Taktik-Nachlese zum Spiel S04-FCK

DBB-Analyse: Ein 0:3, das dennoch Respekt abnötigt

DBB-Analyse: Ein 0:3, das dennoch Respekt abnötigt


Gibt’s das? Ein Team verliert 0:3 und hat sich dennoch nichts vorzuwerfen, was Grundeinstellung und Spielanlage angeht? Ja, das gibt’s. Die Niederlage des 1. FC Kaiserslautern bei Schalke 04 hat viele andere Ursachen.

Null Punkte nach zwei Spielen. Und das zum ersten Mal in der insgesamt 13. Spielzeit, die der FCK bislang in der Zweiten Liga bestreitet. Schon jetzt sind so viele Spiele verloren wie in der gesamten Vorrunde 2022/23. Saisonübergreifend die fünfte Niederlage in Serie. Nunmehr acht Spiele hintereinander sieglos. Auswärts neunmal, davon in acht Partien ohne eigenen Treffer geblieben.

Keine Frage: Wer nach Zahlen sucht, um zu belegen, dass sich in dieser Runde ein Abwärtstrend fortsetzt, der sich bereits im letzten Drittel der vergangenen Saison abzeichnete - er wird viele finden. Dennoch: Es gibt auch Erkenntnisse, die außerhalb statistischer Erhebungen gewonnen werden wollen. Und diese lauten nach diesem Spiel: Die "Comebacker der Liga", die vor ein paar Monaten noch als "Mentalitätsmonster" gefeiert wurden, sind nach wie vor am Leben. Wie dieses FCK-Team in das Spiel startete, wie es sich erst mit einem, dann mit zwei Mann weniger gegen die drohende Niederlage stemmte, hat gezeigt, dass sein Spirit noch intakt ist. Trotz des deprimierenden Endergebnisses.

Fehler und Fehlerbilder wiederholen sich: Das macht Sorge

Was auch Diskussionen um den Trainer überflüssig macht: Nach der Auftaktniederlage vergangene Woche gegen St. Pauli ließen sich gegebenenfalls Zweifel anmelden, ob Dirk Schuster seine Jungs noch im gebotenen Maß mental zu packen vermag. Diesmal aber stimmten Grundeinstellung und taktische Ausrichtung. Auch an den Entscheidungen, die der Coach während der Partie traf, um auf die wachsende Unterzahl zu reagieren, gibt es nichts auszusetzen.

Was am Ende fehlte, waren Spielglück und zumindest eine bessere Schiedsrichterentscheidung. Sorge bereitet allerdings, dass sich nicht nur individuelle Fehler, sondern komplette Fehlerbilder aus dem Sankt-Pauli-Spiel wiederholten. Und wenn diese die berühmte "Eigendynamik" entwickeln, wird der eben noch gelobte Spirit bald verloren gehen.

Raschl foult wie gegen St. Pauli - und Schalke führt

Beispiel für einen individuellen Fehler, der sich wiederholte: Tobias Raschls Foul an Kenan Karaman in der 12. Minute. Genauso ungeschickt wie seine Aktion gegen Marcel Hartel in der Woche zuvor. Nur, dass er seinen Gegenspieler diesmal nicht im Strafraum, sondern knapp vor dessen Markierungen erwischte. In der Konsequenz aber erwies sich beides als gleich verhängnisvoll. Linksfuß Thomas Ouwejan flankte, Simon Terodde köpfte, drin war der Ball. Kevin Kraus, als zentraler Innenverteidiger in die Dreierkette zurückgekehrt, hatte dem Schalke-Mittelstürmer den berüchtigten Meter zu viel Platz gelassen.

Schade für Kraus, dessen Defensivarbeit ansonsten nahezu tadellos war, und das nach monatelanger Pause. Dass er als Abwehrchef nicht der beste Mann für den ersten Aufbaupass ist - geschenkt. Und schade vor allem für Raschl, der ebenfalls ein starkes Spiel zeigte. Als zentraler Mittelfeldspieler über die gesamte Spielzeit fast überall auf dem Feld zu finden, und trotz dieser Laufintensität mit einer Passquote von 88 Prozent: Langsam wird deutlich, weshalb Schuster ihn wohl auch auf Sicht Philipp Klement vorziehen wird. Allerdings stehen auch 15 Ballverluste zu Buche (Quelle: Sofascore). Das geht sicher besser, wobei: Angesichts der ständig wachsenden Überzahl der Schalker ließ sich unmöglich jeder Ball behaupten.

Wieder ein langer Ball, wieder pennt die Hintermannschaft

Beispiel für ein Fehlerbild, das sich wiederholte: Wieder ein langer Ball, wieder durfte sich ein Gegenspieler auf der rechten Lautrer Abwehrseite lösen, wieder reagierten die zuständigen Feldspieler nicht, wieder tauchte der Angreifer allein vorm Torwart auf. Gegen St. Pauli war’s die 51. Minute, diesmal war es die 39. Vor einer Woche hatte Andreas Luthe Elias Saad laufen lassen, worauf dieser den Ball ins Tor schob. Diesmal senste der Keeper Ouwejan um. Rot. Beim Stand von 0:1. Das ist schon nicht mehr schade, das ist zum Schreien unflätiger Vokabeln.

Beispiel für fehlendes Spielglück: Dass die Königsblauen bei ihrer ersten gelungenen Aktion gleich den Führungstreffer markierten. Und das, nachdem die Teufelsroten richtig, richtig gut in dieses Auswärtsspiel gestartet waren. Eben nicht mit zurückhaltendem "Schusterball", sondern mit forschen, aber auch geordneten Attacken in der Hälfte des Gastgebers, der davon sichtlich beeindruckt war. Erst nach der Führung fanden die Hausherren zu Sicherheit und arbeiteten ähnlich mannorientiert gegen ihre Gegenspieler wie die Betze-Buben.

Ritter auf der Zehn: Keine Idealbesetzung, aber interessant

Was zeigte, dass Schuster trotz der ausbleibenden Erfolgserlebnisse weiterhin gewillt ist, das Offensivspiel seiner Mannschaft weiterzuentwickeln, vor allem mehr und längere Phasen des Angriffspressings einzubauen. Mit Ragnar Ache hat er in vorderster Front nun einen Stürmer mehr, der dafür prädestiniert ist.

Formiert hatte der Trainer seine Startelf diesmal in einem 3-4-1-2. Mit Marlon Ritter hinter den Spitzen Kenny Redondo und Ache. Die Umstellung machte Sinn, da Schuster offenbar einen Zehner wollte, der sich Schalkes Sechser und Taktgeber Ron Schallenberg auf die Füße stellte. Die Entscheidung für Ritter überraschte insofern, als dass Lauterns Nummer 7 nach seiner Vorstellung gegen St. Pauli auch auf der Bank vorstellbar gewesen wäre. Aber Ritter machte seine Sache gut.

Schon nach fünf Minuten presste er 20 Meter vor des Gegners Tor Schallenberg den Ball ab, schoss sofort - und Schalke-Keeper Marius Müller musste ein erstes Mal parieren. Nach einer halben Stunde glänzte Ritter mit einem Außenrist-Pass aus dem Fußgelenk in den Lauf des in den Strafraum eindringenden Raschl - dessen Rechtsschuss parierte Müller abermals.

Auch sonst war der 28-Jährige, der seit seiner starken Vorrunde 2022/23 nicht mehr richtig in Tritt gekommen ist, gut unterwegs. Von den datenbasiert benotenden Anbietern wie "Sofascore" wird er sogar als bester FCK’ler eingestuft. Kann man sicher drüber streiten. Ob er als Zehner nun wieder dauerhaft in eine Rolle hineingefunden hat? Ritter würde diese sicher nicht so interpretieren, wie Puristen sie verstehen, sondern sich eher in den Halbräumen oder ganz außen anbieten. Doch auch von da kann er sich wirkungsvoll in Szene setzen.

Schiri pfeift Mist, Krahl patzt: Wenn’s dick kommt, kommt’s dick

Beispiel für eine falsche Schiedsrichter-Entscheidung: Dass Schiri Harm Osmers in der 70. Minute Eckball für Lautern geben muss, müssen wir hier wohl nicht diskutieren. So kam Schalke wieder in Ballbesitz, der eingewechselte Bryan Lasme flankte in die Mitte und zu allem Überfluss patzte auch noch Luthe-Ersatzmann Julian Krahl. Karaman, der bei seinen Torschussversuchen bis dato alles andere als eine gute Figur machte, musste nur noch einschieben. Wenn’s dick kommt, kommt’s eben ganz dick - drei Euro ins Phrasenschwein.

Die zweite Gelbe Karte für Boris Tomiak ist Osmers dagegen nicht anzulasten. Das Foul des linken Innenverteidigers an dem rechts durchbrechenden Credric Brunner war einer Karte sicher würdig. Fraglich nur, ob es bei der ersten Gelben, die er in Hälfte eins gegen Tomiak aussprach, nicht ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte sein dürfen.

Mit diesem zweiten Platzverweis war auch der Matchplan, den Schuster nach dem ersten ausgeklügelt hatte, über den Haufen geworfen. Und der war fraglos interessant. Eigentlich hätte man erwartet, dass für Keeper Krahl ein Stürmer, vorzugsweise Redondo, gehen würde. Doch der Trainer nahm den linken Schienenspieler Tymo Puchacz vom Platz und ließ Redondo fortan vor dem defensivstarken Tomiak auf der linken Außenbahn agieren. Aus dieser Position heraus - und mit der guten Rückendeckung - schaffte es Redondo, aus einem 4-4-1 heraus immer wieder Ache in der Spitze zu unterstützen. Und den Männern in Rot gelang es auch mit einem Mann weniger, das Spiel einigermaßen offen zu halten. Leider währte das Spiel Zehn gegen Elf nicht einmal 20 Minuten.

Sogar mit neun Mann gibt der FCK nicht auf

Nach dem zweiten Platzverweis, nach dem der FCK gegen den Ball nur noch zwei Viererketten aufbieten konnte, erwartete der Schalke-Anhang, dass der Gast nun aus dem Stadion geschossen würde. Doch selbst aus dieser scheinbar aussichtslosen Position heraus fuhren die Roten Teufel noch Angriffe. Ache hatte nach einer Raschl-Flanke noch eine Kopfball-Chance, und Terrence Boyd kam sogar noch dreimal in Abschlusspositionen, als er nach dem 0:2 eingewechselt wurde.

So dass man diesem Team durchaus Respekt zollen darf, auch wenn das Ergebnis mit Lasmes spätem 3:0 am Ende doch sehr eindeutig ausfällt. Für den FCK kann die Losung jetzt nur lauten, "sauber weiter zu arbeiten", wie es ihr Coach nach dem Spiel formulierte.

Zwei Niederlagen zum Saisonstart sind schlimm, müssen aber nicht richtungsweisend sein. Erst recht nicht nach einem Spiel wie diesem. So enttäuschend das Ergebnis ist, hat es doch gezeigt, dass sich diese Mannschaft dank Neuzugängen wie Ache, Raschl und dem erneut gut verteidigenden Jan Elvedi positiv weiterentwickeln kann. Und möglicherweise stoßen ja noch ein, zwei Neue hinzu, die ähnlich gut funktionieren.

Wer braucht zu einem solchen Spiel Passmaps et cetera?

Match Reports mit xG-Timeline, Passmaps et cetera sind bei Wyscout nun zwar wieder verfügbar, doch angesichts der beschränkten Zugriffsmöglichkeiten, die uns pro Monat offen stehen, verzichten wir für dieses Spiel darauf. Eine Passmap zu betrachten, macht angesichts der durch die Platzverweise bedingten Umstellungen keinen Sinn. Das xGoals-Ergebnis von 2,52 : 0,77 für Schalke (Quelle: bundesliga.de) muss ebensowenig illustriert werden.

Den größten Sprung wird wohl Karamans Einschusschance zum 2:0 markieren, die sich nahe an einer "Hundertprozentigen" bewegt haben dürfte. Andere statistische Werte wie 70:30 Ballbesitz für die Gastgeber sind unter diesen Voraussetzungen ebenfalls kaum erklärungsbedürftig. Erstaunlich ist allenfalls das Eckballverhältnis von gerade mal 8:7 für Königsblau. Gegen einen Gegner, der 20 Minuten lang zu zehnt und 30 zu neunt spielte, kann man da nur sagen: Hut ab, FCK.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

Kommentare 259 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken