OWL-Teufel hat geschrieben:Interessante Diskussion hier...ich wollte eigentlich nicht an diesem EM-Thread mitwirken,aber ich mach es einfach trotzdem mal.
Warum ich diese Euro2008 (TM) uninteressant finde:
1) Kommerz in wahnwitzigen Ausmaßen,hier ist der moderne Fußball in Reinstkultur angekommen.
2) Falscher Patriotismus.Wer braucht Ballack,"Poldi" und "Schweini" ,um stolz auf sein Land zu sein?Wir haben Beethoven,Einstein,Goethe,Luther oder Gutenberg,auf die wir stolz sein können.
3) Inflationärer Missbrauch der Nationalfarben.Sogar bei Fressnapf kann man unnützes Gedöns in Nationalfarben kaufen.Folge ist ein Overkill in Schwarz-Rot-Gold.
4) Möchtegern-Mainstream-Sympathisanten.Die braucht kein Mensch,zum Glück verschwinden die bald wieder für zwei Jahre.Fußball ist keine Party,Fußball ist harte Arbeit für echte Unterstützung.Diejenigen,die jetzt als "Fans" herumlaufen,stempeln mich in der Saison als asozialen Proleten ab,wenn ich mit Kutte durch die Bahnhöfe laufe.
5) Jeder Hanswurst im TV labert über Fußball,auch wenn er keinen Schimmer davon hat.Heute morgen wurde z.B. im SAT.1-Frühstücksfernsehen eine Viertelstunde diskutiert,welcher der Spieler bei der EM denn am geilsten ist *würg*
6) Keinerlei Identifikation mit den Nationalspielern.Das sind alles nur noch überbezahlte,von Bodyguards abgeschirmte Modepüppchen mit Realitätsverlust.Da kann ich nix mit anfangen.
Hallo OWL!
Kaum einer deiner 6 Kritikpunkte ist letztendlich völlig von der Hand zu weisen, wobei ich mit Punkt 2 nicht so wahnsinnig viel anfangen kann. Einem Fußballfan mache ich es nicht zum Vorwurf, wenn er/sie bei einem Spiel das Fähnchen schwenkt und dabei eher an Poldi und Schweini denkt und eben eher weniger an Goethe und Schiller. Für einen Abend ist eben auch mal ein Kicker 'ne Art Identifikationsfigur, das war doch schon immer so. Da muss man nicht gleich bleischwer mit Einstein (ab 1940 übrigens amerikanischer Staatsbürger) und Luther (Nationalstolz mit Luther begründen? Hier würde so mancher Katholik Einspruch erheben) daherkommen. Gestern Abend haben hier in Saarbrücken die Türken auf durchaus nicht unsymphatische Art die Nacht zum Tag gemacht - laut, aber friedlich und ohne Aggressionen.
Ich bin mir sicher, dass die ihre Fröhhlichkeit nicht auf Sultan Suleyman, Orhan Parmuk oder Mustafa Kemal Atatürk aufgebaut haben. Die haben einfach mal schön zusammen gefeiert, weil ihre Nationalmannschaft ein dramatisches Spiel gewonnen hat. Wann haben die schon mal die Gelegenheit, in ihren Fenerbace-, Galatasaray-, und Besiktas-Trikots
gemeinsam Party zu machen? Ansonsten können sich die Anhänger der Clubs geausowenig ausstehen, wie rivalisierende Vereine in andern Ländern auch. Für einige Wochen tun sich die Türken aber zusammen. Ich finde das in Ordnung. Ich kann nicht erkennen, das hier "falscher Patriotismus" im Spiel wäre. Hier werden eben entspannt Fußballfeste gefeiert; ich würde das alles nicht so hoch hängen.
Über Eventcharackter/Kommerzialisierung muss man nicht groß reden, da geb ich dir zu 100% Recht.
Was mich dennoch begeistert, ist eben der gute Sport; ein Trick von van Nistelrooy, ein Dribbling von Ronaldo, das Traumtor von Robben. Sowas sehe ich eben nicht jeden Tag. Mir macht das Spaß. Fußball auf diesem Niveau kann so leicht und unbeschwert aussehen, eben nicht wie harte Arbeit, sondern wie Kunst. Die Vor- und Nachberichterstattung spar ich mir mittlerweile, das geht mir auch alles auf den Zeiger.
Aber auch für EM-Verfolger wie mich gilt, dass dies alles nichts mehr zählt, wenn wieder
der Verein seine Männer auf das Spielfeld schickt, der uns alle, ob EM-Zuschauer oder EM-Ignorierer, hinter sich vereint: der
1. FC Kaiserslautern.
Gruß,
Steffbert