Kummt Senf druff

Auf Sparflamme

Auf Sparflamme


Von DBB-Autor Marky war zuletzt auf diesen Seiten wenig bis nichts zu lesen. In seiner Kolumne beschreibt er, warum das so war. Er berichtet von einer Sommerpause, in der sein Feuer für den Fußball zu erlöschen schien - und von einem Funken Hoffnung...

Der 1. FC Kaiserslautern wird in die Saison 2014/15 mit einem Trikot starten, das nach dem Selbstverständnis vieler Fans so gar nicht zum Verein passt. Andererseits steht es mit seinem Farbverlauf von „chili rot“ zu „fluo rot“ fast symbolisch für einen Club, der im Übergang steckt, dessen Werte immer mehr verwässern, dessen teuflisches Rot sich in ein harmloses Orange verwandelt.

Dass die Vereins-PR trotzdem von einer traditionellen Trikot-Farbe spricht, ist nur eine Fußnote, aber passt ins Bild. Am Wochenende war auf der offiziellen Homepage zu lesen, dass die Fans in Scharen zum Stadionfest geströmt seien. Es ist legitim, in warmen Farben zu malen statt in schwarzen. Gerade in diesen Zeiten, wenn die Trikot-Brust immer noch verwaist ist, die Suche nach einem Sponsor andauert. Doch die Wahrheit dieser Sommerpause ist: Die Fans verlassen in Scharen den Verein. Und das kommt alles andere als überraschend.

Beim Saisonfinale gegen Dresden im Mai waren offiziell 30.000 Zuschauer zugegen. Dabei blieben mindestens 20.000 nicht nur wegen der Dresdner Chaoten zu Hause. Im Spielbericht von „Der Betze brennt“ war von „desillusionierten“ Anhängern“ und einer „besorgniserregenden“ Entwicklung die Rede: „Die Leute nehmen sich ihre FCK-Auszeit nicht, weil ihre hohen Erwartungen nicht befriedigt werden. Es geht um Selbstschutz und darum, dass sich der FCK immer weniger nach FCK anfühlt. Es geht um Identifikation, es geht um Leidenschaft, um Herz, um Wille, um Verstand, um Plan. Von allem ist zu wenig da. Zu wenig, um jemand hinter dem Ofen vorzulocken. Zu wenig, um jemand mitzureißen. Zu wenig, um Ziele zu erreichen. Zu wenig, um nach oben zu kommen.“

Schon zum 2:2 im Karlsruher Wildpark schrieb „Der Betze brennt“ am 30. März diesen Jahres: „Die tausenden, ausdruckslosen Gesichter des einst so stolzen Lauterer Anhangs, auf dem Nachhauseweg, lassen einen frösteln. Es scheint, als hätten einige ihre innere Kündigung schon unterschrieben. Aus reinem Selbstschutz.“ Und: „Es wurden schon so viele Spiele vergeigt, dass es einfach nicht mehr weh tut, dass man fast nichts mehr spürt.“ Das ganze endete in der Aussage: „Das Feuer hat aufgehört zu brennen. Nicht nur auf dem Platz.“

Wir Lautrer sind ein hoch emotionales Volk, von den Gefühlseruptionen wird natürlich auch die DBB-Redaktion erschüttert. Und so schießt man mit der ein oder anderen Aussage oder Interpretation über das Ziel hinaus. Weil das Pendel unaufhörlich schwingt. Es gibt kein grau, nur schwarz oder weiß. Das Glas ist voll oder leer. Und so übertreibe ich vielleicht, wenn ich jetzt sage, dass mein Feuer für den Fußball nach Saisonende tatsächlich zu erlöschen schien. Als die Spannung abfiel. Wenn ich hier aufschreibe, dass ich plötzlich und unerwartet gar nichts mehr gefühlt habe. Dass ich die Meldungen des Vereins von Sportdirektor und Philosophiewechsel nur wie durch Watte erlebt habe. Dass ich die Fußball-WM eigentlich erst ab der K.O.-Phase verfolgt habe. Dass sich mein eigener Vater, der mich so früh zum Fußball gebracht hatte, schon sorgte, und Freunde dachten, ich mache Scherze. Gerade ich, der egal, was kam, immer lichterloh für diesen Sport brannte, auf einmal vor dem Fernseher saß und nichts mehr empfand. Stattdessen ging ich mit der NBA fremd, schaute unzählige Play-off-Spiele, lenkte mich ab. Guckte Wimbledon - statt WM - obwohl so viele um mich herum von diesem Turnier schwärmten.

Und doch hat er mich wieder eingefangen - der Fußball. Zumindest ein bisschen. Angefangen mit dieser epischen Schlacht zwischen Brasilien und Chile, die all die Zutaten hatte, die mich einst süchtig gemacht hatten. Dieser Kampf, diese Leidenschaft - Spieler, die trotz Muskelverletzung „auf einem Bein“ mehr als eine Halbzeit durchhielten, die mit der Bahre rausgetragen werden mussten und jämmerlich weinten, weil sie dem Team nicht mehr helfen konnten. Endend mit dem Finale zwischen Argentinien und Deutschland, das je länger es andauerte, immer mehr zu dieser Ursprünglichkeit, Ungeschminktheit und Urgewalt dieses Sports zurückkehrte. Als es nur noch darum ging, hinzufallen, aber immer wieder aufzustehen. Als es darum ging, sich gegenseitig zu stützen, zusammenzuhalten, Mut zu zeigen. Und für den Erfolg Grenzen zu überwinden.

All das hat meinen Verein mal ausgemacht. Das war der Grund, warum ich ihm mein Fanleben vermacht habe. Es ging mir immer um mehr, als um Meisterschaften und Pokalsiege. Und der Verlust dieser Identifikation macht mich fast ohnmächtig. Das Fußballleben erscheint mir so ohne Sinn.

Doch es gibt etwas, an das ich fest und unerschütterlich glaube, das den FCK im Inneren zusammenhält. Seinen Kern unendlich glühen lässt, ihn unzerstörbar macht. Dass, wenn es hart auf hart kommt, wir Fans zusammenhalten und zusammenstehen werden. Es sind wir, auf die es letztendlich ankommt. Ob auf, neben oder unter den Tribünen. Wir sind der Verein.

Und es gibt noch etwas Elementares, das mir Mut macht, trotz all der Sorgen vor dieser schweren, ungewissen Saison. Ich habe es mal in einer Kolumne den „Würstchenbuden-Test“ genannt und mit Beispielen belegt: Uns liegt die Favoritenrolle nicht. Meist kriegen wir dann auf die Fresse. Der Größenwahn hat uns um ein Haar fast den Verein gekostet. Wir brauchen das andere Extrem: Es geht um Aufstehen, Aufholen, Aufbäumen, Anrennen, Aufdrehen und aufeinander zugehen. Verletzte Tiere, sagt man, sind am Gefährlichsten. Wenn wir verletzt sind, springen wir wild umher, zeigen unsere Krallen, unsere Natur. Dann sehen wir Rot. Und als Favorit wird der FCK ganz sicher nicht in die Saison gehen. Ja, die Roten Teufel werden nicht mal anhand der Trikots zu erkennen sein.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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