoku und Redondo, auf der Zehn Wunderlich - das sah zeitweise wie ein 4-1-1-4 aus. Angriffswucht entstand daraus allerdings nicht. Die vier Stürmer schienen sich eher gegenseitig die Räume eng zu machen. Die Zahl der Tor-Annäherungen nahm eher ab als zu. Stojanovic musste sich bei einem Boyd-Kopfball mal ordentlich strecken, aber sonst?

Auch die Flügelverteidigung der Roten Teufel funktionierte mit Viererkette nicht unbedingt besser. Vor dem 0:3 verzauberte Makridis erst mal ein wenig Zimmer, bevor er auf Kompagnon Günther zurücklegte und der erneut in die Mitte flankte. Diesmal war der eingewechselte Prince Osei Owusu zur Stelle. Er musste allerdings erst ein paar Momente aufs VAR-Urteil warten, ehe er jubeln durfte.

Owusu? Wir erinnern uns an unseren Gegner-Check: Das ist der Stürmer, mit dem die Regensburger bislang gar nicht zufrieden waren. Gegen Lautern durfte er sich nun ein wenig Selbstsicherheit zurückholen. Überhaupt hat sich der FCK in diesem Spiel zum Aufbaugegner für ein schwächelndes Team gemacht. Ganze neun Treffer hatte der Jahn vor dieser Partie zustande gebracht. Jetzt sind es zwölf, und es hätten gut und gerne noch ein, zwei mehr sein können.
 
Zu wenig Passspiel an den wichtigen Punkten

Bundesliga.de meldet 2.48 expected Goals für den SSV. "11tegen11" dagegen verzeichnet nur 2.02 xGoals für die Oberpfälzer, für den FCK dagegen nur einen Wert von 1.00 (bundesliga.de: 1.01). Schön zu sehen ist in Sander Ijtsmas Timeline, wie wenig Durchschlagskraft der Quasi-Vier-Mann-Sturm in der Schlussviertelstunde hatte. Die Timeline der Regensburger hat der Computer wieder mal "weiß auf weiß" eingezeichnet. Blöder Fehler, können wir aber nicht ändern. Sorry.
 
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Die Positions- und Passgrafik offenbart spätestens auf den zweiten Blick, woran es beim FCK in dieser Partie haperte: Von Durm führt keine Linie auf die Offensivspieler Klement, Redondo und Boyd, auch das Mittelfeldtrio Julian Niehues, Klement und Ritter passte sich untereinander nicht viel zu.
 
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Interessant die Positions- und Passgrafik der Regenburger. Die hinteren Reihen passen sich untereinander kaum den Ball zu, dafür sind die vor quicklebendig. Und wenn man dann noch 3:0 gewinnt, wer will da meckern.
 
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Unterm Strich ein Spiel, nach dem der Schuster-Truppe vor allem eins zu raten ist, wenn sie in die Spur zurückfinden will: Vergesst es einfach. Ganz schnell.

Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon MarcoReichGott » 17.10.2022, 16:21


Ich find schon, dass man auch über die taktische Ausrichtung ein wenig sprechen kann, wenn man in den ersten 10 Minuten 2 mal so dermaßen stereotypisch mit 3er Kette über die Außen ausgehebelt wird.

In Hamburg haben wir eigentlich weniger dauerhaft mit einer 3er Kette gespielt, sondern vielmehr immer wieder zwischen 5er und 4er Kette verschoben um die Außen von Hamburg eng zu decken. Gegen Regensburg hingegen sind wir zum ersten mal in der Startelf ganz klar im eigentlich offensiv ausgerichteten 3-5-2 aufgelauen und haben gleich mal defensiv eben die typischen Schwachstellen aufgezeigt bekommt, nämlich die Unterbesetzung der Außen bei Ballverlusten im Zentrum. Insgesamt hat mich hier aber eben bei der Aufstellung schon der Matchplan interessiert. Schließlich bringen Ritter und Niehus eben auch keine sonderlich große Passsicherheit im Zentrum mit - genau der Punkt, weshalb ich die 3er Kette ja immer ein wenig mit Skepsis sehe, wenn es als Allheilmittel für unseren Kader angepriesen wird. Ich hätte hier aber zumindest mit anderen Personal im Zentrum dann halt angefangen.

Aber letztlich ist es richtig: Bei den invidivuellen Aussetzern im Defensivverhalten, die wir im Spielverlauf hatten, ist dann die taktische Vorgabe auch irgendwann egal - wie man ja daran gesehen hat, dass wir uns trotz Systemumstellung und 4 Auswechslung bis zur 60 Minute auch nicht leichter getan haben. Primär wurde das SPiel vermutlich wirklich im Kopf entschieden. Aber es war eben auch nach Magdeburg nun das zweite Spiel gegen direkte KOnkurrenten, in denen Schuster eine für mich ewas fragwürdige Ausrichtung gewählt und es dem Team damit zumindest auch nicht einfacher gemacht hat.

Auf jedenfall wirds nun mal spannend werden wie Schuster reagieren wird. Das war nun schließlich das erste wirklich durchgängig schlechte Spiel von uns. Ich persönlich hoffe, dass wir wieder versuchen werden an das Braunschweig Spiel anzuknüpfen. Denn da haben wir eigentlich eine recht reife Leistung gezeigt gehabt



Beitragvon Lautern-Fahne » 20.10.2022, 19:01


Gegen Regensburg hingegen sind wir zum ersten mal in der Startelf ganz klar im eigentlich offensiv ausgerichteten 3-5-2 aufgelauen und haben gleich mal defensiv eben die typischen Schwachstellen aufgezeigt bekommt, nämlich die Unterbesetzung der Außen bei Ballverlusten im Zentrum. Insgesamt hat mich hier aber eben bei der Aufstellung schon der Matchplan interessiert


Ich denke, diese Aufstellung resultiert weniger auf einem auf den Jahn zugeschnittenen Matchplan. Schuster etabliert das eher als Grundsystem; im 3-4-2-1 bestritten wir die meisten erfolgreichen Aufholjagden, spielten den "schönsten" Fußball und es kommt unserem Zentrumsfokus entgegen. Und es gibt ihm die Möglichkeit, Boyd den Sturmpartner zur Seite zu stellen, den er für sein Spiel braucht.

Die Anfälligkeit für Angriffe über die Außen ist richtig. Aber wen stattdessen bringen? Die meisten unserer eigenen Außen sind halt verletzt (Hercher), außer Form (Zimmer, für mich auch Durm), oder aus sonstigen Gründen außen vor (Hanslik, Schad). Nur Zuck und Redondo erreichen Normalform. Und die spielen beide links.

Welches System wäre für dich geeigneter? Oder machst du es weniger am System als am Spielstil fest?
"Für mich ist Schönheit, dem Gegner nicht zu geben was er will."

"Es gibt Leute die sagen, kreative Spieler seien von Abwehraufgaben zu entlasten. Wer dies behauptet, kennt den Fußball nicht. Alle elf müssen zu jeder Zeit genau wissen, was sie zu tun haben"

José Mourinho



Beitragvon MarcoReichGott » 20.10.2022, 20:42


Naja, so sonderlich häufig haben wir bislang mit der 3er Kette ja gar nicht gespielt. Gegen Magdeburg hat Schuster hier primär ja auch den Fehler der zu offensiven Doppel-6 angepasst. Die Alternative wäre gewesen defensiv zu wechseln mit Niehus und das macht bei Rückstand natürlich gar keinen Sinn. Gegen Darmstadt hingegen hat Schuster nach dem Spiel erklärt, dass er nach den Gegentoren mit der offensiven Umstellung absichtlich gewartet hat, bis er das Gefühl hatte, dass wir wieder mehr Spielkontrolle hatten - das fand ich extrem clever und abgezockt von ihm.

Was wir gegen Regensburg gespielt haben war ja ein bißchen ein Novum, weils eben zum einen diesesmal direkt vom Spielstart der Versuch war mit einer 3er Kette offensiver spielen zu lassen - und eben nicht mehr reagiert war auf die konkrete Spielsituation. Wobei ich bei der Positionsgrafik auch ganz klar von einer Doppelspitze mit Boyd und Redondo und nicht von einem 3-4-2-1 reden würde. Und zum anderen wurden dann auch noch Klement auf die 10 und Niehus auf die 6 gezogen. Was wir beides mit 3er Kette so eben auch noch nicht hatten und ich extrem unglücklich finde.

Ich fand die Aufstellung als ich sie gesehen habe, halt irgendwie weder Fisch noch Fleisch. Auf der einen Seite war klar, dass Schuster der "Favoritenrolle" gerecht werden wollte, was man auch direkt gesehen hat, da sich Zuck und Durm recht offensiv positioniert haben. Auf der anderen Seite gabs dann aber mit Niehus eben die zusätzliche Absicherung nochmal, die der Idee spielkontrolle zu gewinnen eigentlich eher entgegen steht.

Ich persönlich würde - wenn man nicht gerade wie gegen den HSV mit der 3er Kette einen klaren Plan hat - tendenzuell eigentlich lieber mit 4er Kette gegen den Ball das Spiel beginnen. Mit dem Ball ist der Übergang zur 3er Kette dann ja eh fließend und wenn ich mehrere Systeme behersche, dann verfall ich ja auch nicht in kopflose Panik bei einem Ballverlust.

Aber WENN ich mit der 3er Kette anfange, dann muss ich es eben auch entsprechend durchziehen und das heißt in unserem Fall eigentlich, dass mit Ritter, Klement und Wunderlich eben genau die 3 Spieler im Zentrum zu stehen haben mit denen ich die größte Chance auch habe Offensivkraft durchs Zentrum zu entwickeln.

Aber vielleicht werde ich ja auch überrascht und Schuster demonstriert gegen Rostock, dass es die unzweifelhaft üble Zweikampfführung und Laufbereitschaft unser einziges Problem gegen Rgbg war und der Plan mit 3er Kette und Niehus auf der 6 und Klement auf der 10 doch funktionieren kann, wenn einfach alle 100 Prozent abrufen^^



Beitragvon Kohlmeyer » 22.10.2022, 13:10


Hier kommt unsere taktische und analytische Nachlese zum Sieg an der Ostsee:

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Foto: Daniel Krämer

Taktik-Nachlese zum Spiel FCH-FCK
Die DBB-Analyse: Erst abwarten, dann zuschlagen


Dem 1. FC Kaiserslautern ist eine passende Antwort auf die 0:3-Schlappe gegen Regensburg geglückt. Bei Hansa Rostock gewinnen die Roten Teufel am Ende souverän mit 2:0, strapazieren zunächst aber schwer die Nerven ihrer Fans.

Kevin Kraus fiel kurzfristig wegen einer im Abschlusstraining erlittenen Fußblessur aus. Für ihn rückte Jean Zimmer in die Startelf. Wer gerne über das Endlos-Thema "Vierer- oder Dreier-/Fünferkette?" schwadroniert, darf nun rätseln: Was, wenn Kraus fit gewesen wäre? Hätte Zimmer dann erneut auf der Bank Platz genommen? In diesem Fall wären mit Kraus, Robin Bormuth und Boris Tomiak vermutlich wieder drei Innenverteidiger aufgelaufen, und der FCK hätte mit Dreier-/Fünferkette begonnen. Oder war Zimmers Einsatz auf der Mittelfeldposition vorne rechts ohnehin vorgesehen, und einer aus dem Abwehrtrio, wohl Bormuth oder Kraus, hätte zum Anpfiff draußen gesessen?

Okay, es ist müßig, darüber zu spekulieren. Wir tun's dennoch, haken das Thema damit aber auch ab: Dirk Schuster wäre so oder so zur Viererkette zurückgekehrt. Weil nach der 0:3-Peinlichkeit gegen Regensburg Rückkehr zur Einfachheit angesagt war, zu den viel beschworenen "Basics". Und 4-2-3-1 mit, 4-4-2 gegen den Ball ist das, was jeder einigermaßen ordentlich ausgebildete Fußballprofi schon aus seinen NLZ-Zeiten aus dem Effeff kennt. Das 3-5-2, das in Hamburg so gut, gegen Regensburg so schlecht funktionierte, braucht mehr Feinabstimmung, vor allem im Zusammenspiel der Außenbahnspieler mit den Innenverteidigern.

FCK zunächst passiv, aber nie ernsthaft in Gefahr

Trotz der Formationsänderung aber verhielten sich Lautrer zunächst mal nicht viel anders als bei ihrem gefeierten Auftritt in Hamburg. Sie ließen den Ball die ersten 20 Minuten dem Gastgeber, selbst aber nichts zu. Oder kaum was. Den Statistiken brachten die Hanseaten zwar über die gesamte Spieldauer nicht einen wirklich gefährlichen Schuss aufs Gehäuse zustande, man sollte aber nicht vergessen: Zwei gut angesetzte Versuche von Nils Fröling und Thomas Meißner in dieser Anfangsphase gingen knapp am Tor vorbei, weil sie gerade noch abgefälscht wurden. In Zeiten, in denen das Glück den Pfälzern weniger hold war, wäre so ein abgefälschtes Ding wohl auch mal im Netz gelandet.

Für den mitgereisten Anhang allerdings war die anfänglich Passivität ihres Teams schwer erträglich. In Hamburg vor zwei Wochen spielte man beim Tabellenführer, aber hier traf man auf einen Tabellen-13., der brutal ersatzgeschwächt war. Musste die Schuster-Elf diese Rumpfmannschaft auch noch aufbauen, indem sie ihr das Leder überließ? Der Ballbesitzanteil der Kogge kletterte zeitweise auf über 70 Prozent.

Doch wie lautet einer dieser schrecklich banal klingenden, aber dennoch zutreffenden Kernweisheiten von FCK-Meistertrainer Otto Rehhagel: "Wenn man am Ende gewonnen hat, hat man alles richtig gemacht." Und so geschah es.

Nach 30 Minuten endlich Betze-Fußball: Allah, geht doch

Ab Mitte der ersten Halbzeit gab's auch mal von den Gästen Fußball zu sehen. Zimmer kam halbrechts zum Schuss, nachdem Julian Niehues und Philipp Klement sich mit einem schönen Zusammenspiel auf der linken Seite Platz geschaffen und den Flügelwechsel vollzogen hatten. Mit wenigen Kontakten, aber dennoch gut herausgespielt war Kenny Redondos Doppelchance in der 31. Minute. Klement und Zimmer behaupteten einen weiten Ball von Keeper Andreas Luthe an der Mittellinie, Zimmer spielte den Pass in die Tiefe, und wie sich Redondo dann halblinks in Schussposition brachte, abzog und dann auch nochmal den abgewehrten Ball an Hansa-Keeper Markus Kolke vorbeizubringen versuchte, das überzeugte den rot-weißen Fantross endgültig: Allah, geht doch.

Am Auftritt der Schuster-Jungen in der zweiten Halbzeit gibt es dann gar nichts mehr zu meckern. Das Team kontrollierte den hart kämpfenden, aber aufgrund seiner vielen Ausfälle schlecht abgestimmten Gegner bis zum Schlusspfiff. Auf Flanke von Zimmer wäre dem aufgerückten Rechtsverteidiger Erik Durm nach 60 Minuten beinahe ein Tor des Monats geglückt, als er volley vom halbrechten Strafraumeck abzog, Kolke aber prächtig parierte. Und als zwei Minuten später Bormuth, nach kurzer Ecke und Flanke von Klement auf fünf Metern nur knapp übers Tor köpfte, beschlich wohl jeden im Stadion und am Bildschirm dieses unbestimmte Gefühl: Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis was einschlägt.

In der 67. Minute war es soweit. Boyd versenkte einen Kopfball nach einer Freistoßflanke von Klement. Der dem bis dahin überragenden Kolke auch noch durch die Hosenträger rutschte. Autsch.

Boyd: Ein Treffer für, einer mit breiter Brust

Boyd also. Der, der vorne immer unermüdlich rackert, sich permanent auf der gesamten Breite des Spielfelds anbietet, gegen den aber sofort kritische Stimmen von Einzelnen laut werden, wenn wie zuletzt die Chancenverwertung nicht stimmt. Das schlägt selbst einem wie ihm aufs Gemüt, denn Stürmer brauchen Treffer, damit die Brust wieder breit wird.

Wie sehr dieses Erfolgserlebnis Boyds Brustkorb wieder aufgepumpt hatte, wurde in der 82. Minute sichtbar. Da galt es nämlich, sich im Tackling und im Sprint gegen Rick van Drongelen durchzusetzen, den ebenfalls recht imposant gebauten Innenverteidiger der Rostocker. Boyd entschied das Duell für sich und schoss zum 2:0 ein. Die Entscheidung.

Und ein Treffer, vor dem Umschaltspiel buchstäblich "mit Köpfchen" umgesetzt worden war. Ein weiter Abschlag Kolkes wird mit zwei Kopfbällen von der Lautrer Strafraumgrenze weg zu Marlon Ritter weitergeleitet, und der schlägt das Leder volley aus einer Bewegung heraus in die Spitze, bei der andere sich vielleicht den Fuß verdreht hätten.

Boyd war der Beste, aber Tomiak die Symbolfigur

Klar, dass Boyd nicht nur von den Fans in der DBB-Spielerbenotung, sondern auch in den Bewertungssystemen von "Sofascore" oder "Whoscored" als überragender Akteur des FCK-Teams gelistet wird. Wer zwei Tore erzielt hat, steht da sowieso oben. Als zweitbester Teufel wird Klement bewertet, was ebenfalls nachvollziehbar ist. Der 30-Jährige war an fast allen Offensivaktionen seines Teams beteiligt. Allerdings: Als er nach 75 Minuten gegen Mike Wunderlich ausgetauscht wurde, präsentierte dieser sich direkt als der torgefährlichere Zehner. Dirk Schuster hat auf dieser Position wirklich die Qual der Wahl.

Symbolfigur dieses Spiels ist für uns aber ein anderer: Boris Tomiak. Gegen Regensburg hatte der 24-Jährige Aktien in allen drei Gegentreffern. Diesmal blieb er fehlerlos, harmonierte gut mit Nebenmann Bormuth, warf sich leidenschaftlich in die Zweikämpfe, insbesondere mit Rostocks Sturmtank Lukas Hinterseer. Er zeigte aber auch, dass er in punkto Stellungsspiel kontinuierlich dazulernt. Dabei ist die linke Innenverteidiger-Position für den Rechtsfuß gar nicht mal die optimale - aber das wäre schon wieder Meckern auf hohem Niveau.

Die xG-Grafiken: Am Lautrer Sieg gibt's nichts zu rütteln

Diese bei "Wsycout" entnommene Grafik zeigt, wie sich durchschnittlichen Aufstellungslinien im Lauf der Partie verschoben - und wie der FCK in den zweiten 45 Minuten in diesem Punkt zulegte. Rostock dagegen hatte spätestens nach dem 0:2 nichts mehr nach vorne zu werfen.

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Nicht minder aussagekräftig ist die Visualisierung der Pressingintensität über 90 Minuten. Der FCK zunächst haarsträubend passiv, drehte nach 30 Minuten aber ordentlich auf und ließ es nach 2:0-Führung wieder ruhiger angehen.

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Die Medien, die von "Opta" erhobene Daten beziehen, nennen ein xGoals-Ergebnis von 0,54 : 1,28 zugunsten der Roten Teufel, "Wyscout" kommt sogar 0,49 : 2,04. Hier die Timeline:

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Die Positions- und Passgrafik beziehen wir diesmal auch von "Wyscout", bei Freitagsspielen braucht Sander Ijtsma immer etwas länger. Diese Grafiken haben den Nachteil, dass in sie auch die Einwechselspieler hineingefriemelt werden, was auf Kosten der Übersichtlichkeit geht. Hier ist sie dennoch:

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Und der Vollständigkeit halber hier noch die Positions- und Passgrafik des FC Hansa:

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon Oktober1973 » 23.10.2022, 08:38


Vielen Dank an @ Eric für das für mich wieder einmal treffende Spiegelbild der Partie. Was sich für mich lange wie ein müder 3. Liga Kick angefühlt hat, der gut und gerne auch 0:0 hätte enden können, ist letztendlich doch sehr erfreulich für uns geendet. Viele Unzulänglichkeiten in den Pässen und Balleroberungen und zweiten Bällen war schon mühsam anzusehen. Für mich war der Gamechanger der Mehrfachwechsel von J, Härtel in der 64. Minute mit 3 Mann, der nicht gegriffen hat und uns scheinbar mehr Raum gegeben hat. Für mich die Spieler der Partie Boris Tomiak, der souverän Kevin Kraus als Letztabsicherung in der IV perfekt vertreten hat und natürlich T. Boyd, dem ich den Abschluss des Tempovorstoss so gegönnt habe, nachdem er schon mehr fach solche Chancen hat liegen lassen und hier schon hart dafür kritisiert wurde. Durch die wesentlich umfangreichere Datenlage kann man, und da nehme ich meist Sofascore und Kicker, erkennen, dass wir ausserhalb der individuellen Fehler eine gute Entwicklung zeigen. Die Viererkette hilft uns bei unserem vorhandenen Kader scheinbar mehr weiter. DS hatte damals sogar darauf hingewiesen, dass sich die Mannschaft nach Nachfrage damit auch wohlgefühlt habe in der Vorbereitung auf die Relegation. Gibt wohl mehr Sicherheit. Und wenn diese sich dann vorwärts schnell in ein 3-5-2 auflöst, wie in Hamburg, ist es eh gut. @MRG hat die letzten Wochen auch immer wieder sehr gut auf die Dynamik hingewiesen. Ich persönlich war ja auch zum Ende der 3. Liga Runden froh, dass DS nach den versemmelten Spielen gegen Dortmund und Viktoria auf die Viererkette im Rückspiel gegen Dresden gewechselt hatte und ich damals für meinen Wunsch tlw. hart kritisiert wurde, da MA damit guten Erfolg hatte.
Ich bin froh, dass wir tendenziell etwas höher stehend spielen. Erstens hält man den Gegner eher vom Tor weg und hat mit Klement die Möglichkeit mehr Chancen zu kreieren, die dann hoffentlich genutzt werden. Ich will mich nach wie vor nicht ausschliesslich auf TB verlassen. Was mich auf jeden Fall locker bleiben lässt, ist das Gefühl mithalten zu können. Nach wie vor bin ich überzeugt, dass auch die Laufleistung und das Engagement und der Wille des Einzelnen eine große Rolle spielen. Gegen Regensburg, was die Fans schnell abgehakt haben, was auch gut ist, hatten wir eine Laufleistung von 106 : 110. Das heisst 4 !! KM weniger in einem Heimspiel. Das darf nicht sein. Im Spiel in Hamburg, was gefühlt unser bestes Spiel war, welches wir hätten sogar gewinnen können, hatten wir 117:117. Also gesamt 11 KM mehr.... !!! Die Spielanteile scheinen scheinbar nicht der Erfolgsindikator zu sein. Die Hin und Her Spielerei und das Klein Klein hilft nicht zwingend weiter. In Hamburg hatte Matteo Raab z.B 64 Ballkontakte,. Das jubelt zwar die Ballbesitzquote hoch, ist jedoch final nicht spielentscheidend. Gerne würde ich von @ Kohlmeyer nochmals diese Tabelle sehen, in der die jeweiligen Spielerzweikämpfe gegeneinander gezeigt werden in der Übersicht. Wenn unsere Zweikampfquote durch den ganzen Kader passt, ist auch die Erfogswahrscheinlichkeit höher. Gegen Nürnberg bin ich gespannt, was sich DS einfallen lässt. Wieder ein Gegner, der hinter uns steht und mit weitaus höheren Erwartungen in die Saison gestartet ist. Da ich hoffe, dass mit vielen Nürnbergern die mitfahren, wieder annähernd 40.000 im Stadion sind, wird dies wieder ein ambitionierter Kampf. Immerhin hat Nürnberg trotz bisher durchwachsener Saison zuletzt in Düsseldorf gewonnen..



Beitragvon Kohlmeyer » 30.10.2022, 16:30


Hier kommt unsere Taktik-Nachlese zum Spiel gegen den FCN:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCN
Die DBB-Analyse: Teufel mit stumpfen Hörnern

Es spricht sicher für den 1. FC Kaiserslautern 2022/23, das auch nach diesem neuerlichen 0:0 keine negative Stimmung aufkommt. Etwas mehr Aggressivität hätte es gegen den schwachen 1. FC Nürnberg aber sein dürfen - gerade vor dieser Traumkulisse.

Nein, es muss auch nach diesem Spiel noch niemand anfangen zu meckern. Der FCK steht nach wie vor auf einem einstelligen Tabellenplatz, ist nach wie vor bester Aufsteiger. Hat nun 20 Punkte auf dem Konto, also die Hälfte der anvisierten Saisonausbeute. Was in den drei noch ausstehenden Partien der Hinrunde geholt wird, darf im Hinblick auf das Ziel Klassenerhalt also schon als Bonus angesehen werden. Und ein "eigentlich" verdienter Sieger gegen die Franken wären die Lautrer doch auch gewesen. 1,59 : 0.13 stand es am Ende nach xGoals, die Nürnberger hatten nicht einen direkten Torschuss abgegeben, das sagt doch alles. Klappt halt nicht immer, ist halt Fußball. Gepfiffen hat auch keiner in dieser Wahnsinnskulisse von beinahe 47.000 Zuschauern im Fritz-Walter-Stadion. Steht also immer noch alles zum Besten im Südwesten, da wird jetzt hoffentlich keiner wieder mit der "überzogenen Erwartungshaltung" kommen, die in zurückliegenden, unseligen Zeiten so oft und so ungern angeführt wurde.

Laufdistanzen zuhause und auswärts: ein Vergleich

Nein, man muss nicht meckern. Aber gefragt werden darf schon: Weshalb läuft es bei den Schuster-Jungen in dieser Spielzeit auswärts besser als in der einstigen "Bastion Betzenberg"? Auf dem Papier haben die Pfälzer zwar Zuhause genauso viele Punkte geholt wie in der Fremde. Zehn Punkte nämlich. Aber: Daheim haben sie bereits zwei Partien mehr bestritten. Vier Unentschieden gab’s auswärts wie im eigenen Wohnzimmer, aber dort sind die Roten Teufel auch schon zwei Mal geschlagen worden. Unterwegs noch nie.

Unter den Unmengen an Daten, die bei Spielen in deutschen Profiligen heutzutage erhoben werden, ist es gar nicht so einfach, die zu entdecken, die dazu Erhellendes bieten. Aber siehe da: Der Vergleich der "Laufdistanzen" gestaltet sich als recht interessant. Bei Tabellenführer Hamburger SV mussten die Schuster-Jungen laut "bundesliga.de" insgesamt 118 Kilometer abspulen, um den verdienten Punkt mit nach Hause zu nehmen. Beim 2:0-Sieg in Rostock legten sie 111,5 Kilometer zurück. Und zuhause?

Gegen Eintracht Braunschweig, Endstand 1:1, waren es am Ende nur 107 Kilometer. Beim schlimmen 0:3 gegen Regensburg liefen sie 106 Kilometer, und am Samstag gegen Nürnberg 105,3 Kilometer. So viel sind die Roten Teufel auch beim 2:2 in Heidenheim gerannt. Und das, obwohl nach Andreas Luthes Platzverweis fast eine Halbzeit lang nur noch zehn von ihnen Gelegenheit hatten, Kilometer zu fressen.

Zu wenig Laufarbeit bringt auch den Gegner nicht in Bewegung

Wir sehen also: Die Lautrer rennen auswärts mehr als zuhause. Weshalb? Weil die Gastmannschaften "uffem Betze" tiefer stehen, drum muss da weniger marschiert werden. Könnte man meinen. Andererseits: Damit sich Lücken gegen kompakte Defensivformationen auftun, müssen diese in Bewegung gebracht werden, und dazu wiederum muss man sich selbst bewegen.

Nicht von ungefähr gleichen die Laufdistanzen der Gäste in den besagten Partien denen der Gastgeber. Die Braunschweiger mussten 106,8 Kilometer laufen, um sich ihren Punkt zu sichern. Die Nürnberger benötigen exakt genauso viele. Was insofern ärgerlich ist, als dass ihnen zurzeit Probleme im Ausdauerbereich nachgesagt werden - mit zunehmender Spieldauer hätten sich vielleicht mehr Lücken aufgetan, wären sie entsprechend gefordert worden. Und die Regensburger? Liefen sogar vier Kilometer mehr als der FCK und haben wohl auch deswegen so klar gewonnen.

Umso bezeichnender ist es, wie die Pfälzer die 1,59 xGoals herausgespielt haben, mit denen sie hinterher ihren "eigentlich" verdienten Sieg begründeten, nämlich ausnahmslos mit lang geschlagenen und/oder ruhenden Bällen. Schon in der 11. Minute verlängerte Boris Tomiak eine Ecke von Philipp Klement auf Julian Niehues, dessen Kopfball Lino Tempelmann auf der Linie blockte. Später kamen noch zwei halbgare Kopfballansätze von Tomiak und Terrence Boyd hinzu, abermals nach Ecke und Freistoßflanke von Klement. Dem zurecht zurückgenommenen Elfmeter in der zweiten Hälfte ging ebenfalls eine Ecke Klements voraus.

Lange Bälle ablegen: Kann klappen, genügt aber nicht

Dazu zwei Versuche im Anschluss an aus dem Spiel heraus geschlagene lange Bälle, beide aus der Rechtsverteidigerposition: Der eine kam von Erik Durm. Marlon Ritter erlief ihn sich, doch strich sich sein 16 Meter-Schuss knapp am langen Pfosten vorbei. Und tief in der zweiten Halbzeit visierte Ritter, der sich mal hinten rechts angeboten hatte, den eingewechselten Aaron Opoku im Sturmzentrum an. Der legte passgenau auf den halbrechts einlaufenden Boyd ab, doch der scheiterte an FCN-Torsteher Christian Mathenia.

Und dann war da noch die größte Chance des Spiels. Auch der ging ein abgelegter langer Ball voraus, der aber schon an der Mittellinie runterging, da der "Glubb" ungewöhnlich hoch aufgerückt war. Die Roten Teufel sicherten sich den zweiten Ball, passten über die linke Seite nach vorne, Klement schickte Kenny Redondo halblinks in die Gasse. Der aber schloss lieber selbst, statt dem mitgelaufenen Jean Zimmer aufzulegen, der einfach hätte einschieben können.

Demut ist schön, aber Angriffspressing wär geiler

Klar, unterm Strich hätte das reichen können, aber es wäre noch viel, viel mehr möglich gewesen. Auch wenn die Nürnberger noch so stolz darauf verweisen, dass sie nunmehr im vierten Pflichtspiel nacheinander ohne Gegentreffer geblieben sind, souverän wirkten sie in der Defensive keinesfalls. Etliche vertikale Bälle wehrten sie nur unsauber ab, auch ließen sie sich das ein oder andere Mal in gefährlichen Zonen den Ball abjagen. Mit aggressivem Pressing und Gegenpressing hätte sich die Fehlerquote der Gäste locker erhöhen lassen, die Anzahl an Torchancen, den Siegtreffer zu erzielen, erst recht.

Als Aufsteiger nicht zu schnell, schon wieder zu viel wollen, sich weiter in der von Sportchef Thomas Hengen geforderten "Demut" üben, das ist ja schön und gut, aber irgendwann wird der Anhang, der gegenwärtig noch so zufrieden wie zahlreich auf den Betzenberg strömt, dort auch wieder Rote Teufel sehen wollen, die ihre Gegner auf die Hörner nehmen.

Wie er die vielen Unentschieden derzeit werte, wurde Dirk Schuster unlängst gefragt, und er antwortete: "Für mich ist das Glas immer halbvoll". In dem Bild steckt, mit Verlaub, ein kleiner Rechenfehler: Für einen Sieg gibt’s drei Punkte, für ein Remis nur einen. Streng genommen also ist das Glas bei Gleichstand nur zu einem Drittel voll. Das klingt jetzt ganz schön oberschlau, gell? Aber warten wir mal ab, ob die Anmerkung nicht vielleicht doch als "irgendwie bezeichnend" angesehen wird.

Die Krux: Zu wenig Passkommunikation in der Zentrale

Zu den Grafiken. Über die xGoals haben wir ja schon gesprochen, bei den übrigen Datenanbieter variieren sie übrigens nur minimal.

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Die Positions- und Passgrafik der Lautrer sieht auf den ersten Blick gar nicht mal übel aus. Auf den zweiten zeigt sich aber: Es gibt keine Passlinien zwischen Redondo und Boyd, keine zwischen Zimmer und Boyd, keine zwischen Niehues und Ritter, keine zwischen Ritter und Zimmer. Unterm Strich also zu wenig Passspiel. Öfter und schneller abspielen, setzt den Gegner in Bewegung. Und öffnet Lücken.

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Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik des FCN. Nürnbergs Abwehrformation diesmal wird vielerorts als Dreierkette beschrieben, diese Visualisierung bestätigt dies nicht unbedingt. Zweifelsohne richtig ist: Auf der rechten Seite bildeten Jan Gyamerah und der junge Jens Castrop ein Pärchen, das das FCK-Duo Hendrick Zuck/Redondo insbesondere in der ersten Hälfte ordentlich beschäftigte. Die Männer in Rot suchten daher den Weg nach vorne über den rechten Flügel, wo Fabian Nürnberger keine festen Partner hatte, bis der ehemalige Lautrer Erik Wekesser eingewechselt wurde. Sofern es Absicht von Markus Weinzierl war, die Angriffsbemühungen der Gastgeber auf deren rechte Seite zu leiten, war’s clever. Denn wenn mal was über Zuck/Redondo lief es, sah es meist erfolgversprechender aus als bei Durm/Zimmer.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon Gazza » 30.10.2022, 18:32


Hatte schon einmal das mangelnde Tempo von Zimmer bemängelt - weil so meist im Umschaltspiel eine Anspielstation fehlt. Betrachtet man die Passwege, bestätigt sich der Eindruck aus dem Stadion: Nicht anspielbar, Offensivaktionen u.a. deswegen meist ausrechenbar - unsere Linkslastigkeit war auch schon Thema bei (den sonst so blinden) TV-Kommentatoren...


Wie zum Hohn stand Zimmer gestern einmal goldrichtig für ein Abspiel...



Beitragvon ExilDeiwl » 31.10.2022, 01:19


Erstmalig musste ich beim Lesen der taktischen Analyse von @Kohlmeier deutlich den Kopf schütteln. Wohlgemerkt aber nicht über den Kern dieser Analyse, denn die ist für mich wieder sehr gut. Aber nachdem ich mir den ersten Absatz zu Gemüte geführt habe, habe ich mich schon gefragt, ob er sich mal die sechs Seiten langen Diskussionen zur Spielnachbereitung zumindest ansatzweise durchgelesen hat, bevor er diesen Einstieg in seine Analyse verfasst hat. Lieber @Kohlmeier, unterscheidet sich die Welt da draußen so sehr von dem, was da als Kritik verpackte Meckerei zu lesen ist (damit beziehe ich mich auf die Diskussionen hier auf DBB, nicht auf Deine Analyse)? Oder wie kommst Du zu der Ansicht, dass keine negative Stimmung aufgekommen sei?

Immerhin öffnet mir Deine Analyse dahingehend die Augen, als dass ich nun besser verstehe, warum einige so dermaßen unzufrieden erscheinen, dass sie verbal solche Kritik am Spiel äußern. Offenbar waren unsere Jungs zu wenig und insbesondere auch nicht offensiv aggressiv genug unterwegs. So macht es zumindest Deine Analyse für mich plausibel nachvollziehbar.

Insofern war Deine Analyse bezogen auf das Spiel selbst für mich sehr lesenswert. Zur Einschätzung bzgl. der Stimmung beim Anhang… naja, Schwamm drüber. :daumen:
Nein, es geht mir NICHT um Hurra-Fußball!

🇺🇦 STOP WAR! FUCK PUTIN! 🇺🇦



Beitragvon Kohlmeyer » 31.10.2022, 10:08


Hallo,

meine Einschätzung, noch käme keine Negativstimmung auf, beruht auf den Eindrücken, die ich am Samstag im Stadion gewonnen hatte. Denn ich kann mich noch gut daran erinnern, dass nach solchen Spielen auch schon gellend gepfiffen worden ist, ist ja auch noch nicht allzu lange her. Insofern fand Ichs am Samstag noch recht angenehm.

Die DBB-Kommentare, die zwischenzeitlich hier im Forum entstanden sind, sind in der Tat an mir vorbei gegangen. Viele sind ja auch erst in der Zeit entstanden, in der ich an der Analyse gearbeitet habe, und dafür brauche ich schon ein paar Stunden. Wenn ich da parallel noch DBB-Forum lesen würde, würde ich nie fertig.

Immerhin habe ich ja in den Schlussabsätzen durchaus schon angedeutet, dass die Stimmung bald kippen könnte. Anscheinend geht auch das wieder mal schneller als gedacht. So isser halt, de Betze.

Gruß,
Kohlmeyer



Beitragvon herzdrigger » 31.10.2022, 11:08


Guten Morgen,

danke für die Analyse. Die bestätigt das, was ich im Stadion wahrgenommen habe und auch in den Spieltags-Thread geschrieben habe. Mir war das Spiel zu statisch. In Zusammenfassungen oder im TV sieht man eben nicht den ganzen Platz und wirkt deutlich dynamischer. Eine Analyse beleuchtet eben das Gesamte.

Das schnelle Kurzpassspiel und die intensive Bewegung ist in einigen Spielen leider abhanden gekommen. Wir können das! Warum nicht weiter ein Spiel so gestalten? Vor allen Dingen gegen einen solchen Gegner?
Dazu ist allerdings ein größeres Laufpensum nötig. Na dann ... :wink:
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.



Beitragvon MarcoReichGott » 31.10.2022, 11:24


Naja, man merkt die Erwartungshaltung ja auch an der Analyse hierm, da der Fokus ja sehr stark auf unseren Versäumnissen im Offensivspiel liegt. Ich seh das übrigens komplett genauso, dass wir mit Ball zu wenig Bewegung haben, bzw. teilweise auch einfach die falschen.

Bezeichnend war für mich da in der ersten Halbzeit eine recht gute Kontermöglichkeit, bei der Redondo beim Versuch zu kreuzen den ballführenden Klement fast über den Haufen rennt, anstatt den Raum breit zu machen. Und da große Teile der Mannschaft recht behäbig nachrückten, musste Klement dann 3 Kreisel drehen und abbrechen.

Ich fand das eh ganz faszinierend wie Nürnberg taktisch gegen uns gespielt und versucht hat unsere Schwächen gleich doppelt offen zu legen. Hatten wir den Ball am eigenen 16er, dann wurde hoch gepresst um die bekannte Schwöche im SPielaufbau zu nutzen. Hatten wir den Ball dann aber mal in Mittelfeld nähe, dann hat sich Nünrberg sehr tief zurückgezogen und uns einfach mal machen lassen. Und mit beiden Spielweisen haben wir eben so unsere Probleme. Sobald der Gegner presst, fehlt uns einfach die Präzision und wir schenken den Ball zu schnell her. Und steht der Gegner tief, dann fehlt uns ein bißchen die Bewegung im Spiel, aber sicherlich auch die Kreativität und die Fähigkeit im 1vs1 mal Lücken aufzureißen.

So weit zur Analyse, aber nun zurück zur Bewertung- Solche offensiven Lösungen zu finden bzw. mit hohem Pressing der Gegner zurechtzukommen, ist für eine Spitzenmannschaft sicherlich extrem wichtig. Aber für uns? Nürberg wollte spätestens ab der 2 HZ primär die Null und das Unentschieden halten. Die Fans sind zumindest in den sozialen Medien darüber recht wütend. WIr hingegen haben den Weg nach vorne gesucht, aber spielerisch sicherlich nur recht selten auch gefunden. Die Chancen waren trotzdem da. Zumindest die Aktion mit Redondo und Zimmer muss zwingend ein Tor sein. Die Abschlüsse von Niehus, Klement, Boyd und Opoku können sicherlich auch alle 4 reingehen.

Und auf der Gegenseite haben wir eben keinen einzigen Torschuss zugelassen. 0,13XGoals bei Nünberg, 0 Schüsse auf Tors...das hat sich Nünrberg sicherlich vor dem Spiel anders vorgestellt. Nein, wir haben gegen teils sehr tiefstehende, aber sicherlich nicht immer stabilstehende Nürnberger spielerisch recht selten Lösungen gefunden und leider vor dem Tor ein paar mal zu oft individuell die falschen Entscheidungen getroffen. Wir sind nunmal keine Spitzenmannschaft. Aber das ist eben auch nicht der Maßstab, den wir nun anlegen sollten, nur weil wir auf Platz 7 stehen. Vor ein paar WOchen hieß es, dass wir öfters mal wieder die Null halten sollten. Und siehe da: Das schaffe wir gerade wirklich recht problemlos. Klar: Rostock war stark Ersatzgeschwächt, Nürnberg ist offensiv viel schwächer als es die individuelle Qualität vermuten lassen würde. Muss man aber eben trotzdem erstmal schaffen als Aufsteiger so stabil zu stehen und trotzdem nach vorne noch mehrere sehr gute Abshlüsse zu haben. Über alles was darüber geht, kann und sollte man natürlich trotzdem diskutieren. Ich bin mir auch recht sicher, dass Schuster und sein Team auch genau solche ENtwicklungen im Blick haben. Aber erwarten kann man das zum aktuellen Zeitpunkt von der Mannschaft sicherlich nicht.

Edit: Vielleicht noch eine Anmerkung zum halbvollen Glas. 34 Unentschieden wären 34 Punkte am Saisonende. Auch wenn das nicht die Zielmarke ist, weil man damit oftmals noch absteigt: In den letzten 2 Jahren hätte das durchaus schon zum Klassenerhalt gereicht. Und da wir ja schon überm Soll liegen, hätten wir mit 20 Unentschieden gerade sogar unsere 40 Punkte zusammen. Darüber hinaus haben wir gegen Regensburg gesehen wie weh Niederlagen gegen direkte Konkurrenten tun. Noch viel schlimmer als die fehlenden Punkte ist nämlich, dass der Gegner dann 3 Punkte bekommt. Was - siehe oben - fast 1/10 der Punkte ist, die man in den letzten Jahren zum Klassenerhalt benötigt hat. Insofern ist es für den Trainer, der den Auftrag "Klassenerhalt" hat sicherlich kein "Rechenfehler", wenn er hier von einem halbvollen Glas redet, wenn wir nur einen Punkt holen, aber besser als der Gegner waren.



Beitragvon betateufel » 31.10.2022, 13:55


Danke, MRG, für diese sehr ausgewogene Antwort auf die in meinen Augen ungewöhnlich scharf-kritische Spielanalyse. Wie schon an anderer Stelle geschrieben, frage ich mich ein wenig, woher die Erwartung kommt, dass bei dieser Mannschaft mit dieser Mischung aus Qualitäten und Schwächen herausgespielte Chancen als „müsste man reinmachen und das Spiel gewinnen“ gewertet werden. Wenn es so einfach wäre, hätten wir ein anderes Saisonziel. Und das haben wir zurecht nicht.

Ich bin froh über die defensive Stabilität nach Regensburg, denn das als selbstverständlich abzutun oder schlichtweg zu behaupten, Nürnberg habe keine Tore schießen wollen, wird der starken Defensivleistung der letzten zwei Spiele nicht gerecht.

Danke aber für die interessanten Fakten zur Laufleistung. Sehr interessant! Daraus ergeben sich bestimmt gute Anknüpfungspunkte für die nächsten Spiele.



Beitragvon Oktober1973 » 31.10.2022, 15:19


Nachdem im Spieltagsthread die Fronten der Mahner und der Enttäuschten fast unversöhnlich gegenüberstanden und in einem anstrengend zu lesenden Austausch ihr Herzblut verschüttet haben, bin ich froh, dass mit @Kohlmeyer und @MRG etwas mehr Sachlichkeit eingekehrt ist.
Anhand der Analysen wird eigentlich beiden Fronten Ihre berechtigte Sichtweise gelassen.
Aber wie @ Eric schon schreibt sind Fragen zulässig. Wer St. Pauli gegen Darmstadt live gesehen, konnte den Willen beider Teams förmlich durch den Bildschirm spüren.
Die Laufleistung tatsächlich um Einiges mit 6 - 10 KM höher. Für mich ein wichtiger Indikator. Wie DS schon beschrieben hatte, gehört auch Wille dazu. Laufleistung besteht ja nicht aus purem Abspulen, sondern wie oben beschrieben aus Pressing, Anlaufen, Räume suchen, Mitspielern im Spiel ohne Ball Möglichkeiten zu bieten. Am Besten zu sehen daran, dass Klement etliche Piouretten drehen musste, weil er keinen gescheiten Pass spielen konnte. Bin noch hin und her gerissen, ob das dazu geführt hat, dass die Nürnberger sich in der Rückwärtsbewegung, vor Allem in der ersten Halbzeit mit aller Ruhe schnell formieren konnten.
Letztendlich ein Tag der Enttäuschungen deswegen hervorgerufen hat, da der Heimsieg zum Greifen nahe war und die Fans spüren, dass wir soweit vom oberen Leistungsvermögen der 2. Liga nicht weg sind. Ich kann der Legende der weniger vorhandenen individuellen Qualität nach den bisherigen Spielen noch nicht folgen. Mein Wunsch liegt nach wie vor bei solchen gegnerischen Formationen über die Schienen zu agieren. In den Heatmaps der einzelnen Spieler sieht man aber auch, dass es mir so vorkommt, dass für den in der Defensive starken Zuck die Mittellinie aus Stacheldraht besteht. Und Redondo auch nicht mit ihm gemeinsam hoch genug stehend agiert. Beide haben das in Mals in einem Vorbereitungsspiel zusammen richtig gut gemacht. Das hat sich mit der Einwechslung von Opoku direkt geändert. Auf der rechten Seite hat Durm teilweise offensiver als Zimmer agiert. Trotzdem waren wir über Außen an der Grundlinie kaum sichtbar. Wäre eine Möglichkeit gewesen, da Boyd sich komplett an Lawrence und Schindler abgearbeitet hat, die ihm kaum Raum gegeben hatten.
Ich glaube auch, dass sich Klement und Ritter in den Laufwegen abgestimmt eventuell noch optimieren müssen. Da haben wir erhebliches Spieleröffnungspotential.
Positiv nach wie vor die Defensivarbeit unserer IVs, die mich komplett entspannt im Stadion zusehen lässt.
Ein wunderbarer Weitschuss, der gefühlt Erste in dieser Saison aus fast 30 m von Klement, den man mit links auch erst mal so hinbekommen muss.
Weit waren wir von einem 2:0 nicht weg. Aber der gute Torwart stand dagegen, und auch die ein oder andere "Kopfentscheidung" waren dann nicht schnell genug. Prinzipiell glaube ich, dass DS genau weiss was abgeht. Ich hoffe, dass die Bank und der Kader ruhig bleibt und zusammen agiert, wie z.B Schad Hercher bei dessen Einwechslung abgeklatscht hat.
Hat mir sehr gut gefallen. Bielefeld wird schwer. Die müssen was tun, sonst brennt bei einer Niederlage die Alm mit 11 Punkten zum jetzigen Zeitpunkt. Vielleicht ist tatsächlich für unsere Herzenself der Druck anstatt vor 50.000 mit Gewalt gewinnen zu wollen zu Hause, nicht so groß beim Auswärtsspiel. Gegen Karlsruhe zu Hause würde ich eventuell versuchen tatsächlich einmal kontrolliertes offensives Spektakel zu produzieren. Wenn wir dann mal untergehen, und das in einem anderen Stil wie gegen Regensburg, wäre es mir sogar egal. Ich hoffe auf tolle 3 Spiele noch in der Vorrunde, sodass die Fans in der langen Winterpause heiss wie Frittenfett bleiben.



Beitragvon Lautern-Fahne » 31.10.2022, 15:21


ExilDeiwl hat geschrieben: (...)@Kohlmeier, unterscheidet sich die Welt da draußen so sehr von dem, was da als Kritik verpackte Meckerei zu lesen ist (damit beziehe ich mich auf die Diskussionen hier auf DBB, nicht auf Deine Analyse)? Oder wie kommst Du zu der Ansicht, dass keine negative Stimmung aufgekommen sei? (...)

Immerhin öffnet mir Deine Analyse dahingehend die Augen, als dass ich nun besser verstehe, warum einige so dermaßen unzufrieden erscheinen, dass sie verbal solche Kritik am Spiel äußern. . Zur Einschätzung bzgl. der Stimmung beim Anhang… naja, Schwamm drüber. :daumen:


Erstmal vielen Dank Kohlmayer für die mal wieder sprachlich pointierte Analyse. Ist ein echter Gewinn für dbb. Sie deckt sich mit dem, was ich auch schon im Spieltagsthread schrieb: im Vergleich zur Antwerpenfußball sind wir deutlich statischer und ausrechenbarer geworden. Weinzierl fasste unseren Spielstil in der PK vor dem Spiel in 2 Sätzen zusammen:
1.Boyd wird lang angespielt und leitet zu Redondo oder Zimmer weiter.
2.Klement und Ritter versuchen Bälle zu verteilen.

Das ist es. Ich begrüßte und begrüße die Verpflichtung von Schuster, weil er ein guter, erfahrener Trainer ist. Aber sein Fußball ist halt wie er ist: Kick and Rush mit Einzelaktionen und zurückhaltendem Pressing. Richtiger Zweitligafußball eben. Roggenmischbrot anstatt eines blutigen Steaks wie unter Antwerpen. Abwarten statt frühem Attackieren, Ball anstatt die eigenen Leute laufen lassen. Sicherheit anstatt Spektakel- wenn die Mannschaft die Angaben normal umsetzt. Beim Kicker wird die durchschnittliche Laufleistung aller Mannschaften mit 113km/ Spiel angegeben- wir sind mit 110km/Spiel darunter. Korrektur: Die anderen Mannschaften spielen pro Partie im Schnitt rund 400 Pässe- wir sind da bei 330! Also rund 20% weniger Pässe- weil halt häufig lang auf Boyd gespielt wird. Es kommen auch weniger Pässe an: im Ligaschnitt 300, bei uns 230. Kombinationen sind selten geworden.

Das schlägt jetzt beim Nürnbergspiel so krass durch, weil die uns halt haben machen lassen. Aber so spielen wir eig immer. Das Zusammenspiel aller Spieler unter Antwerpen wurde zugunsten eines Fokus auf Boyd und Klement aufgegeben. Ob das richtig ist, kann ich nicht beurteilen. Der Boyd Fokus brach aber Antwerpen das Genick, weil Terrence in der Rückrunde zugestellt wurde. Es ist eine mögliche Erklärung dafür, warum das Spiel völlig zum erliegen kommt, wenn beide draußen sind.

@Exitteufel
Ich mag deine Beiträge seit Ewigkeiten. Sie sind immer intelligent und abgewägt. Daher wundert es mich, dass du schlechte Stimmung ausmachst. Das Forum ist derzeit maximal gesittet/diszipliniert. Der user Phibee sieht es nicht als einziger so, dass wir uns taktisch/spielerisch eher rückentwickelt haben. Das liegt halt daran, dass Antwerpen die Messlatte, was Attraktivität angeht, extrem hoch angesetzt hat. Die Aufholjagden gegen Magdeburg und Darmstadt sind genau das, was ein Antwerpen geil gefunden hätte aber Schuster nicht sehen will. Er will eher Kontrolle über ein Spiel. Entsprechend ging er im Interview nach dem Magdeburgspiel auch mit den Spielern ins Gericht. Von allen Trainern der letzten 10 Jahre kann man ihn am ehesten mit Runjaic vergleichen- der für seinen Fußball selbst zu seiner Hochzeit hier im Forum eher geduldet wurde als gemocht. Aber es gibt ja keine Gegenstimmung. Solange die Ergebnisse stimmen, sind ja die meisten zufrieden. Aber es wird halt angemerkt, dass ein solcher Fußball halt eventuell irgendwann nichtmehr erfolgreich ist.
"Für mich ist Schönheit, dem Gegner nicht zu geben was er will."

"Es gibt Leute die sagen, kreative Spieler seien von Abwehraufgaben zu entlasten. Wer dies behauptet, kennt den Fußball nicht. Alle elf müssen zu jeder Zeit genau wissen, was sie zu tun haben"

José Mourinho



Beitragvon MarcoReichGott » 31.10.2022, 15:48


19 Mannschaften in der 3. Liga waren sich einig, dass wir unter Antwerpen einen extrem unattraktiven und defensiv-destruktiven Fußball gespielt haben. Wir waren halt den meisten Gegnern individuell deutlich überlegen und entsprechend ging Antwerpens Plan hinten mit ner 3er Kette stabil zu stehen, vorne mit 3-4 Leuten anzulaufen und dann eben Patzer der Gegner auszunutzen, ziemlich gut auf. Gegen individuell etwas stärkere Gegner haben wir uns dann meistens zum Unentschieden versucht zu retten, in dem wir teils 45 Minuten lang mit Fünferkette einfach nur gemauert haben. Die Rückrundenspiele gegen die anderen "Topmannschaften" wie Braunschweig, 1860, Mannheim, Osnabrück oder auch die 1. Hälfte gegen Magdeburg erfüllen mich heute noch mit Grauen. Und selbst bei nem torlosen Spiel gegen Nürnberg verharre ich voller Demut in Gedanken an diese Spiele und freue mich, dass ich mir so eine Grutze nicht mehr angucken muss. Wie man da von einer "taktischen/spielerischeb RÜckentwicklung" sprechen kann, macht mich doche her fassungslos.

Antwerpens großer Verdienst ist es, dass er es geschafft aus einem totalen Trümmerhaufen nachhaltig eine echte Mannschaft zu formen und eben auch so manchem "Schönspieler" eine Käpfermentalität eingepifft hat. Das ist keine kleine Leistung, sondern ist einer der wichtigen Grundsteine dafür, dass auch Schuster mit seinem Spielstil gerade Erfolg haben kann.

Aber taktisch ist der Schuster-Fußball gerade die natürliche Weiterentwicklung des Antwerpen-Fußballs um nun nicht mehr als individuell überlegen, sondern eben als unterlegene Mannschaft Punkte zu sammeln. WIr versuchen weiterhin primär defeniv zu stehen, schnell umzuschalten und pressen eben phasenweise. Letzters machen wir sicherlich momentan vergleichsweise selten und ich würde mir hier auch phasenweise etwas mehr Mut wünschen. Aber ich denke Schuster kann das schon ganz gut einschätzen in fern er sich das überhaupt erlauben kann mit der Mannschaft höher zu stehen. Denn im Gegensatz zur 3. Liga schaffen es die Teams eben auch viel besser sich spielerisch aus Pressingsituationen zu lösen.

Was das mit Runjaic zu tun haben soll, erschließt sich mir dann tatächlich entgültig nicht. Ich mochte den schach-lastigen Runjaic-Fußball recht gerne und fand auch ihn als Persönlichkeit immer recht sympathisch. Aber das Umschaltsspiel unter Runjaic war so ziemlich das Schwächste, was ich je gesehen haben. RUnjaic wäre auch nie auf die Idee gekommen sein System an den Gegner anzupassen wie Schuster das z.B. gegen Hamburg oder auch gegen die 4-4-2 Raute-Mannschaften wie Hannover und Co gemacht hätte. Der hat sein System einfach völlig durchgezogen und versucht gegnug Dominanz reinzubekommen, dass der Gegner sich nach uns richten muss. Gemeinsam ist lediglich beiden, dass man besonders auf den Außenbahnen recht defensiv denkt und hier eben primär erstmal gegen den Ball stabil stehen möchte.



Beitragvon ExilDeiwl » 31.10.2022, 16:32


@Kohlmeier: Danke für Deine Rückmeldung! Gut zu hören, dass es im Stadion nach dem Spiel ruhiger zuging, als hier auf DBB, wo es mich echt Mühe gekostet hat, mich da durchzuwühlen. Und ich habe schon extra den Spieltagsthread außen vor gelassen. Der ist je nach Spielverlauf noch anstrengender zu lesen… :lol:

@Lautern-Fahne: Danke für die Blumen, die nehme ich gerne an! Ich weiß ja, dass ich gelegentlich ein wenig zu sensibel auf das eine oder andere Thema reagiere, weshalb nicht jeder eingetippte „Forenroman“ auch tatsächlich von mir abgeschickt wird. Aber ich denke, die sechs Seiten, die sich nach dem Spiel entwickelt haben, sind schon stark geprägt von unterschiedlichen Sichtweisen und teilsweise heftigem Schlechtreden. Zumindest ist das meine Wahrnehmung und ich weiß, dass ich das nicht alleine so wahrgenommen habe. Ich bin ein Freund der Ausgewogenheit. Zu kritisierendes deutlich ansprechen, immer mit Argumenten unterfüttert, dabei aber nicht vergessen auch die positiven Aspekte in gleicher Weise anzusprechen. Das kommt doch immer wieder etwas kurz. Und bei manchen Leuten auch eintönig wiederholt. Vielleicht war mein Kommentar zu @Kohlmeiers Analyse noch zu sehr von dem Disput aus dem anderen Thread beeinflusst. Der erste Absatz hat mich zugegebenermaßen gut getriggert…. :lol:

Und noch in Ergänzung zu @MRGs Antwort: Runjaics Stil, Fußball spielen zu lassen, sehe ich wie er auch komplett anders. Einhaucht hat dominanten Ballbesitzfußball spielen lassen, der in meinen Augen auch noch richtig gut anzusehen war. Für mich war das ein ungewohnter Augenschmaus.

Der Unterschied, den ich zwischen Antweroen und Schuster ausmache, ist der, dass Antwerpen mehr mit schnellem Kombinationsspielagiert hat, wenn wir in die Konter gegangen sind. Das war teilweise schon mitreißend. Bei Schuster sehen wir solche Kombinationen bis zur gegnerischen Grundlinie eher seltener. Lang und weit, diagonale Seitenwechsel hingegen öfter. Ich denke, dass wir dadurch ausrechenbarer sind. Aber wir haben es bisher auf 20 Punkte und einen einstelligen Tabellenplatz geschafft. Und insofern hab ich nix zu meckern. :daumen:
Nein, es geht mir NICHT um Hurra-Fußball!

🇺🇦 STOP WAR! FUCK PUTIN! 🇺🇦



Beitragvon breisgaubetze » 31.10.2022, 20:01


Mein Fazit der bisherigen Analysen: Hoffentlich stellt Schuster mit Hercher, Opoku und Wunderlich in der Startelf am Samstag deutlich mutiger auf. Und unsere Stürmer Boyd sowie Redondo, wenn überhaupt, dann erst ganz spät auswechseln. Warum nicht mal Klingenburg mit Hanslik als Joker ab der 80. Minute?
Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.



Beitragvon Alm-Teufel » 31.10.2022, 20:58


@Kohlmeyer

Respekt zu dieser „mutigen“ Analyse. Finde ich persönlich sehr treffend. Ein Stimmungswandel wäre in der jetzigen Situation schon schräg.

In Demut steckt auch das Wort Mut. Ein bisschen mehr davon würde uns ganz gut zu Gesicht stehen. :wink:
3. Liga verhindern!



Beitragvon Lautern-Fahne » 31.10.2022, 22:46


MarcoReichGott hat geschrieben:19 Mannschaften in der 3. Liga waren sich einig, dass wir unter Antwerpen einen extrem unattraktiven und defensiv-destruktiven Fußball gespielt haben. Wir waren halt den meisten Gegnern individuell deutlich überlegen und entsprechend ging Antwerpens Plan hinten mit ner 3er Kette stabil zu stehen, vorne mit 3-4 Leuten anzulaufen und dann eben Patzer der Gegner auszunutzen, ziemlich gut auf. Gegen individuell etwas stärkere Gegner haben wir uns dann meistens zum Unentschieden versucht zu retten, in dem wir teils 45 Minuten lang mit Fünferkette einfach nur gemauert haben. Die Rückrundenspiele gegen die anderen "Topmannschaften" wie Braunschweig, 1860, Mannheim, Osnabrück oder auch die 1. Hälfte gegen Magdeburg erfüllen mich heute noch mit Grauen. Und selbst bei nem torlosen Spiel gegen Nürnberg verharre ich voller Demut in Gedanken an diese Spiele und freue mich, dass ich mir so eine Grutze nicht mehr angucken muss. Wie man da von einer "taktischen/spielerischeb RÜckentwicklung" sprechen kann, macht mich doche her fassungslos.

Antwerpens großer Verdienst ist es, dass er es geschafft aus einem totalen Trümmerhaufen nachhaltig eine echte Mannschaft zu formen und eben auch so manchem "Schönspieler" eine Käpfermentalität eingepifft hat. Das ist keine kleine Leistung, sondern ist einer der wichtigen Grundsteine dafür, dass auch Schuster mit seinem Spielstil gerade Erfolg haben kann.

Aber taktisch ist der Schuster-Fußball gerade die natürliche Weiterentwicklung des Antwerpen-Fußballs um nun nicht mehr als individuell überlegen, sondern eben als unterlegene Mannschaft Punkte zu sammeln. WIr versuchen weiterhin primär defeniv zu stehen, schnell umzuschalten und pressen eben phasenweise. Letzters machen wir sicherlich momentan vergleichsweise selten und ich würde mir hier auch phasenweise etwas mehr Mut wünschen. Aber ich denke Schuster kann das schon ganz gut einschätzen in fern er sich das überhaupt erlauben kann mit der Mannschaft höher zu stehen. Denn im Gegensatz zur 3. Liga schaffen es die Teams eben auch viel besser sich spielerisch aus Pressingsituationen zu lösen.

Was das mit Runjaic zu tun haben soll, erschließt sich mir dann tatächlich entgültig nicht. Ich mochte den schach-lastigen Runjaic-Fußball recht gerne und fand auch ihn als Persönlichkeit immer recht sympathisch. Aber das Umschaltsspiel unter Runjaic war so ziemlich das Schwächste, was ich je gesehen haben. RUnjaic wäre auch nie auf die Idee gekommen sein System an den Gegner anzupassen wie Schuster das z.B. gegen Hamburg oder auch gegen die 4-4-2 Raute-Mannschaften wie Hannover und Co gemacht hätte. Der hat sein System einfach völlig durchgezogen und versucht gegnug Dominanz reinzubekommen, dass der Gegner sich nach uns richten muss. Gemeinsam ist lediglich beiden, dass man besonders auf den Außenbahnen recht defensiv denkt und hier eben primär erstmal gegen den Ball stabil stehen möchte.


Gut, deine Einleitungsworte sind für mich schonmal recht gewagt, um es freundlich auszudrücken. Ich bezweifle mal dreist, dass du bei den anderen 19 Vereinen anriefst und um eine Einschätzung gebeten hast :wink: Eine "deutliche individuelle Überlegenheit wie es vielleicht bei der Kurz Elf von 2009/10 (Sam/Illicevic) oder definitiv bei Runjaics Mannschaft vorlag (fast alles spätere Erstliga- und Nationalspieler), gab es nicht. Nichtmal im Ansatz. In Hin und Rückrunde spielten wir als Mannschaft sehr geschlossen gegen den Ball, zogen auch mal intelligente Fouls im Mittelfeld und Antwerpen brachte von außen Feuer rein. Die Mannschaft funktionierte als Ganzes. Das magst du als destruktiv sehen- andere aber als Leidenschaft. Ich als geordnete Offensive mit vielen einstudierten Spielzügen. Ja, es gab auch Abwehrschlachten wie das Derby auf dem Waldhof. Diese waren aber meist gegen individuell bessere Mannschaften. Mannheim war zurech Aufstiegsfavorit und wir packten es überraschend. Der Antwerpenfußball zeichnete sich (gerade in der Hinrunde) durch frühes Pressing, Fokus auf die Außen und flache Hereingaben aus.

Von daher stimme ich dir zu, dass eine taktische Rückentwicklung nicht vorliegt. Wir spielen einen komplett anderen Fußball:

-Gegner über die Linie kommen lassen anstatt frühes Pressing (wenn es Sinn machte)
-Kompletter Fokus auf lange Bälle aus dem Halbfeld/16m Raum auf Boyd plus individuelle Ideen anstatt "Flügelzange" und gemeinschaftliches Spiel

Gerade mit deinem Punkt, dass wir auf Umschaltmomente lauern stimme ich wenig überein und sehe es wie der Exilteufel. Das war Antwerpen in Reinform. Schnell, schnörkellos über die Außen in des Gegners 16ner. Jetzt bauen wir eher langsam auf, suchen nach dem Pass um die Abwehr auszuhebeln und versuchen nicht in den Konter zu rennen.

Beim Part über Runjaic wollte ich nur die Parallelen, wie sie auf dbb und in meinem Umfeld gesehen werden, zu damals aufzeigen. Ich fand Runjaics Fußball ebenso ansehnlich wie du. Aber damit sind wir in der Minderheit. Die meisten sahen es- wie heute unter Schuster- als Schlafwagen- oder Antifußball, der sich nix traut und lieber das 1:0 verwalten als das 2:0 erzielen will. Das ist der Bogen den ich spannen wollte. Das mag auch daran liegen, dass ihre (Runjaic/Schuster) Art Interview zu geben sich sehr ähnelt (Gegner stark reden, sehr faktenlastig, äußerst ruhig in Interview und Außenlinie).

Ich hoffe persönlich, dass Schuster vorne wieder etwas mehr Spielfreude reingekommen, als es derzeit der Fall ist. Wir werden nicht ewig von den Überraschungssiegen gegen H96 und Pauli zehren können und "Unentschiedenmannschaften" tendieren halt dazu, irgendwann einzubrechen.
"Für mich ist Schönheit, dem Gegner nicht zu geben was er will."

"Es gibt Leute die sagen, kreative Spieler seien von Abwehraufgaben zu entlasten. Wer dies behauptet, kennt den Fußball nicht. Alle elf müssen zu jeder Zeit genau wissen, was sie zu tun haben"

José Mourinho



Beitragvon MarcoReichGott » 31.10.2022, 23:39


Ich hab hier gerade mal die XGoals und Tore der Rückrunde gegen die anderen besseren Teams rausgesucht

Magdeburg 2,9 vs 2,2 (2:2)
Braunschweig 1,8 vs. 1,6 (1:1)
1860 0,5 vs 1,9 (1:2)
Mannheim 0,9 vs 1,0 (0:0)
Osnabrück 1,4 vs 1,7 (1:0)
Saarbrücken 3 vs 1 (3:1)
Wiesbaden Keine XGoals, (1:2)
Dortmund 1,8 vs 2,1 (1:3)

Mir geht einfach diese unsachliche Verklärung des Antwerpen-Fußballs wrklich auf die Nerven . Mit Außnahme der 2. Häfte gegen Magdeburg und dem Derby gegen Saarbrücken haben wir gegen keine der besseren Mannschaften der 3. Liga weder offensiv noch sonderlich erfolgreich gespielt.

Ich hab mich auch über Kantersiege gegen die halbe Amateurmannschaft ohne Profiverträge aus Halvelse, gegen die Duisburger-Schießbude der Liga oder die komplett eingebrochenen Meppener auch sehr gefreut. Und das war auch der wichtige Grundbaustein für unseren Aufstieg, dass Antwerpen es als erster Trainer seit langem geschafft gegen Teams, denen wir indivuell überlegen sind (wie z.B. auch Zwickau oder Verl), auch mit großer Regelmäßigkeit 3 Punkte einzufahren. Und das lag tatsächlich daran, dass wir gegen diese Mannschaft hoch gepresst haben und dann bei Balleroberungen schnell den Weg über die Außen flach in den Strafraum gesucht haben. Aber mir Verlaub: Das war waren halt Zwickau, Verl, Meppen, Halvelse und Co. Alles Mannschaften, die nichtmal im Ansatz in der Lage sind sich spielerisch aus einer Pressing-Situation zu befreien.

Ich kann doch nicht ernsthaft behaupten unser Fußball wäre gerade taktisch und spielerisch schlechter geworden, wenn wir unter Schuster in Liga 2 - mit nur relativ wenigen Neuverpflichtungen - gegen deutlich bessere Mannschaft als zuvor regelmäßig erfolgreicher spielen...

Wie oben geschrieben: Ich würde mir auch manchmal etwas mehr Mut wünschen. Gegen Hamburg war ich z.B. über das Unentschieden recht gefrustet, weil ich der Meinung war, dass man die HSV Abwehr mit mehr pressing durchaus vor probleme stellen könnte. Die hatten zwar die mit Abstand wenigstens Tore der Liga zu dem Zeitpunkt bekommen, aber für mich sah das wenig sattelfest aus. Und 12 Gegentore in den letzten 4 Spielen nachdem wir gegen sie gespielt haben, stützen da meinen Verdacht auch ein wenig. Schuster denkt halt sehr vorsichtig, daran wird sich auch vermutlich nix mehr ändern.

Aber taktisch und spielerisch liegen Welten zwischen dem, was wir letzte Saison gesehen haben und was wir nun spielen - und das ganz sicher nicht negativ, sondern positiv. DA geht noch mehr, da muss noch mehr gehen. Wir müssen gerade, wenn wir stark gepresst werden, noch viel besser Lösungen finden uns spielerisch zu befreien. Und dazu braucht es mehr Bewegung im Mittelfeld, mehr Spieler die sich anbieten und denn Ball fordern, mehr Bewegung auf den Außen um Räume zu schaffen, indem die Abwehrspieler mitgezogen werdne...und naja, vor allem leider auch präzisere Pässe, was leider nicht ganz so einfach zu ändern ist.



Beitragvon herzdrigger » 01.11.2022, 10:29


MarcoReichGott hat geschrieben:

Aber taktisch und spielerisch liegen Welten zwischen dem, was wir letzte Saison gesehen haben und was wir nun spielen - und das ganz sicher nicht negativ, sondern positiv. Da geht noch mehr, da muss noch mehr gehen. Wir müssen gerade, wenn wir stark gepresst werden, noch viel besser Lösungen finden uns spielerisch zu befreien. Und dazu braucht es mehr Bewegung im Mittelfeld, mehr Spieler die sich anbieten und denn Ball fordern, mehr Bewegung auf den Außen um Räume zu schaffen, indem die Abwehrspieler mitgezogen werdne...und naja, vor allem leider auch präzisere Pässe, was leider nicht ganz so einfach zu ändern ist.


Das sehe ich genau so. Schnelles Kurzpassspiel, was wir können, aber Bewegung der Mitspieler dafür eben grundsätzlich notwendig ist.
Gefühlt seit ewig langen Zeiten haben wir ein richtig gutes Mittelfeld. Ohne Anspielstationen leider ein zahnloser Tiger.
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.



Beitragvon Olamaschafubago » 01.11.2022, 12:47


Sehe das auch so wie meine Vorschreiber, Schuster versucht uns mehr spielerische Lösungen an die Hand zu geben, wir sehen viel öfter schöne Spielzüge über 2-3 Stationen mit Kurzpassspiel über die gesamte Breite des Spielfelds. Bis zur gegnerischen Grundlinie geht es allerdings im Vergleich zu Antwerpen nur noch selten, was wohl auf Schusters Emphase auf einer stabilen Restfeldverteidigung bei Ballverlust zurückzuführen sein dürfte. In dieser Beziehung ist er tatsächlich eher sicherheitsorientiert.
Das Hoch-und-weit-auf-Boyd ist im Vergleich zu Antwerpen nur noch eine Variation unter vielen, eine Art Notlösung, wenn wir im Spielaufbau aus der Abwehr aggressiv gestört werden wie gegen Regensburg. Das hat ja auch Rostock zu Beginn der Partie dort versucht. Gerade deshalb ist es wichtig, dass unsere Kette hinten mit der richtigen Körpersprache dagegenhält, diszipliniert steht und sich nicht auseinanderziehen lässt.
Und ja, dass Klement und Ritter oft Anspielstationen fehlen, gerade auf der rechten Seite, war zuletzt wieder sehr deutlich sichtbar. Gegen Hamburg hat das auch dank derer schwachen Außen gut funktioniert, ansonsten haben sowohl Zimmer als auch Durm (den Volleyschuss in HRO nehme ich mal aus) da noch Probleme, die richtige Balance zu finden. Vielleicht spielt sich da mit Opoku gerade jemand in die Mannschaft ein, der auch im 1:1 über die Außen erfolgreich sein kann und in der Lage ist, schnell und präzise zu flanken. Jedenfalls sah das gegen Nürnberg schon deutlich besser aus, man merkt, dass er im System Schuster langsam ankommt.



Beitragvon Ke07111978 » 01.11.2022, 13:10


Die Vergleiche zwischen Antwerpen und Schuster sind in der Tat wenig zielführend - insbesondere für diejenigen, die argumentieren, das oder jenes ist oder wäre besser gelaufen. Sie können es nicht belegen und werden wahlweise mit dem Argument, war ja nur dritte Liga oder ist jetzt zweite Liga totgeschlagen. Von daher will ich mich gar nicht auf dieses Feld begeben. Bringt nichts.

Bleiben man bei der faktenbasierten Analyse von Kohlmeyer, die ich fast so mutig finde wie seinen Artikel zum Ende der letzten Saison, in dem er schrieb, dass Hengen jemanden braucht, mit dem er die Zusammenarbeit besser pflegt wie mit Antwerpen. Manchmal ist es unangenehm / tut weh die offensichtlichen Dinge auszusprechen. Es ist aber notwendig, weil man nur so vorwärts kommt.

Der User Lauternfahne bringt ein Stimmungsbild oder Meinungsbild auf den Punkt, welches bei vielen Fans (und viele schreiben nicht bei dbb… :wink: ) vorhanden ist. Ich fasse es mal so zusammen: „so kann man doch zuhause nicht spielen lassen“. Darauf gibt es zwei mögliche Antworten:

1. Schuster hat vor und während dem Spiel nicht auf Offensivpressing etc. umgestellt, weil er Angst hatte in einen Konter zu laufen / selbst die Stabilität zu verlieren.

2. Wir haben nicht auf Offensivpressing etc. umgestellt, weil wir es gar nicht oder wenig trainieren und es entsprechend kaum zu unserem taktischen Rüstkasten gehört.

Das erste würde in den Augen derer, die einen Sieg zum greifen nahe sahen einen taktischen Fehler bedeuten. In den Augen derer, die lieber den Spatz in der Hand nehmen, war es die logische Konsequenz nicht „aufzumachen“.

Was Kohlmeyer allerdings beschreibt geht eher in Richtung 2 und fügt sich meines Erachtens konsequent in ein Entwicklungsbild der letzten Monate ein. Deshalb bringt es auch nicht zwangsläufig etwas andere oder offensivere Spieler zu bringen. Ein offensives Spielsystem mit klar definierten Anlaufmustern, klaren Pass- und Laufwegen ist harte Trainingsarbeit. Dass muss permanent geübt werden. Automatismen einüben etc. Das bedeutet auch nicht zwangsläufig, dass man defensiv schlechter steht. Es muss allerdings über Wochen und Monate eingeübt und verfeinert werden. Das ist es ja, was man landläufig unter „eine Mannschaft spielerisch entwickeln“ versteht.

In der Konsequenz ist es aus meiner Sicht recht simpel. Wer Schuster Fußball bestellt, bekommt Schuster Fußball. Mit allen Vor- und Nachteilen. Dieser Fußball ist im Regelfall nicht attraktiv (es sei denn er wird durch Unzulänglichkeiten beider Mannschaften zu einer Party gemacht), sondern ganz hart ergebnisorientiert. Unsere jetzige Spielanlage war bei allen "Schuster-Mannschaften" zu erkennen. Sie ist mehr reaktiv als gestaltend und aktiv. Das führt am Ende dazu, dass der Gegner mitspielen muss. Regensburg, Sandhausen, Nürnberg oder auch Rostock haben das nicht gemacht. Und dann wird es eben zäh. Auch auf seinen letzten Stationen in Darmstadt mit 13 Punkten auswärts und 12 zuhause in der Rückrunde mit Klassenerhalt oder der letzten kompletten Saison in Aue 25 Punkten zuhause und 19 auswärts, haben sich seine Mannschaften auswärts oft leichter getan.

Was mir, vielen aus meinem Umfeld und auch einigen Usern hier etwas gegen den Strich geht, ist es vieles von dem als "geniale" Mannschaftsentwicklung und taktische Finesse zu beschreiben. Wir sind mit dem höchsten Etat der dritten Liga aufgestiegen und dieser Kader wurde mit nem Weltmeister und Spielern mit rd. 700 Erst- und Zweitligaspielen massiv verstärkt. Dazu kommen über 600 Erst- und Zweitligaspiele im existierenden Kader. Summa Sumarum sind das dann eben gegen Nürnberg im Schnitt über 100 Erst- und Zweitligaspiele (in Deutschland) Erfahrung die für uns auflaufen. Die so ambitionierten Nürnberger bringen im Schnitt 110 Erst- und Zweitligaspiele aufs Feld. Die etablierten Zweitligisten Regensburg 60 oder Sandhausen 85 und die Aufsteiger Braunschweig 67 bzw. Magdeburg ganze 23. Von daher ist die Argumentation, wir sind der kleine Aufsteiger und müssen mit solchen Ergebnissen zufrieden sein nur bedingt haltbar. Zumindest muss es erlaubt sein, dass anders zu sehen. Und das ist meines Erachtens auch der Kern der heftigen Diskussion im Spieltagsthread. Um es mit Erics Worten zu sagen: für die einen ist das Glas halb voll, für die anderen 2/3 leer - das ist schwer zusammenzubringen.



Beitragvon MarcoReichGott » 01.11.2022, 13:45


Ich hab überhaupt kein Problem damit, wenn man festhält, dass der defensive Schusterfußball einem nicht gefällt.

Fast schon heuchlerisch wird es halt dann, wenn man den mindestens genauso defensiven Antwerpen-Fußball als Kontrast hinzuzieht, nur weil da ein paar Offensivfeuerwerke gegen schlechte Drittliga-Mannschaften dabei waren. Und irgendwann muss man sich eben entscheiden. Wenn die jetzige Mannschaft so gut sein soll, dann muss sie - da wir abgesehen von Klement und Durm ja mit fast immer den gleichen Feldspielern wie letzte Saison unterwegs sind - ja in der dritten Liga unter Antwerpen eine absolut überragende individuelle Qualitöt gehabt haben, die sämliche andere Vereine um längen überlegen war.

Ich persönlich seh das so auch nicht wirklich. Die Mannschaft war gut genug letzte Saison, dass man zwingend oben mitspielen musste - und natürlich war sie Mannschaft wie Saarbrücken oder Mannheim individuell überlegen. Man muss es aber trotzdem halt erstmal schaffen vor 1860 auf dem 3 Platz zu landen und vor allem Dresden dann auch zu bezwingen. In der zweiten Liga haben wir sicherlich keine typische Aufstiegstruppe gerade, die zwingend auf dem letzten Platz landen muss. Wir haben tatsächlich sehr viel Erfahrung und uns natürlich auch durchaus sinnvoll verstärkt. Auf der anderen Seite wurden Spieler wie Zuck, Kraus, Ritter, Redondo, Boyd, Zimmer und Co ja nun auch keine Steine in den Weg gelegt, damit -teils vor mehreren Jahren - in die 3. Liga zu uns zu wechseln konnten. Die haben alle nun bewiesen, dass sie noch 2. Liga können. Aber es ist jetzt auch nicht so als hätten wir da individuelle Spitzenleute auf fast jeder Position. und entsprechend ist es eine überragende Mannschaftsleistung, dass wir gerade auf dem 7. Platz stehen und sicherlich würden wir da auch nicht stehen, wenn wir uns tatsächlich im Vergleich zur letzten Saison taktisch und spielerisch unter Schuster zurückentwickeln würden...




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