Hall of Game: 1. FC Kaiserslautern - Karlsruher SC 3:2 (1990/91)

Als Kahn kapitulierte und Winnie wütete

Als Kahn kapitulierte und Winnie wütete


Am Sonntag empfängt der FCK den KSC zum Südwest-Derby im Fritz-Walter-Stadion. Für uns ein Anlass, an das denkwürdige Duell der beiden Kontrahenten vom 3. Mai 1991 zu erinnern.

Es war der 28. Spieltag der Saison 1990/91, der 1. FC Kaiserslautern stand sensationell auf dem ersten Tabellenplatz der Bundesliga und war auf dem besten Wege, zur dritten Deutschen Meisterschaft seiner Vereinsgeschichte zu marschieren. Noch in der Vorsaison knapp am Abstieg vorbeigeschrammt, beeindruckte die Mannschaft von Erfolgstrainer Kalli Feldkamp die Liga, ließ sich auch von den üblichen Störfeuern des ärgsten Verfolgers Bayern München nicht von ihrem Weg abbringen.

Eines dieser Störfeuer hatte im Vorfeld der Partie trotzdem für große Aufregung im Umfeld der Roten Teufel gesorgt. Torjäger Bruno Labbadia hatte seinen Abgang zum Saisonende angekündigt – ausgerechnet zum FC Bayern, wo er einen Dreijahresvertrag unterschreiben sollte. Trotz aller Dementis war hartnäckig von Unruhe und Unzufriedenheit innerhalb der Mannschaft die Rede, die noch dazu mit zahlreichen Verletzungen und Blessuren zu kämpfen hatte.

Störfeuer im Titelkampf: Bayern verpflichtet Labbadia

Nun also stand das Südwest-Derby gegen den Karlsruher SC an. An einem Freitagabend um 20:00 Uhr, unter Flutlicht zu des Pfälzers liebster Fußballzeit. Die Lautrer mussten somit vorlegen, um die gute Ausgangslage im Saisonfinale zu behaupten. Damals galt noch die Zwei-Punkte-Regelung und der FCK hatte vor diesem siebtletzten Spieltag vier Zähler Vorsprung vor den Bayern und sogar nur drei vor den zu diesem Zeitpunkt auch noch gut im Rennen liegenden Bremern.

Der KSC, in dessen Reihen unter anderem Mehmet Scholl und Oliver Kahn standen, spielte wie so oft eine durchwachsene Saison, dümpelte irgendwo im Tabellenmittelfeld umher. Auswärts hatten die Badener sogar noch gar kein Spiel gewonnen, nur siebenmal unentschieden gespielt. Der FCK dagegen war zu Hause ungeschlagen und hatte schon manch beeindruckende Schlacht abgeliefert. Eine klare Sache also?

Die Mannschaft ging mit breiter Brust, getragen von der Euphorie im Umfeld, in das Derby. 37.714 Fans wollten den FCK im rappelvollen Fritz-Walter-Stadion siegen sehen – und erlebten gleich eine kalte Dusche. Der KSC marschierte munter los, konterte geschickt und ging schon nach wenigen Minuten durch Mehmet Scholl in Führung (6.).

Mittelfeldlenker Michael Harforth hatte den ersten Treffer vorbereitet und leitete auch das 0:2 durch Rainer Schütterle ein. Markus Kranz war dem Ball zwar noch hinterhergeeilt, bugsierte ihn aber reiflich unbeholfen an den Pfosten und unter dem Hohngelächter des Gästeblocks in das eigene Tor (25.), während Torhüter Gerry Ehrmann wütend die Fäuste ballte.

Nach 25 Minuten lag der FCK mit 0:2 in Rückstand

Es schien sich alles gegen den FCK verschworen zu haben. Hatten die medialen Angriffe von Uli Hoeneß und Co. Wirkung gezeigt und die Feldkamp-Elf nervös gemacht? Oder war der feststehende Abgang von Labbadia doch ein Thema? Immerhin: Mitten in den sich ausbreitenden Schock erzielte Uwe Scherr den so wichtigen 1:2-Anschlusstreffer (29.) – zwar aus abseitsverdächtiger Position, aber wen interessierte das schon in der „Hölle der Liga“? Die Betze-Buben schlichen ob des Rückstands trotzdem mit gesenkten Häuptern in die Kabine.

Ein Wachrüttler war nun nötig, ein Impuls – kurz gesagt: Es war die Zeit des Stefan Kuntz gekommen. „Unsere Konkurrenten sitzen im Trainingslager und lachen jetzt über uns“, brüllte der Kapitän seinen Mitspielern in der Halbzeitpause entgegen. Wütend führte er ihnen vor, welche Konsequenzen eine Derbypleite haben würde – und packte sie damit an der Ehre.

Kuntz, der wie in den vergangenen Wochen als tiefstehender Libero aufgeboten war, phasenweise sogar als Manndecker agiert hatte, rückte im zweiten Durchgang immer weiter nach vorne und trieb den FCK an. Der neue Schwung übertrug sich auf das Publikum. Das Fritz-Walter-Stadion, vom Kicker kurz zuvor noch als „Bilderbuch-Arena des Fußballs“ bezeichnet, brodelte. Die Fans wurden wie so oft in dieser Saison zum zwölften Mann. Wütende Pfeifkonzerte begleiteten jede Aktion des KSC, frenetisch applaudiert wurde den Szenen der eigenen Mannschaft, der Lärmpegel nahm teuflische Ausmaße an.

Ausgleich für den FCK – Schäfers Miene verdüstert sich

Karlsruhes Coach Winnie Schäfer, der schon wegen Scherrs Abseitstor gewütet hatte, spürte wie seiner Mannschaft das Spiel entglitt. Nach gut einer Stunde schlug bei einem Freistoß aus dem Mittelfeld die Karlsruher Abseitsfalle fehl, Guido Hoffmann bekam von Bernhard Winkler den Ball freistehend vor Oliver Kahn serviert und donnerte ihn ins lange Eck (68.). Der aufstrebende KSC-Torwart Kahn, damals in seinem erst 20. Bundesliga-Spiel, haderte in seiner später weltbekannt gewordenen Pose auf Knien und mit weit ausgebreiteten Armen mit seinen Vorderleuten.

Zeitungsausschnitt: Pressekonferenz mit Feldkamp und Schäfer
Zeitungsausschnitt: Das Journal

Auch Schäfers Miene verdüsterte sich kurz darauf weiter. Schiedsrichter Georg Dardenne zeigte Karlsruhes Harforth die Rote Karte, nachdem er an der Seitenlinie Hoffmann wüst zu Fall gebracht hatte (72.). Sein Pech: Er war kurz zuvor ausgerutscht, konnte seine Aktion nicht mehr kontrollieren und wurde deswegen später sogar vom DFB-Sportgericht freigesprochen. In der aufgeheizten Atmosphäre auf dem Betzenberg half ihm das freilich wenig. KSC-Coach Schäfer, der Minuten danach auch noch seinen verletzten Angreifer Schütterle auswechseln musste, gestikulierte wild, schrie gegen die stimmgewaltige Wand der FCK-Fans an, doch es half nichts.

Es entwickelte sich ein Sog, nur noch der FCK spielte und drängte nach vorne. Der aus dem Eishockey übernommene Begriff des „Powerplay“ hatte damals in den 1990er Jahren am Betzenberg Hochkonunktur. Die Explosion folgte wenig später, als der unnachahmliche Miroslav Kadlec einen Freistoß in den Winkel zirkelte (73.). Alles lag sich in den Armen, Spiel gedreht, die Bayern auf Abstand gehalten, allen Widrigkeiten getrotzt – doch im kollektiven Jubel ging unter, dass Schiri Dardenne den Treffer nicht gab: Er hatte nämlich einen indirekten Freistoß angezeigt.

Drama, Baby! Kadlec' Freistoßtor zum 3:2 zählt nicht

Was nun? Es schien auf eine Punkteteilung hinauszulaufen. Für die Lautrer auf dem Weg zur Meisterschaft eigentlich zu wenig. Die FCK-Angriffe rollten umso trotziger weiter, auch als längst die Nachspielzeit angebrochen war, an deren diesmal besonders ausgiebiger Länge auch Stadionsprecher Udo Scholz ein Anteil zugeschrieben wird. KSC-Coach Schäfer, fast um den Verstand gebracht, wollte ein ums andere Mal wütend in Richtung des Gespanns den Abpfiff herbeibrüllen. Doch er fand kein Gehör.

Es lief die offiziell vierte Minute der Nachspielzeit, es konnte aber auch schon die siebte gewesen sein, wer wusste das schon so genau? Eine mitlaufende Uhr auf der Anzeigetafel gab es damals nicht. Noch einmal marschierte der FCK über die linke Seite, vorbei an den Trainerbänken, da wo Schäfer machtlos zuschauen musste, nach vorne. Hoffmann schlug eine bogenartige Flanke auf den zweiten Pfosten, wo Kuntz lauerte und sich mit brachialer Gewalt in den Ball warf.

Sein Mitspieler Labbadia und KSC-Profi Michael Wittwer flogen wie Kegel, die von einer Bowlingkugel getroffen wurden, nach vorne weg, aus dem Weg geräumt von Kuntz, der den Ball unhaltbar für Kahn per Kopf ins Tor rammte (90.+4). „Ich musste erst ein Potpourri der Positionen spielen“, sagte der Siegtorschütze nach dem Abpfiff beim Kicker, ehe er endlich da angekommen sei, wo er hingehöre.

Kuntz drückt zwei Spieler wie Kegel zur Seite und den Ball ins Tor

Während sich im Gästeblock, vor dem sich die Szene abgespielt hatte, lähmendes Entsetzen breit machte, reagierte Feldkamp blitzschnell und beorderte seine Mannschaft nach hinten. Sein Gegenüber Schäfer war indes kaum noch zu bremsen. In der wirren Annahme, vom Schiedsrichter betrogen worden zu sein, aufgestachelt von der hitzigen Atmosphäre im Stadion, rannte er auf das Feld. Von drei Mann musste der Coach mit der markanten rotblonden Mähne festgehalten werden, um zu verhindern, dass er Schiedsrichter Dardenne attackierte.

Als er erkennen musste, dass er dem Unparteiischen nicht an den Kragen kam, drehte Schäfer um, stapfte höchst erzürnt in Richtung des Kabinengangs und vergaß auch nicht, ein paar deutliche Worte in Richtung der Tribüne zu schleudern. Noch lange nach Abpfiff und auch über die folgende Pressekonferenz hinweg wütete er über den ach so unfairen Betzenberg. Für die FCK-Fans, vor allem jene aus der Südpfalz und dem Grenzgebiet zu Baden, war das freilich nur ein weiterer Grund zur (Schaden-)Freude.

Hinter Schäfer fand das Spiel indes seinen Abschluss. Der Schlusspfiff ging in einem überbordenden, Derbysieg-Jubel unter. Der FCK hatte nicht nur den Südwest-Rivalen geschlagen, sondern auch die Bastion Betzenberg und seine Tabellenführung gefestigt. Bremen spielte am Samstag nur 1:1 gegen Leverkusen, Bayern gewann dank zweier Last-Minute-Treffer gerade so mit 3:2 in Hamburg. Der Vorsprung von Tabellenführer FCK war sechs Spieltage auf nun vier Punkte angewachsen. Oder wie es Michael Serr, der im südpfälzischen Landau geborene Ersatztorhüter zusammenfasste: „Wir haben das Tor zur Meisterschaft weit aufgestoßen.“

Folgende Mannschaft sorgte gegen Karlsruhe für eines von vielen Highlights in der Meistersaison 1990/91:

Ehrmann - Kuntz - Stumpf, Schupp (66. Winkler), Scherr, Goldbaek, Kranz, Kadlec, Hoffmann (90. Richter) - Labbadia, Hotic

Die Höhepunkte des Spiels hat außerdem FCK-Fan Australautern in seinem äußerst empfehlenswerten YouTube-Kanal dokumentiert:

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

Weitere Links zum Thema:

- Statistik zum Spiel: 1. FC Kaiserslautern - Karlsruher SC 3:2
- Video: Betze Legends 1990/91, 1.FC Kaiserslautern - Karlsruher SC 3:2

Kommentare 29 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken