Kummt Senf druff

Erst Familienidylle, dann Ordnerwillkür und Meinungszensur

Erst Familienidylle, dann Ordnerwillkür und Meinungszensur


Es sollte eine große Familienfeier werden. 35.000 Fans besuchten am Sonntag das Stadionfest des 1. FC Kaiserslautern und konnten sich über ein paar gelungene Stunden am Betzenberg freuen. Daran konnte auch die 0:3-Niederlage im Testspiel gegen die TSG Hoffenheim nichts ändern - für mehr Ärger sorgte da schon die wiederholte Spruchband-Zensur durch den in gelb und rot gekleideten Ordnungsdienst.

Als Ersatz für das eigentlich geplante Testspiel gegen Eintracht Frankfurt wurde mit den Kraichgauern ein Gegner verpflichtet, der aufgrund seiner Struktur ebenfalls nur wenige Sympathien inne hat. Zunächst verteilten die aktiven Fanclubs der Westkurve daher Flyer mit dem bereits aus der vergangenen Saison bekannten offenen Brief an Milliardär und Mäzen Dietmar Hopp, in dem die Ablehnung der Anhängerschaft gegen das "Modell Hoffenheim" begründet wird (siehe ältere Berichte auf "Der Betze brennt").

Während dem Spiel, das bei freiem Eintritt und ohne Eingangskontrollen stattfand, wurden dann noch einige Spruchbänder präsentiert. In Anlehnung an einen bundesweiten Slogan der Hardcore-Fans, "Ultras! No Fans!", schlichen sich einige FCK'ler in den Gästeblock und präsentierten dort ein Banner mit der Aufschrift "Kunden! No Fans!". Eine amüsante Aktion, ältere Stadionbesucher würden wohl von einem "Lausbubenstreich" sprechen. Weniger lustig fand diese Aktion der Ordnungsdienst, der kurzerhand den fünf "Übeltätern" ein Stadionverbot für den Rest des Tages erteilte - wohlgemerkt in einem kostenlosen Testspiel bei offenen Eingangstoren und freier Platzwahl.

Weiter ging es auf der Nordtribüne. Auch hier sollte ein kritisches Spruchband gezeigt werden, wo jedoch der Ordnungsdienst einen Strich durch die Rechnung machte. Das Transparent wurde beschlagnahmt, die nächsten fünf Fans erhielten ein Eintags-Stadionverbot.

Mitte der 1. Halbzeit folgte in der Westkurve das nächste Spruchband mit der Aufschrift "Unser Leben - D€in 'Hoppy'".

Wirklich bedenklich wurde die Lage dann, als im zweiten Abschnitt auf der Südtribüne ein weiteres Spruchband präsentiert wurde. Ebenfalls ohne Beleidigung und weiterhin nicht auf der Suche nach Ärger war über eine Länge von fast 40 Metern zu lesen: "Derjenige, der sein Geld gibt ist nicht zu vergleichen mit dem, der sein Herzblut gibt!" Die rund zehn Fans, welche dieses Banner zeigten, wurden schnell von zwei Ordnern anvisiert, die sich nun mit den Anhängern einen "Wettkampf" im Tauziehen lieferten, der erst mit dem Reißen des Spruchbands endete. Die Fans in der Westkurve hatten ihren Spaß, aus dem jedoch schnell Ernst werden sollte.

Noch auf dem Weg zurück von der Südtribüne in die Westkurve wurden die übrig gebliebenen "Übeltäter" vom Ordnungsdienst gestellt und teilweise eingekesselt. Schnell waren auch die Polizei und weitere Mitglieder der beteiligten Fanclubs am Ort des Geschehens, der sich mittlerweile hinter die Tribüne an der Ecke West/Süd verlagert hatte. Speziell ein Polizist fiel hierbei neben mehreren Mitarbeitern des Ordnungsdienstes durch überflüssige Provokationen auf - das völlig unnötige Resultat war schließlich, dass der Behinderten-Fanbeauftragte des FCK, der ebenso wie Fanbetreuer Stefan Roßkopf, die Mitarbeiter des Fanprojekts und andere FCK-Angestellte schlichten wollte, von jenem Polizisten mit einem Schlagstock ins Genick geschlagen wurde. Die Fans reagierten jedoch bis auf einen kurzen, lautstarken Protest gegen den übermotivierten Polizisten besonnen, so dass die Lage nicht eskalierte. Der Behinderten-Fanbeauftragte hatte sich inzwischen in Sicherheit gebracht.

Mittlerweile war auch Dr. Johannes Ohlinger, als Vorstandsmitglied des FCK sozusagen "Hausherr" des Fritz-Walter-Stadions, eingetroffen und konnte die Lage beruhigen. Was überhaupt so schlimm an dem Spruchband gewesen sei, fragte er, "wir leben doch in einer Demokratie". Von fünf Fans nahm der Ordnungsdienst schließlich die Personalien auf, wobei Dr. Ohlinger sein Ehrenwort gab, dass definitiv keine Stadionverbote folgen werden - entgegen der vorherigen Androhung einiger Ordner.

Trotz der eigentlich beruhigten Situation agierten andere Polizisten und in erster Linie eine leitende Angestellte des Ordnungsdienstes weiterhin sehr angespannt. Umstehende Fans, die nur auf dem Weg von der Südtribüne zur Westkurve waren, wurden geradezu angepöbelt, sobald sie die Situation dokumentieren wollten. Zwei gelb gekleidete Ordner versuchten gar, einem Fan sein Fotohandy zu entwenden. Ein anderer Fan wurde von der rot gekleideten Bereichsleiterin des Ordnungsdienstes über zehn Meter hinweg angeschrien, er solle gefälligst sein Handy einpacken. Lapidare Antwort: "Ich schreib doch nur ne SMS!?"

Letztendlich konnten alle Beteiligten den Betzenberg ohne weitere Konsequenzen verlassen. Einige Fragen bleiben trotzdem offen. So tobt bereits seit über einem Jahr geradezu ein Machtkampf zwischen dem Ordnungsdienst und den Ultragruppierungen der Westkurve, die, wie bundesweit üblich, durch Spruchbänder ihre Meinung äußern wollen - mit Lob, Ansporn und auch Kritik. In diesem Machtkampf lässt besonders der Ordnungsdienst gerne die Muskeln spielen und nutzt fast jede sich bietende Gelegenheit, um die Stimme der Kurve zu zensieren.

Aber wo waren die Ordner im letzten Saisonspiel gegen den 1. FC Köln, als die Gästefans das Spielfeld stürmten und die FCK-Fans, darunter verängstigte Frauen und Kinder, über 50 Meter lang vor sich her trieben? Hier wurde nur zugeschaut, ja sogar vorher den Kölnern die Tore zum Innenraum geöffnet. Für Ordnung mussten die Fans selbst sorgen, insbesondere die jetzt wieder schikanierten Ultras, die damals die durchgedrehten Kölner zurückdrängten und später noch von den alten Haudegen der "First Class Crew" unterstützt wurden.

Was hat der Ordnungsdienst zu verbergen, wenn er umstehende Fans hinter der Tribüne geradezu drangsaliert, nur weil ein Fotohandy auf die Situation gerichtet ist?

Es ist endgültig an der Zeit für ein seit längerem angedachtes, klärendes Gespräch zwischen Ordnern, Fanvertretern und dem FCK-Vorstand als Hausherr des Stadions und Weisungsbefugtem des Ordnungsdienstes. In der Problematik mit kritischen Spruchbändern muss eine Lösung gefunden werden, mit der das Recht auf freie Meinungsäußerung im Stadion gewahrt bleibt. Die Fanszene ist stark genug, sich selbst zu regulieren und keine gewalttätigen oder rassistischen Plakate in der Westkurve zuzulassen. Hierfür wird kein selbstgefälliger Ordnungsdienst benötigt.

Gegen Ordnerwillkür! Gegen Meinungszensur!

PS: Es soll in diesem Artikel nicht um das Für und Wider zum Thema TSG Hoffenheim gehen, das bereits im Zusammenhang mit dem offenen Brief vom vergangenen Jahr diskutiert wurde, sondern lediglich um die Zensur harmloser Spruchbänder, die offensichtlich nur aufgrund eines unnötigen Machtkampfes geschieht.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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