Kummt Senf druff

Lieber Christian Tiffert ...

Lieber Christian Tiffert ...


... als du vor zehn Tagen diese zwei Eckbälle gegen Köln getreten hast - vor der Westkurve - da hat es mich nicht nur wegen der gefühlten -17 Grad gefröstelt. Der Ball schien aus Blei zu sein, dein Fuß aus Eisen. Wie du danach mit hängenden Schultern und leerem Blick davon geschlichen bist, dieses Bild kriege ich so schnell nicht mehr aus meinem Kopf. Dort ist auch ein anderes Bild abgespeichert: Von einem Abend im August, an dem wir in T-Shirts im Block standen und über unseren Neuzugang aus Duisburg staunten, der kraftvolle, millimetergenaue Pässe spielte, der mit hellwachen, glühenden Augen den Takt vorgab. Der sich mit jeder Faser seines Körpers auf dem Platz auslebte, der entschlossen das Zentrum der Mannschaft bildete. Nachdem die Bayern besiegt waren, diktierte er einem Journalisten bewegt ins Mikro: „Man kann sich viel vorstellen. Ein volles Stadion, eine Wahnsinnsatmosphäre. Doch erst auf dem Platz spürst du wirklich, was hier los ist. Ich habe schon ein paar Spiele auf dem Buckel, aber: das war diesmal einzigartig.“

Dabei sprangen die FCK-Fans nicht gerade vor Begeisterung auf, als sie von der Verpflichtung Christian Tifferts hörten. Du sagtest später selbst, du warst auf dem absteigenden Ast. Erst einer der jungen Wilden beim VfB ­- ein gefeierter ManU-Killer, der sich dann zum RB Salzburg verdribbelte, schließlich in Duisburg in der zweiten Liga auf der Bank landete und um seine Karriere kämpfen musste. Beim FCK hast du deinen Vertrag lange vor den Aufstiegsfeiern unterschrieben. Deine Bescheidenheit und Demut ließen uns aufhorchen, zu oft hatten falsche Helden unser Wappen geküsst. Das Trikot mit der Nummer 8, es passte dir perfekt. Es tragen Spieler, die das helle Rampenlicht scheuen. Wie Fritz Walter.

Was nach dem Bayern-Triumph folgte, war eine „unheimlich erfolgreiche“ Saison mit Titeln wie „Der beste Vorlagengeber der Liga“ oder „Der FCK-Spieler des Jahres“. Und von Marco Kurz gab es die Binde. Für dich, der doch keinen Hehl daraus macht, dass ihm „Klartext reden“, „auf den Tisch hauen“, ein „Oberlehrer sein“ eigentlich zuwider ist, der noch nie Kapitän war. „Christian ist kein Lautsprecher auf dem Platz, er übernimmt durch Leistung Verantwortung“, sagte sogar der Trainer über seinen neuen Spielführer. Du empfandest es als große Ehre und bautest auf die starken Schultern von Martin Amedick und Mathias Abel an deiner Seite.

Dazu gab dir der Trainer in der Vorbereitung noch eine neue Rolle: die „Sechs“. Und du hast keinen Hehl daraus gemacht, dass dies nicht deine Traumposition ist. Du ahntest, dass du „von dort aus sicher keine 17 Tore vorbereiten“ würdest. Und du hast damals bereits ein ganz anderes Problem prophezeit: „Wir müssen fast die ganze Offensive neu einspielen. Wir haben doch da ganz neue Spieler.“ Den Riesen-Rucksack, den du mit dir rumgeschleppt hast, spürte man schon in den ersten Spielen. Immer neue Baustellen ergaben sich, auf und neben dem Platz. Und Amedick und Abel fielen als Löcherstöpfer aus, weil sie selbst außer Tritt geraten waren. Nach dem 0:2 gegen Stuttgart gab es eine öffentliche Meinungsverschiedenheit mit Marco Kurz und kritische Fragen von den Medien. Dazu machte das Thema Vertragsverlängerung die Runde. In der Winterpause hast du dann in einem Interview gesagt, dass durch die Binde die Verantwortung groß sei, vor allem in den schwierigen Phasen, gerade bei einer so jungen Mannschaft, der Führungsspieler fehlten. Der stolze Platz 7 war nach einem halben Jahr Geschichte - dies hat dir gezeigt, wie schnell vergänglich Erfolge im Fußball sind. Auch der Wechsel von Amedick war schmerzlich: „Es ist natürlich auch schwer, wenn man Typen verliert, wenn andere diese Rolle übernehmen müssen.“

Nach dem Spiel in Augsburg gab es dann nicht nur von Stefan Kuntz Gegenwind, sondern auch aus der Kurve. Hieß es dort früher: „Unfassbar! Der Tiffert rennt und kämpft wieder für drei“, gab es nun Stimmen wie „Der Tiffert spart sich seine Luft fürs Lamentieren und Diskutieren mit den Schiris“ oder „Der Tiffert ist sich zu fein, verlorenen Bällen nachzusetzen“. Dass du den Referee gegen Köln noch in der Halbzeitpause bestärkt („richtige Entscheidung“) und deinen Mitspieler vor den Kameras getadelt hast („das erste Foul war schon dunkelgelb“), nimmt man dir immer noch schwer übel. Es hat - in der Wahrnehmung der Fans - einen Keil zwischen dich und den FCK getrieben, dabei schien kein Blatt Papier zwischen euch zu passen.

Christian Tiffert, am Samstag wirst du 30 Jahre alt. Und Geburtstage haben eine besondere Bedeutung für dich. Du hast ein Tor geschossen, als dein Kind Geburtstag hatte, du hast am Geburtstag deiner Frau getroffen und an dem Deines Bruders. Und du hast nach der Geburtstagschoreografie von Fritz Walter eines deiner besten FCK-Spiele gemacht, gegen den VfB Stuttgart. Am Samstag kommt Borussia Mönchengladbach nach Kaiserslautern, gegen die hast du dein erstes Bundesligator im Lautern-Dress erzielt, auch zu Hause. Die Vorzeichen also sind günstig.

„Es ist diese besondere Atmosphäre, dieses heißblütige Publikum, das empfänglich ist für kleine Gesten, das den Einsatz würdigt. Die Fans hier haben ein tolles Gespür, wie sie der Mannschaft helfen können“, hast du mal den „Mythos Betze“ umschrieben. Also, spreng deine Fesseln und zeige uns den wilden Christian Tiffert. Mach den Betzenberg wieder zu deinem Revier. Wir warten auf dein Zeichen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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