Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCN

Die DBB-Analyse: Stresstest trotz Triple-Wumms

Die DBB-Analyse: Stresstest trotz Triple-Wumms


Der 1. FC Kaiserslautern führt gegen den 1. FC Nürnberg früh mit 3:0, vermittelt aber nie das Gefühl, die Partie sicher nach Hause zu bringen. Das kann man kritisch sehen - oder sich über den spannenden Schlagabtausch beider Teams freuen.

Vergesst Olaf Scholz und seinen "Doppelwumms". Die Roten Teufel präsentierten am Samstagabend den Triple-Wumms, und der trieb den Adrenalinspiegel aller Beteiligter inklusive sämtlicher Zuschauer bis zum Anschlag in die Höhe. Mit drei Hammer-Treffern zwischen der 19. und 29. Minute verpassten die Betze-Buben der Partie zudem eine 180-Grad-Kehrtwende, die an einen Autostunt aus der "Fast and Furious"-Reihe erinnerte: Handbremse anziehen, Steuer rumreißen und mit quietschenden Reifen Vollgas geben.

Dabei hatten die Hausherren durchaus weniger passiv begonnen als vor Wochenfrist in Paderborn, mit deutlich energischeren Attacken gegen den Ball. Doch der Gast machte bereits nach wenigen Minuten klar, dass er sich seine Spielfreude auch unter Druck nicht nehmen lassen wollte. Vor allem über die rechte Seite lief einiges.

Nach 13 Minuten rannte Benjamin Goller Lauterns linkem Innenverteidiger Boris Tomiak davon - das hatte man so auch noch nicht oft gesehen. Gollers Schuss aus halbrechter Position wurde jedoch von Julian Krahl pariert.

Härtefall Krahl: Gute Entscheidung

Krahl? Das war einer der Härtefälle, über die das Trainerteam vor der Partie zu entscheiden hatte. Sollte Andreas Luthe nach seiner Rot-Sperre in den Kasten zurückkehren oder sein Stellvertreter, der seine Sache inklusive DFB-Pokal dreimal gut gemacht hatte, bleiben? FCK-Coach Dirk Schuster erklärte in der Pressekonferenz nach dem Spiel, dass die Entscheidung zwar sehr schwer, im Trainerteam am Ende aber einstimmig gefallen sei.

In der nun folgenden Länderspielpause solle aber nochmal ganz genau hingeschaut und neu bewertet werden. Ob dabei die Altersfrage eine Rolle spielen könnte, blieb unerwähnt. Es wäre jedoch durchaus nachvollziehbar, im Zweifelsfall einen 23-Jährigen einem 36-Jährigen weiterhin vorzuziehen. Um den Marktwert des Spielers weiterzuentwickeln und so das Vereinskapital zu mehren. Aber natürlich nur, wenn Krahl von den jeden Tag mit ihm beschäftigten Trainern auch wirklich als genauso gut oder besser als Luthe bewertet wird. Denn am Ende steht doch der sportliche Wert über dem finanziellen.

"Glubberer" präsentieren sich mit viel Pep

Goller hatte kurz darauf noch eine zweite Einschusschance, die diesmal über die linke Seite vorbereitet wurde. Die aber strich knapp am Tor vorbei. Auffallend am Nürnberger Spiel, wie die beiden Außenverteidiger Jan Gyamerah und Nathaniel Brown nicht etwa die Seitenlinie entlang fegten, sondern immer wieder in die Mitte zogen, um das Zentrum zu verdichten. Eine Eigenheit, die vor allem Teams von Pep Guardiola auszeichnet, dem erklärten Vorbild von FCN-Trainer Christian Fiel.

Als Jannes Horn eine Kopfballabwehr direkt vor die Füße von Marlon Ritter platzierte, wurde aber auch deutlich, dass die Gäste ihrem hohen fußballerischen Anspruch zum Trotz in der Abwehr alles andere als sattelfest standen. Ritters 16-Meter-Geschoss jagte nur knapp am linken Pfosten vorbei. FCN-Innenverteidiger Florian Hübner hatte den Ball abgefälscht, es gab Ecke.

Marlon Ritter: Der etwas andere Zehner

Ritter? Der war nominell diesmal in der Tat "Zehner", zunächst hinter zwei Spitzen, später hinter einer. Das scheint die Rolle zu sein, die ihm für diese Saison zugedacht ist. Und er füllt sie schon sehr speziell aus. Ritter ist sicher kein Zehner, wie ihn Fußball-Ästheten sich erträumen. Mit seinen starken Diagonalpässen und seiner Laufstärke ist er eher einer fürs hintere Mittelfeld, und dort war ihm nach längerer Anlaufzeit ja auch der Durchbruch am Betzenberg gelungen. Dafür versteht es der 28-Jährige, zu dem oder den Stürmern aufzuschließen, den gegnerischen Aufbauspieler im Sechserraum zu stressen und aufgrund seiner Wuseligkeit einfach unberechenbar zu sein.

Seine Heatmap, von "Sofascore" entnommen, belegt das. Ein Zehner, der im Zehner-Raum eigentlich gar nicht so oft unterwegs ist. Nennen wir ihn einen Schuster-Zehner.

Heatmap Marlon Ritter

Und mit der nun folgenden Ecke vollzog sich etwas, was im Stadion der Roten Teufel auch mal so beschrieben werden darf: Über die Nürnberger brach die Hölle herein.

Drei Treffer wie Hammerschläge

Die Bezeichnung "Sonntagsschuss", die Christian Fiel für Richmond Tachies Führungstreffer benutzte, wird der feinen Schusstechnik nicht gerecht, mit der der 24-Jährige, der den Vorzug vor Kenny Redondo erhalten hatte, eine abermals zu kurze Kopfballabwehr volley nahm. Ein Kandidat fürs "Tor des Monats".

Nicht minder gekonnt war die Schusshaltung von Linksfuß Tymo Puchacz, der sieben Minuten später eine flache Hereingabe von Marlon Ritter aus dem Rückraum aufnahm und, auch dank leichter Kurskorrektur eines Nürnberger Abwehrspielers, im Netz versenkte. Davor hatte Tachie das Ritter-Zuspiel knapp verpasst. Unbedingt zu loben ist auch das feine Zusammenspiel, mit dem Ragnar Ache und Ritter die Aktion über die rechte Seite vorbereiteten.

Beim dritten Hammerschlag fungierte Puchacz als Flankengeber. Empfänger war Ragnar Ache, der am langen Eck hochstieg und vor seinem Stoß mit der Stirn in der Luft stand, als habe er Kopfballtechnik bei Miro Klose gelernt. Den Ball in den Lauf von Puchacz servierte Achter Tobias Raschl. Somit waren Sommertransfers von Geschäftsführer Thomas Hengen abermals an allen FCK-Treffern entscheidend beteiligt.

FCN drängt weiter, Schuster stellt um

Drei solche Tiefschläge nach einer eigentlich guten Anfangsphase - davon erholt sich keiner so schnell. Sollte man meinen. Doch die Franken behielten den Kopf oben, kombinierten weiter forsch nach vorne. Während Lautern nicht gut verteidigte. Abwehr- und Mittelfeldreihe standen zu weit auseinander. Nur sieben Minuten nach Aches Treffer besorgte Lukas Schleimer das 3:1, Goller traf vor der Pause nochmal den Pfosten.

Danach brachte Schuster Aaron Opoku für Raschl - und die diversen Kommentatoren ins Fabulieren: ein "Stürmer" für einen "Sechser"? Will Schuster trotz Führung noch mehr ins Risiko gehen, aufs vierte Tor spielen, bevor Nürnberg das zweite schießt, oder wie oder was? Nach Wiederanpfiff wurde deutlich, weswegen der Wechsel vollzogen wurde. Tomiak rückte aus der Dreierkette neben Julian Niehues ins defensive Mittelfeld. Die Schienenspieler Puchacz und Jean Zimmer waren nun Außenverteidiger, Opoku bildete mit Ritter, Tachie und bald darauf Redondo eine offensive Dreierreihe vor Stürmer Ache. Schuster stellte das 3-4-1-2 auf ein 4-2-3-1-System um, wohl, um das Zentrum dicht zu bekommen, in dem der FCN einfach zu viele Freiheiten hatte.

Gute Idee, doch die Wirkung setzt erst nach und nach ein

Das war gut gedacht, doch dauerte es eine Weile, bis die Neuerungen wenigstens einigermaßen für mehr Festigkeit sorgten. In der Mitte lief es besser, nachdem Afeez Aremu für Niehues gekommen war. Dafür hatten die Flügelverteidiger Probleme: Zimmer mit Kanji Okunuku, Puchacz mit Joseph Hungbo, der für Gollerin die Partie kam.

Die "Glubberer" blieben am Drücker, denn sie wussten, dass ein Zwei-Tore-Vorsprung keine Lebensversicherung ist. Diese Saison haben sie bereits gegen Hannover einen Zwei-Tore-Rückstand aufgeholt. Und schließlich erzielten sie auch am Betzenberg zwei Abseitstore, von denen eins sehr knapp war und gezählt hätte, hätte der VAR nicht eingegriffen.

Doch auch der FCK blieb mit seinem schnellen Vertikalspiel gefährlich. Ache traf den Innenpfosten, kurze Zeit später machte er für Terrence Boyd Platz. So entwickelte sich ein bis zum Schluss hochspannender, auch auf den Rängen schweißtreibender Schlagabtausch. Bei dem der Betrachter stets den Eindruck hatte, den Betze-Buben könnten die Nervenstränge endgültig durchschmoren, wenn der Gast den Anschlusstreffer erzielt.

Keeper sieht Rot, Feldspieler muss ins Tor - was für ein Déjá-vu

Kurz vor Schluss verlor jedoch ein anderer die Kontrolle. Nach einem riskanten Rückpass erwischte Boyd das Leder vor FCN-Keeper Christian Mathenia, worauf der ihn nur mit einer Notbremse stoppen konnte. Und zurecht Rot sah.

Ein eigenartiges Déjà-vu: Im Oktober 2019 gab es ein DFB-Pokalspiel zwischen Kaiserslautern und Nürnberg, an dessen Ende mit Enrico Valentini ein Feldspieler im Tor stand. Weil sich Goalie Patric Klandt verletzte, nachdem das Auswechselkontingent bereits erschöpft war. Der FCK siegte 6:5 im Elfmeterschießen.
Diesmal war es der eingewechselte Tim Handwerker, der Torwart-Dress und Handschuhe überstreifte. Immerhin überstand er die siebenminütige Nachspielzeit ohne Gegentreffer. Es wird ihm nur ein schwacher Trost gewesen sein, nach einem eigentlich starken Spiel seines Teams, das dennoch verloren ging an einem wirklich denkwürdigen Abend.

Auch ein Erfolgsgarant: Abwehrspieler mit starken Zweikampfbilanzen

Zu den Grafiken. Sieh an, nach xGoals hat der FCK dieses Spiel verloren. Was auch daran liegt, dass vor allem die Treffer 1 und 2 aus Einschussgelegenheiten resultierten, die von der Software nicht allzu hoch bewertet werden.

xG-Dynamik FCK-FCN

Zur Positions- und Passgrafik. Ein bisschen wenig Passintensität bei Raschl (20) und Niehues (16). Man beachte die vertikale Linie, die von Kraus (5) in die Sturmspitze führt.


Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Nürnberger. Ganz schön viel Zirkulation, man sieht, wohin Christian Fiel dieses Team entwickeln will.

Passmap FCN

Die Duell-Übersicht: Die Zweikampf-Bilanzen von Jan Elvedi, Kevin Kraus und Boris Tomiak zeigen, dass es eben doch nicht nur Glück war, dass der FCK dieses 3:1 über die Zeit brachte. Gut in seine Duelle stürzte sich auch der eingewechselte Opoku.

Zweikampf-Duelle FCK-FCN

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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