Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCH

Die DBB-Analyse: Aches Wohl ist Rostocks Wehe

Die DBB-Analyse: Aches Wohl ist Rostocks Wehe


Keinen durchgehend perfekten Fußball, aber beste Fußball-Unterhaltung bot der 1. FC Kaiserslautern beim 3:1 gegen Hansa Rostock. Zu sehen war vor allem ein Team, dessen Offensivspiel sich zusehends weiterentwickelt.

Einen Vorwurf, der in den vergangenen Monaten immer wieder geäußert wurde, kann man den Roten Teufeln nun nicht mehr machen: Dass sie die Startphasen ihrer Partien regelmäßig verpennen. Nach dem frühen Treffer in Karlsruhe am vergangenen Wochenende folgte am Sonntag gegen den FC Hansa direkt der nächste Frühstart: Tobias Raschl traf bereits in der dritten Minute.

Dabei erfreute nicht nur sein technisch sauberer Spannstoß vom Sechzehner, der wie an einer Schnur gezogen seinen Weg an Freund und Feind vorbei ins untere rechte Toreck fand. Sondern auch die Art und Weise, wie seine Mitspieler den Treffer einleiteten. Nach einem Ballgewinn von Kevin Kraus in der eigenen Hälfte läuft der Ball über insgesamt elf Stationen. Inklusive Flankenwechsel von Jean Zimmer auf Tymo Puchacz, inklusive Beinahe-Ball-Verlust von Richmond Tachie, den Marlon Ritter durch schnelles Dazwischen-Stochern geistesgegenwärtig verhindert. Raschl sorgt lediglich für den krönenden Abschluss.

Offensiv stark wie nie - auch ohne "Triple-Wumms"

Nicht, dass Ballstafetten dieser Art zum ersten Mal zu sehen gewesen wären, seit der sogenannte "Schusterball" am Betzenberg Einzug hielt. Doch diese Szene deutete an, dass sich da etwas weiterentwickelt, was noch lange nicht die Endausbaustufe erreicht hat. Ein Eindruck, den auch der Rest dieser ersten Halbzeit vermittelte.

Da wurde versucht, auch Ballverluste weit in des Gegners Hälfte direkt wieder zu korrigieren, wurde energisch hinter zweiten Bällen hergesetzt. Ruhende Bälle, ob Ecken oder Freistöße aus dem Halbfeld, segelten allesamt brandgefährlich in den Rostocker Strafraum. Einen davon, eine Ecke von Puchacz, verwandelte Kraus nach 20 Minuten direkt zum 2:0. Andere wurden zunächst abgewehrt, danach aber wieder gesichert. Allein FCK-Stürmer Ragnar Ache hätte in den ersten 45 Minuten drei weitere Treffer erzielen können: Zwei per Kopf nach Flanken von Ritter und Puchacz, einen via Abstauber nach einem Angriff über den agilen Tachie.

Unterm Strich stand bis zum Abpfiff der ersten Halbzeit eine Offensivleistung, die, fußballerisch betrachtet, sogar die vom 3:1 vor drei Wochen gegen 1. FC Nürnberg noch toppt, auch wenn sie keinen vergleichbaren "Triple-Wumms" bereithielt.

Der Gegentreffer: Nicht nur Raschl war schuld

Den einzigen Wermutstropfen bildete der Gegentreffer in der 29. Minute. Den nahm hinterher Torschütze Raschl brav auf seine Kappe, weil er in einer bedrängten Situation auf der linken Abwehrseite den Ball nicht vehement aus der Gefahrenzone drosch, sondern sich per Passspiel zu befreien versuchte. Kann man, muss man aber nicht so sehen.

Eigentlich waren genug Lautrer in Ballnähe, als Rostocks Nico Neidhardt von rechts in die Mitte flankte - und auch in der Mitte waren genug Rote unterwegs, die Stürmer Junior Brumado am Einschuss hätten hindern können. Da sollte man also eher auf "Kollektivversagen" entscheiden statt auf Raschl-Fehler. Denn sich aus einer engen Situation spielerisch befreien zu wollen, ist grundsätzlich nichts Falsches.

Schwartz überrascht zwei, Schuster kein Mal - zunächst

Apropos Brumado: Mit dessen Startelf-Nominierung hatte Rostocks Trainer Alois Schwartz sogar den eigenen Anhang überrascht. Zumal für ihn der erfahrene Kai Pröger auf die Bank musste, der vor vier Monaten beim 1:0-Auswärtssieg der Kogge auf dem Betze den entscheidenden Treffer erzielt hatte. Zudem bot er den Achter Sebastian Vasiliadis für seinen etatmäßigen Zehner Svante Ingelsson auf, wodurch er sich wohl mehr Laufintensität im Mittelfeld erhoffte.

Schwartz' Trainerkollege Dirk Schuster dagegen hatte seine Startelf zum dritten Mal in Folge unverändert gelassen. Wogegen es nach den ersten 45 Minuten auch absolut nichts einzuwenden gab. Leicht variiert hatte der Coach lediglich die Rollenverteilung seines Offensivtriangels. Ritter war diesmal mehr rechter Flügelspieler als Zehner, Tachie mehr Linksaußen als zweite Spitze.

Erst Ache, dann Brumado: Es geht rauf und runter

Und in der Mitte zeigte Ragnar Ache einmal mehr, dass er weit mehr ist als nur ein kopfballstarker Strafraumstürmer. Besonders eindrucksvoll stellte er dies in der 50. Minute unter Beweis, als er mit einem kraftstrotzenden Antritt an der rechten Außenlinie entlang Rostocks Innenverteidiger Jonas David abhängte, sich bis fast an die Grundlinie durchbullerte und von dort auf den einlaufenden Tachie legen wollte. Jasper van der Werff verhinderte den Einschuss im letzten Moment.

Im Gegenzug rettete der erneut starke Boris Tomiak in letzter Sekunde vor Brumado. Ein Szenenwechsel, der auch dem letzten der 40.450 Zuschauer klarmachte: Im Fritz-Walter-Stadion wird auch heute wieder beste Fußball-Unterhaltung geboten.

Hälfte 2: Rostock übernimmt das Kommando

Wenngleich sich das Bild in den kommenden 25 Minuten zu Ungunsten des FCK wandelte. Schuster hatte in der Halbzeit Kenny Redondo für Raschl gebracht, der fortan mit Ache und Tachie einen Dreiersturm bildete. Ritter spielte nun zurückgezogen im zentralen Mittelfeld neben Julian Niehues. Das ergab ein klarer als zuvor strukturiertes 3-4-3, doch das angedachte schnellere Umschaltspiel, insbesondere über Redondo, blitzte in der Folgezeit nur selten auf. Der Gast übernahm nun das Kommando.

Mit Sarpreet Singh, Ingelsson, Pröger und Christian Kinsombi warf Schwartz nach und nach seine spielstärksten Kräfte aufs Feld, die die Roten Teufel in der eigenen Hälfte einschnürten. Und Rostocks Abwehrspieler markierten die drei FCK-Stürmer nun so eng, dass sie jeden langen Ball, der sie suchte, sofort retournieren konnten.

FCH-Stürmer Juan José Perea boten sich gleich zwei Kopfballchancen zum Ausgleich. Eine davon parierte Julian Krahl aus kürzester Distanz, was ihm hinterher ein Sonderlob des Trainers einbrachte. Wobei man fairerweise anmerken muss: Hätte Perea nicht mitten auf den Mann geköpft, Krahl hätte kaum eine Chance gehabt.

Diese "Wyscout"-Visualisierung der durchschnittlichen Aufstellungslinien über 90 Minuten zeigt, wie weit sich die Rostocker in der zweiten Hälfte nach vorne schoben.

Durchschnittliche Aufstellungslinie FCK-Rostock

Zwei Wechsel am Ende sorgten für die Wende

Eine zweite wohlwollende Erwähnung Schusters verdiente sich Nikola Soldo, der in der 78. Minute für Sechser Niehues kam - und das Spiel mit seiner Ballsicherheit beruhigte, wie der Coach befand. Das Lob sei der Kölner Leihgabe gegönnt. Dass die Rostocker Dominanz zehn Minuten vor Spielende brach, war jedoch auch durch eine weitere Einwechslung und eine taktische Umstellung bedingt.

Daniel Hanslik kam für Tachie, nahm nun die Position hinter den Spitzen ein und half von dort aus mit, das Treiben der Gäste im Zentrum zu unterbinden. Vorne genügten fortan Redondo und Ache, um Anspielstationen auf der gesamten Breite des Spielfeldes zu bilden.

Ache war es dann auch, der in der 83. Minute alles klar machte. Nach einer Strafraum-Turbulenz, die eine Freistoßflanke Ritters eingeleitet hatte. Bereits kurz zuvor war das Leder nach einem ähnlichen Tohubawohu, das eine Puchacz-Ecke heraufbeschwor, am Aluminium gelandet.

xG-Ergebnis spricht klar für FCK

So dass unterm Strich nicht nur das Endergebnis von 3:1, sondern auch die xG-Timeline, die 5,31 : 0,98 xGoals ausweist, den FCK als keinesfalls nur glücklichen Sieger darstellt, trotz der zwischenzeitlich starken Dominanz der Gäste. Zu beachten ist auch der geringe Ausschlag, den Raschls Schuss zum 1:0 verursacht. Dass der Ball an so vielen Beinen vorbei den Weg ins Tor findet, erachtete die Computer-Software offenbar als äußerst unwahrscheinlich.

xG-Dynamik FCK-Rostock

Die Positions- und Passgrafik der Lautrer zeigt, dass der Ball nicht nur durch die hintere Reihe, sondern auch durchs Vierer-Mittelfeld gut lief. Aus der Zentrale darf aber gerne noch mehr das Zuspiel aufs Offensiv-Trio gesucht werden, insbesondere Raschl (Nummer 20) hat da sicher noch Potenzial.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik der Gäste: Sieht grundsätzlich nicht viel schlechter aus. Startelfdebütant Brumado (49) war direkt gut ins Spiel eingebunden. Perea (18) wurde hauptsächlich vom rechten Schienenspieler Neidhardt (7) gefüttert.

Passmap Rostock

Und zum Abschluss die Duell-Übersicht. Starke Zweikampfbilanzen weisen wieder mal die drei Innenverteidiger Jan Elvedi, Kraus und Tomiak auf. Vor allem Perea hatte gegen Tomiak nichts zu lachen. Interessant: Drei Mal kreuzten sich auch die Wege von Tachie und Perea, vermutlich, als Tachie nach Eckbällen hinten absicherte. Dabei sah die Lautrer Neuerwerbung gut aus, auch wenn ihre Zweikampfbilanz insgesamt nicht so berauschend ausfällt.

Zweikampf-Duelle FCK-Rostock

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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