Gegner-Vorschau 2023/24

Die Absteiger: Zwei große Namen kommen

Die Absteiger: Zwei große Namen kommen


Hießen die Bundesliga-Absteiger 2022 noch Arminia Bielefeld und SpVgg Fürth, stellen sich diese Saison mit Schalke 04 und Hertha BSC zwei deutlich größere Namen vor. In Teil 1 unserer Gegner-Vorschau blicken wir genauer auf die beiden Ex-Meister.

Schalke 04: Hält die "Abstiegseuphorie"?

Die Vergangenheit: Es gibt wohl kaum einen Fan der Roten Teufel, der sich nicht auf die Partien gegen die Knappen freut und den "Tausch" Heidenheim gegen Schalke zumindest wohlwollend zur Kenntnis genommen hat. Kommt doch ein Verein zurück in die 2. Bundesliga, der für einen vollen Auswärtsblock auf dem Betze sorgt und ein stimmungsvolles Spiel im Ruhrpott fast schon garantiert - und das bereits am zweiten Spieltag zur Topspiel-Zeit am Samstagabend.

Wie viel Tradition in diesem Duell steckt, zeigt schon die Bilanz: 87-mal fand die Begegnung bereits statt, Schalke ist mit 33 Siegen knapp vorne, der FCK konnte aber immerhin ebenfalls 30 Spiele für sich entscheiden. Das letzte Aufeinandertreffen im März 2012 gewann der S04 mit 4:1 in Kaiserslautern, Torschützen waren unter anderem Raúl und Jefferson Farfán, nachdem Rodnei die Roten Teufel früh in Führung brachte. Aber: die drei Partien davor holte sich der FCK, darunter das grandiose 5:0 vor einem steil gehenden Heimpublikum im Fritz-Walter-Stadion im November 2010.

Die nähere Vergangenheit war für den Uefa-Cup-Sieger von 1997 allerdings nicht ganz so rosig - zwei Abstiege in den letzten drei Jahren, dazwischen der direkte Wiederaufstieg in die Bundesliga machte die Blau-Weißen zum aktuellen "Fahrstuhlmeister" im deutschen Profifußball. Schalke kommt allerdings mit einer durchaus als Abstiegseuphorie zu bezeichnenden Stimmung in Liga Zwei an. Die erfolgreiche Rückrunde (Platz 8 im Halbjahrestableau) nach völlig verkorkster Hinrunde versöhnte die Fans mit der Mannschaft, Szenen wie 2021, als Spieler von einzelnen Fans gejagt wurden, gab es nicht nochmal. Doch hat die Hoffnung auf den direkten Wiederaufstieg Substanz oder "HSVaut" Schalke dieses Mal?

Das Personal: Das hängt ganz vom Kader ab. Dieser ist definitiv konkurrenzfähig und nominell sogar einer der besten der Liga. Verloren haben die Schalker zwar ein paar wenige Stammspieler wie Stürmer Marius Bülter und den ausgeliehenen Verteidiger Moritz Jenz. Viele der abgewanderten Akteure hatten allerdings auch keine bleibenden Eindrücke hinterlassen, wie beispielsweise Stürmer Michael Frey, der einst im Trikot des 1. FC Nürnberg im DFB-Pokal gegen den FCK ein skurriles Tor erzielte. Besonders viel eingekauft wurde allerdings auch nicht, zumindest aus Sicht eines Absteigers. Mit Ron Schallenberg oder Paul Seguin sowie Bryan Lasme kamen ein paar Akteure mit Stammplatzpotenzial zum S04, zudem wurde fürs Tor mit Marius Müller ein alter Lautrer Bekannter verpflichtet, der sich in den vergangenen Jahren in der Schweiz einen guten Namen gemacht hat. Wenige schmerzende Abgänge, sinnvoll wirkende Zugänge, Anführer wie der mehrfache Torschützenkönig und neue Kapitän Simon Terodde sowie verheißungsvolle Talente wie Niklas Tauer (ausgeliehen von Mainz 05) - eine Mischung, die für den Aufstiegskampf reichen sollte. Jedoch erhofft man sich in Fankreisen noch den ein oder anderen Neuzugang für die Offensive, nachdem Rodrigo Zalazar und Bülter den Verein verlassen haben und mit dem Duo Sebastian Polter (32) und dem 35-jährigen Terodde schon etwas ältere Herren agieren. Sollten beide noch torgefährliche Verstärkung bekommen, wird Schalke definitiv ganz oben mitspielen.

Die Fans: Wie viel Euphorie wirklich in die Saison gerettet werden kann, wird man noch sehen - ein emotionales Umfeld wie auf Schalke neigt ja schon mal zu starken Emotionsausbrüchen, wie wir es vom FCK bekanntlich auch kennen. Starten die Schalker bei ihrem durchaus anspruchsvollen Start in Hamburg, gegen den FCK und in Braunschweig ordentlich, trägt das Publikum die Mannschaft über den Herbst. Doch bei einem Fehlstart könnten die Fans in der Nordkurve aufwachen und merken, dass die Zweite Liga kein Selbstläufer wird, so wie es auch vor zwei Jahren der Fall war. Dann würde es merklich unruhiger für Coach Thomas Reis und seine Truppe. So oder so, die Schalker Fans werden mit einer bombastischen Kulisse bereichern, die ausverkaufte Heimspiele und volle Tribünen bei den Auswärtsspielen garantiert - und neben dem FCK und dem HSV als dritte Attraktion das Gesicht der Liga sein wird. Die aktuelle Stimmungslage auf Schalke lässt sich an einer beeindruckenden Zahl ablesen: Sämtliche rund 450.000 Karten für die Heimspiele der Hinrunde waren innerhalb von zwei Stunden (!) vergriffen.

Das Stadion: Über die Arena AufSchalke muss man vermutlich keine Worte mehr verlieren - über 62.000 Steh- und Sitzplätze mit der "blauen Wand" im Norden sprechen eine klare Sprache. Und nach fast zwölf Jahren wird es auch wieder Zeit, dass der FCK dem ersten deutschen Stadion mit einfahrbarem Dach und ausfahrbarem Rasen einen hoffentlich erfolgreichen Besuch abstattet.

Hertha BSC: Die Wundertüte

Die Vergangenheit: Ein Abstieg mit Ansage - Jahr für Jahr krochen die Berliner der Abstiegszone und den direkten Abstiegsplätzen entgegen, während vor jeder Saison neue Erfolgsziele ausgerufen wurden. Nachdem 2022 die Relegation gegen den HSV noch den Klassenerhalt ermöglichte, war es 2023 dann soweit - elf Jahre nach dem letzten Abstieg aus der Bundesliga erwischte es die Hertha trotz über 300 Millionen schwerer Investitionen in den vergangenen Jahren wieder, der dritte Abstieg der "alten Dame" seit 2009/10. Doch kommt sie auch dieses Mal ohne Ehrenrunde wieder zurück?

Auch gegen die Hertha ist das letzte Aufeinandertreffen aus Sicht des FCK bereits rund zehn Jahre her - im der zweiten Runde des DFB-Pokals gewannen die Roten Teufel mit 3:1, nachdem die Männer in Rot in der Zweitliga-Saison zuvor nur einen Punkt ergattern konnten - unvergessen die harten Duelle zwischen Mo Idrissou und Mike Franz. Den letzten Bundesligasieg holte der FCK übrigens auch in Berlin, Ende April 2012 sorgten Oliver Kirch und Andrew Wooten mit seinem einzigen Bundesligatreffer für einen 2:1-Sieg. Der Lautrer Abstieg wurde just an diesem Tag aber trotzdem besiegelt.

Das Personal: In der Marktwert-Tabelle ist Hertha momentan der Spitzenreiter in der Zweiten Liga. Noch - denn einige Spieler werden den Verein noch verlassen. Lucas Tousart zieht es zu Stadtrivale Union. Und auch Stürmer Dodi Lukébakio wird wohl noch gehen. Beide wären ohnehin zu teuer für die zum Sparen gezwungenen Berliner. Zudem ist der Kader massiv aufgebläht: Alleine 15 Stürmer stehen derzeit unter Vertrag. Und ein Torwartproblem hat die Hertha nun auch, nachdem der als Stammspieler eingeplante Ur-Berliner Marius Gersbeck im Trainingslager nach einer nächtlichen Konfrontation suspendiert wurde, Alexander Schwolow keine Rolle spielt, Oliver Christensen gehen soll und Tjark Ernst - Sohn des früheren Lautrer Keepers Thomas Ernst - talentiert, aber noch wenig erfahren ist. Nun, einer der sechs Torhüter wird wohl am ersten Spieltag schon im Kasten stehen ...

Und sonst? Mit Stürmer Fabian Reese von Holstein Kiel und Abwehrkante Toni Leistner - dem vom Anhang aufgrund seiner Union-Vergangenheit schon ein gepflegtes "Verpiss dich" entgegen geknallt wurde - wurden zwei bekannte Akteure verpflichtet, während Stürmer Smail Prevljak in Deutschland eher nur Fachleuten bekannt sein dürfte. Jeremy Dudziak von Fürth komplettiert die bisherigen Transfers - bei den derzeitigen und kolportierten weiteren Abgängen wird es schwer, auch diesmal direkt wieder ans Tor zur Bundesliga zu klopfen. Dazu Unruhe im Umfeld, ein aufgeblähter Kader und der schleichende Niedergang der letzten Jahre - wenn das Team nicht noch echte Verstärkungen erhält, wird es schnell ungemütlich werden.

Die Fans: Während Schalke mit vollem Haus plant, ist die Hertha im überdimensionierten Olympiastadion weit davon entfernt. Trotzdem lässt sich feststellen, dass sich die Ostkurve und die gesamte Fangemeinde seit den oft tristen FCK-Gastspielen vor dem Bundesliga-Abstieg 2006 stark weiterentwickelt haben: Letzte Saison lag Berlin mit über 53.000 Besuchern hinter Schalke auf Platz 4 der Bundesliga-Zuschauertabelle, mitbedingt durch mehrfache Gästefan-Zahlen von 15.000 und mehr (jedem FCK-Fan sei daher schon jetzt das Auswärtsspiel am Christi-Himmelfahrt-Wochenende im Mai 2024 ans Herz gelegt), aber schon auch aus eigener Kraft. Ein gewisser Run auf den Hauptstadtklub lässt sich bei genauem Blick auch aktuell noch feststellen. Die Anzahl der verkauften Dauerkarten übertrifft bereits jetzt das Niveau des kompletten Vorjahres, zudem sind in den Wochen nach dem Abstieg über 1.500 Neumitglieder dem Verein beigetreten. Der von einigen gewünschte gemeinsame Aufstieg mit den Freunden des KSC dürfte dennoch eher unrealistisch sein. Gedanklich richten sich viele schon auf mehrere Jahre Zweitklassigkeit ein. Hertha BSC, der neue HSV?

Das Stadion: Noch spielt Hertha BSC im Olympiastadion - doch wie lange noch? Seit Jahren wird über einen Neubau diskutiert und möglicherweise kommt nun etwas Schwung in die Sache - ein 45.000 Zuschauer fassendes Stadion auf dem Olympiagelände ist im Gespräch. Doch das ist Zukunftsmusik, noch muss der Verein rund 75.000 Plätze füllen - was in der Zweiten Liga eher selten vorkommen wird. Zumindest kommt nun auch ein kleiner Verein wie Elversberg mal in den Genuss, ganz realistisch "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!" zu skandieren.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Sebastian Gliem

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