Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Hamburger SV 0:1

Ein Abstieg ohne Kampf

Ein Abstieg ohne Kampf


Egal, ob 20, 30 oder 40 Jahre Betze-Erfahrung. Es findet sich keine Phase, keine Situation, mit der sich das Gesehene vergleichen, einordnen lässt. Auch die Abstiegsjahre 1996 und 2006 helfen nicht weiter. Und es ist nicht mal die historische Sieglos-Serie, die einem den Stecker zieht, sondern die Tatsache, dass sich der 1. FC Kaiserslautern 2012 kampflos seinem Schicksal ergibt - und das erschüttert das Selbstverständnis dieses Vereins. Trifft jeden Fan bis ins Mark.

Wir sind seit Wochen, Monaten bereit. Hocken oder Stehen mit den Messern zwischen den Zähnen auf unseren Plätzen. Warten auf ein Zeichen. Tausende, ja Zehntausende warten auf einen Funken. Dass sie endlich losstürmen können, losbrüllen, sich aufbäumen, dem Gegner die Stirn bieten können. Wir sind bereit, die Waffen aufzubieten, die diesen kleinen Verein unsterblich und unzerstörbar gemacht haben. Aber wir dürfen nicht! Ihr lasst uns nicht!

Was interessieren uns acht Punkte Rückstand! Das haben wir schon aufgeholt! Was interessiert uns ein 0:1- oder 0:2-Rückstand? Bei so einem Spielstand gehen wir vor der 70. Minute noch mal pinkeln - und dann wird zur Attacke geblasen! Was jucken uns Gegner von enormer Qualität? Wir haben schon Real Madrid und Barcelona niedergekämpft! Mit Spielern, die allesamt drei Klassen schlechter waren als ihr Gegenspieler!

Mannschaft, Trainer, Betreuer, Vorstand, Aufsichtsrat - alle, die diese Situation zu verantworten haben: Warum beraubt ihr uns mit euren Entscheidungen unserer ureigenen Stärke? Warum pumpt ihr uns von Woche zu Woche mit Valium voll. Vernebelt unsere Sinne, friert unsere Leidenschaft ein.

Keiner verlangt hier Unmögliches. Keiner maßt sich an, auf Dauer Erstligafußball zu fordern. Der FCK ist sehr hoch geflogen und tief abgestürzt. Das letzte Jahrzehnt hat uns genügsam, realistisch werden lassen, uns einen klaren Blick gegeben. Ein Wandeln zwischen der glamourösen Erstligawelt und dem gar nicht mehr so grauen Zweitligaalltag ist für uns kein Problem.

Der kuriose siebte Platz aus der Vorsaison hat doch uns nicht abheben lassen, sondern offensichtlich die Entscheidungsträger. Ein weiterer Schritt nach vorne hat ja nicht gereicht. Es mussten gleich zwei oder drei sein. Eine neue Transferphilosophie. Ein neues Spielsystem. Den Verweis auf die Abgänge von Lakic, Hoffer, Ilicevic und Moravek kann keiner mehr hören und Ernst nehmen. Was Augsburg und Freiburg Woche für Woche mit ihren No-Name-Truppen auf den Platz bringen, ist doch ein Schlag ins Gesicht für jeden FCK-Getreuen.

Lakic, Hoffer, Ilicevic und Moravek können doch gar nicht der Grund dafür sein, dass unser Vorstandsvorsitzender Stefan Kuntz vor (!) dem ersten Heimspiel der Saison die Mannschaft auffordern muss, den Abstiegskampf aufzunehmen. Ein Schlüsselerlebnis. Der Anfang vom Ende.

Uns ist es wirklich egal, welches Mannschaftsmitglied mit welcher Spielerfrau f****. Uns schert es einen Dreck, wer den Puff in Lautern f****, wenn am Ende nicht wir die Gef****** sind. Denn wir, die Anhänger, sind der 1. FC Kaiserslautern. Wir müssen montags in die Schule, in die Uni, auf die Arbeit gehen. Ihr tragt unsere Trikots, nicht wir Eure!

Hier waren schon genug Spielergenerationen am Werk, die auch keine Musterknaben waren. Aber auf dem Platz haben sie Charakter gezeigt. Kaum einer weiß das besser als Stefan Kuntz, er hat genug von ihnen erlebt, er selbst hatte Ecken und Kanten. Deswegen haben wir auf seinen „Charakter-Test“ vertraut. Aber wo sind die versprochenen Typen in der aktuellen Elf? Die Ramzys, die ab der 85. Minute dachten, sie wären Gerd Müller. Die Strassers, die Kochs, die kaum geradeaus laufen konnten, aber nach dem Schlusspfiff wild pumpend auf den Rasen fielen. Die Irren, die wenn gar nix mehr ging, einfach aus 40 Metern draufhielten - so wie Stefan Kuntz. Und diese Typen sind doch nicht ausgestorben. Es gibt sie immer noch. Wer hat denn den rotesten Kopf beim FCA? Wer rennt sich jetzt für Ingolstadt die Seele aus dem Leib? Und wer feuert in Frankfurt Schüsse ab, bei denen dem Torhüter mindestens eine Gehirnerschütterung droht?

18 Spiele ohne Dreier, aber Woche für Woche 40.000 auf dem Betze und auswärts so viele, wie der Gastgeber zulässt. Aber von unserer Mannschaft weiß niemand, wie man mit diesem Pfund wuchert, wie man die Riesen-Energie einsetzt, die alle Lampen zum Platzen bringen würde. Ja, sie haben noch nicht mal nach dem Schlüssel gesucht, der das Monster von der Kette lässt. Bei allen Vereinen, die unten drin stehen, gibt es in diesen Tagen ein Wir-Gefühl. Dort stemmen sich die auf dem Platz und auf den Rängen im Verbund gegen den Abstieg. Bei uns ist es nur Marketing-Gewäsch, das von Plakaten oder der Anzeigetafel abzulesen ist. „Gemeinsam für den FCK“ ist zur Satire geworden.

Schon bevor Schiri Kinhöfer gestern die Partie abpfiff - und damit den dritten Bundesligaabstieg so gut wie besiegelte - hätte die Distanz nicht größer sein können. Statt Heulkrämpfen gab es auf den Tribünen Spott-Bemerkungen: „Außer Wagner (oder Olcay) könnt ihr alle gehen“, „Lautern, zweite Liga, oh ist das schön EUCH nie mehr zu sehn“. Und wisst ihr, das ist das Schlimmste. 1996 und 2006 wurden Fässer voller Tränen vergossen. Aber diesmal geht der FCK-Fan mit Achselzucken und leerem Gesichtsausdruck den Berg hinunter. Trotzig, ein „Euch werden wir auch überleben!!“ auf den Lippen.

Also bitte, verschont uns diese Woche mit Plattitüden und leeren Versprechungen. Wir wollen es nicht mehr wissen, wer oder was kommenden Spieltag gerockt wird. Wie viele Tore im Training erzielt wurden. Dass nach vorne geschaut werden muss. Und keine Angst, wir werden auch am Samstag wieder kommen. Und stolz und laut den Dietmar Hopps dieser Fußballwelt unsere Lieder entgegen brüllen. Weil wir Typen sind, weil wir Charakter haben. Weil wir die Werte dieses Vereins verinnerlicht haben. Weil wir sie leben, sie an unsere Kinder und Enkel weitergeben. Eines ist nämlich ganz sicher, wir werden trotz 2011/12 - der Saison, in der der FCK erstmals ohne Kampf abstieg - wieder aufstehen. Und bereit sein für einen neuen Anlauf. Egal, was jetzt geschrieben oder getönt wird. 30.000 zu Hause. 3.000 in der Ferne. Egal, was kommt.

P.S. Und jetzt zum Spielbericht: Mit dem FCK und dem HSV trafen am Samstag, 31. März 2012, zwei Dinosaurier der Bundesliga aufeinander. Während der 90 Minuten verwandelten sie sich in Angsthasen. Ihr Spiel wirkte wie eine Parodie auf das, wofür die Vereine stehen. Das Tor durch Marcel Jansen entschied eine Partie, die eigentlich keinen Sieger verdient gehabt hätte.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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