Kummt Senf druff

Willkommen in der Zukunft?

Willkommen in der Zukunft?


Wut und nahezu grenzlose Enttäuschung – die Reaktionen auf den Wechsel von Willi Orban zu Rasenballsport Leipzig in der Anhängerschaft des 1. FC Kaiserslautern fallen deutlich aus. Doch abseits der nachvollziehbaren Emotionen könnte der Transfer für die Zukunft des Traditionsklubs aus der Pfalz und seiner neuen Philosophie stehen.

Willi Orban wechselt zu Rasenballsport Leipzig. Ausgerechnet zum verhassten Brause-Klub aus Sachsen. Es bedarf keiner großen Fantasie um zu behaupten, dass die Reaktionen auf den Transfer weitaus weniger heftig ausgefallen wären, hätte sich der Nachwuchsnationalspieler einen anderen Klub für seine Zukunft ausgesucht. Denn dass ausgerechnet die Leipziger in den Augen Orbans der nächste, logische Karriereschritt sind, das schmerzt und macht zeitgleich ohnmächtig, angesichts der anscheinend unerschöpflichen finanziellen Mittel und der damit verbundenen Anziehungskraft von Rasenballsport, ungeachtet aller Kritik.

Doch auch abseits der emotionalen Auseinandersetzung mit Orbans Entscheidung, lohnt sich ein ausführlicherer Blick auf diesen Transfer. Denn ähnliche Wechsel junger, talentierter Spieler in den Reihen des FCK könnten diesen Sommer und in den nächsten Transferphasen folgen. Es geht um das neue Konzept, das sich der Pfälzer Klub vor der Saison auferlegt hat – und dessen Nachhaltigkeit er jetzt beweisen muss.

Orbans Wechsel – keine Überraschung

Lange konnte man Willi Orbans Statements seit der Winterpause als Ausdruck totaler, konzentrierter Souveränität interpretieren. Orban, in Kaiserslautern geboren (und selbst jahrelang als Fan in der Westkurve, wie hier im Jahr 2006 mit schwarzer FCK-Trainingsjacke gegen die Bayern) symbolhafter Vertreter der neuen Lautrer Jugendphilosophie, Publikumsliebling und noch dazu mit einer ungeheuren Ruhe und Konstanz ausgestattet, er gab sich als Anführer in dieser Saison. „Ich will vorneweg gehen“, sagte er gegenüber bundesliga.de im Februar.

Allerdings bekam das Image des eher introvertierten Charakters bald seine ersten Kratzer. Ein wirkliches Bekenntnis zu seinem Heimatverein vermied Orban stets („Ich konzentriere mich erstmal auf meine Leistung, alles andere wird dann kommen, wie es kommt“). Spätestens als sein in Kaiserslautern bestens bekannter Berater Roger Wittmann im April via Rheinpfalz ankündigte, dass er seinen Schützling möglichst bald in der ersten Bundesliga sehen wollte, konnte man Orbans Ruhe auch als Beginn innerer Distanz werten. Mit jedem Interview, in dem er ausweichend auf die Fragen nach seiner Zukunft reagierte, verstärkte sich das Gefühl, dass er sich im Falle des verpassten Aufstiegs verabschieden würde, vielleicht sogar auch im Aufstiegsfall, zumal sein Vertrag 2016 ausgelaufen wäre.

Wirklich vorwerfen konnte man ihm das nicht. Orban war, trotz des Einbruchs der Mannschaft am Saisonende und des damit verspielten Aufstiegs, einer der konstantesten und besten Spieler des Lautrer Teams. „Wir wollen versuchen, ihn zu überzeugen, dass Kaiserslautern die beste Adresse für ihn ist“, sagte FCK-Sportdirektor Markus Schupp zwar noch im Januar, doch die finanzstarke Konkurrenz aus Leipzig hatte offensichtlich die besseren Argumente auf ihrer Seite.

Transfers als Teil der neuen Vereinsphilosophie

Der FCK, das verdeutlicht dieser Transfer sehr schmerzhaft, wurde in den letzten Jahren von anderen Klubs überholt, denen er seinen Platz überlassen musste. Aber ist trotz des sportlichen Verlusts nur noch Grund zur Trauer angesagt? Nicht unbedingt, nimmt man das neue Konzept ernst, welches sich der FCK vor der Saison und für die nächsten Jahre in Verbindung mit dem Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums auf die Fahnen geschrieben hatte und was gemeinsam mit dem umgebauten Fröhnerhof das „Zukunftsmodell“ des FCK ergibt.

Dass dieses Konzept auch den Verkauf von ausgebildeten und entwickelten Spieler beinhaltet, sollte von Anfang an klar gewesen sein – erst Recht, wenn der FCK selbst ein weiteres Jahr in der „Liga der Montagsspiele“, wie es Spiegel Online kürzlich schrieb, bleiben sollte. So steht Willi Orbans Werdegang, als Talent aus der Region, der im Verein ausgebildet und schließlich zum Fußballprofi wurde, in Verbindung mit seinem Wechsel wie ein leuchtendes Beispiel für diese Philosophie.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Fußballromantik. Doch im heutigen Fußballgeschäft gibt es die nicht mehr inklusive, man muss sie sich leisten und verdienen können - auch wenn sie sich viele Fußballanhänger gerade in Kaiserslautern, der Stadt der Walter-Brüder, wünschen.

„Wenn dann hinterher der FCK eine Ablöse einstreicht, dann ist das halt so, widerspricht aber der Fußball-Romantik einiger unserer Anhänger“, erklärte Stefan Kuntz im April der Allgemeinen Zeitung, als er auf mögliche, besser dotierte Angebote für FCK-Spieler zu sprechen kam. Was laut Kuntz „dann halt so ist“, verkörpert einen festen Bestandteil und Anreiz des Konzepts: Der FCK hat so die Chance, die Vereinskasse wieder zu füllen und den Kader neu auszustatten, statt mit teuren „Stars“ von außen und einer seelenlosen Truppe durch die Liga zu dümpeln.

Jetzt im Fokus: Erfolg und Nachhaltigkeit der Vereinsarbeit

Entscheidend für den Erfolg des neuen Weges wird jetzt vor allem sein, wie das Geld aus dem Orban-Transfer (und etwaigen anderen Abgängen) investiert wird. Die Situation ist natürlich nicht ganz neu, gerade die Vielzahl der Neuanfänge im Kader der letzten Jahre sind vielen Fans in negativer Erinnerung. Wie es aussieht, droht dem FCK auch diesmal ein Umbruch, Handlungsbedarf besteht schon alleine aufgrund des Weggangs der vier Leihspieler. Doch auch in Zukunft wird es immer wieder Abgänge und Wechsel wichtiger Spieler zu verkraften geben.

Die damit aufkommenden Fragen, die ohne Zweifel eine zeitliche Dimension über die kommende Spielzeit hinaus umfassen, greifen deshalb tief: Gefragt sind nun vor allem das Scouting, der Erfolg der Jugendarbeit (die U19 ist gerade erst abgestiegen, bei der U20-Weltmeisterschaft ist kein FCK-Spieler dabei, bei der U21-Europameisterschaft hingegen mehrere) und der Trainerstab. Traut man Kosta Runjaic zu, auch in der kommenden Saison junge Spieler zu entwickeln und zu verbessern, sie zu stabilisieren und ganz nebenbei auch sportlich erfolgreich zu sein? Denn nicht vergessen ist die Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Rombach vor der Saison: „Bevor wir den Aufstieg mit Gewalt erzwingen und dann in der ersten Liga mit Spielern, die dem nicht gewachsen sind, den Bach runter gehen, würde ich sagen: lieber zwei Jahre aufbauen und dann aufsteigen. Mit einer Mannschaft, die noch Steigerungspotenzial hat.“ Rombach hat damit früh den Spagat deutlich gemacht, den es für die FCK-Verantwortlichen ab sofort zu meistern gilt.

Den Anhängern des FCK steht im Zeichen der neuen Philosophie eine spannende Zeit bevor, in der sie vor allem aufpassen sollten, nicht zu schnell ihr Herz an einzelne Akteure zu verlieren. Denn wie schnell es künftig gehen kann, hat Willi Orban letzte Woche vorgemacht. Heute noch Publikumsliebling, morgen schon bei einem anderen Verein.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

Weitere Links zum Thema:

- Auf den Hörnern der Bullen (Wochenblatt)
- Willi Orban: Leipzig statt Europa (Sport1)
- Wie der Kommerz der Tradition ins Gesicht spuckt (FCK-Blog)
- Diskussionsforum: Willi Orban wechselt vom FCK nach Leipzig (Der Betze brennt)

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