Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-DSC

Die DBB-Analyse: Späte Strafe für verpennten Start

Die DBB-Analyse: Späte Strafe für verpennten Start


Arminia Bielefeld kam, alles war angerichtet für einen großen Fußballnachmittag, und wieder mal sah es nach einem Happy End für die Mentalitätsmonster des 1. FC Kaiserslautern aus. Diesmal aber folgte der Fußballgott einem anderen Drehbuch.

Ärgerlich ist nicht nur die zweite Heimniederlage in Folge. Sondern auch, dass für den FCK nun aus den vergangenen zehn Partien lediglich ein Sieg zu Buche schlägt. Der 2:0-Erfolg gegen den Hamburger SV war aber auch der einzige in dieser Reihe, bei dem die Roten Teufel die 1:0-Führung erzielten.
Und dieser Makel lässt sich sogar noch weiter zurückverfolgen. In den ersten sechs Saisonpartien schossen sich die Lautrer drei Mal in Front, in den anschließenden 26 Partien aber gelang es ihnen nur noch sechs Mal, den ersten Treffer zu markieren. Das wächst sich also zu einer ernstzunehmenden Schwäche aus. Sicher, sie haben öfter als jede andere Mannschaft Rückstände egalisiert oder Spiele komplett gedreht. Aber statt fortwährend die "Mentalitätsmonster" zu feiern, wird’s nun es langsam Zeit, die Spätaufsteher ein wenig schärfer zu bekritteln. Denn vom Spätaufsteher ist es nur ein kleiner Schritt zur "Schlafmütze". Zu hart? Nicht, wenn man dieses Spiel gesehen hat.

Arminia startet strukturierter, dominanter, vom FCK ist nichts zu sehen

Durfte man nach der 0:1-Heimniederlage in Rostock durchaus noch anerkennen, dass die Hausherren wenigstens vom Anpfiff weg die Initiative übernommen hatten, ehe sie mit einem Gegentreffer geschockt wurden, verpennten sie diesmal die ersten 25 Minuten total. Und die Gäste markierten ihren Führungstreffer nach 15 Minuten keinesfalls aus heiterem Himmel, sondern hatten bereits einige gute Toraktionen verzeichnet. Schon nach fünf Minuten hatte FCK-Keeper Andreas Luthe einen Kopfball von Bryan Lasme aus kurzer Distanz gerade noch über die Latte lenken können.
Daran gibt es nichts zu rütteln: Die Arminen verfügten über die strukturiertere Spielanlage, waren sogar nach der Führung noch die dominantere Mannschaft auf dem Feld. Und das vor den Augen von großen Teilen der FCK-Meistermannschaft von 1998, die ihren Gegnern in diesem Stadion einst ordentlich Feuer unterm Hintern machte. Zum 25. Jubiläum des letzten Lautrer Titelgewinns hatten sie sich sicher gerne leidenschaftlicher auftretende Nachfolger auf dem Rasen gewünscht.

Lautern wieder mit Klement und Rapp

Dabei hatte Trainer Dirk Schuster das Seinige getan, in seiner Startelf das fußballerische Element zu betonen. Wie erwartet, war Edeltechniker Philipp Klement in die Startelf zurückgekehrt, auch der technische versierte Aufbauspieler Nicolai Rapp durfte wieder von Beginn an ran.
Das Team formierte sich zunächst wie gewohnt in einem 4-2-3-1. Im Spiel gegen den Ball rückte Klement zur Sturmspitze Terrence Boyd auf, um sich gegen die Bielefelder Hintermannschaft zu positionieren - von "Attackieren" kann allerdings keine Rede sein. Um Zuspiele in den Sechserraum zu unterbinden, rückte Rapp nach vorne, wo er meistens eng am Deutsch-Griechen Sebastian Vasiliadis klebte. Die anderen beiden zentralen Mittelfeldspieler der Arminen durften sich freier bewegen, so dass es kein Zufall war, dass Jomaine Consbruch den Führungstreffer erzielte. Sein Schuss aus dem Rückraum nach Zuspiel von Fabian Klos wurde allerdings noch abgefälscht.

Schuster stellt um: Vieles wird besser, aber nicht alles

Noch 25 Minuten formierte Schuster dann neu. Stellte auf 3-4-1-2 um. Rapp bildete mit Robin Bormuth und Boris Tomiak nun eine Dreierkette, Aaron Opoku rückte auf die Zehn, Philipp Hercher bildete mit Boyd eine Doppelspitze. Und Klement baute als Sechser neben Julian Niehues das Spiel aus der Tiefe auf.

Die Umstellung nahm die weiter gut geordnete Arminia nicht schlagartig aus dem Spiel, machte aber vieles besser. Vor allem verzeichnete der FCK endlich vielversprechende Offensivaktionen. Nach einer Linksflanke von Hendrick Zuck verpassten Hercher und Boyd knapp. Nach einer mit linkem Fuß geschlagene Klement-Flanke von rechts erwischte Hercher den Ball mit dem Kopf, vermochte diesen aber nicht gut genug zu platzieren.

Warum nicht mal 3-4-1-2 von Beginn an?

Mit Zuck und Klement sind auch die beiden Spieler genannt, die bis zum Abpfiff wirklich jede Lautrer Toraktion einleiteten, und davon gab es zunehmend mehr. Zumal die Gastgeber in der zweiten Hälfte endlich die Zügel in die Hand nahmen. 69 Prozent Ballbesitz gegenüber 46 Prozent in Halbzeit eins - das sagt zwar noch nichts über Effizienz vor dem Tor, aber dennoch einiges über die Spielanlage aus. Nahezu alles lief über die linke Seite. Was einmal mehr bestätigt, dass Zuck als linker "Schienenspieler" noch einen Tick stärker ist denn als linker Verteidiger.

Und es stellt sich die Frage: Nachdem auch vor Wochenfrist beim 3:3 Nürnberg nach dem 1:3 die Umstellung auf ein 3-4-1-2 nachhaltig das Spiel nach vorn verbessert, warum probiert es Schuster damit nicht einmal von Anfang an? Mit einer Dreierkette so richtig Schiffbruch erlitten hat der FCK in dieser Saison nur beim 0:2 in Magdeburg, ansonsten hat diese sich eigentlich immer positiv aufs Spiel ausgewirkt.

Sieh an: Lars Bünning darf mal ran

Interessant auch die personellen Wechsel in der zweiten Hälfte: Kenny Redondo kam für Opoku und übernahm auch dessen Zehner-Position. Ideal ist diese für beide nicht, sie sind gelernte Flügelspieler. Redondo aber füllt die Rolle mit mehr Erfahrung aus. Dann kam Lars Bünning für Bormuth. Sein zweiter Saisoneinsatz erst, sein erster in der Hinrunde hatte allerdings nur eine Minute gedauert. Das klingt, als beginne Schuster auf den letzten Metern der Saison nun doch noch das Experimentieren. Ist aber insofern folgerichtig, als dass Bormuth mit einer Gelben Karte vorbelastet war und die Rolle des linken Innenverteidigers in einer Dreierkette Bünnings Idealposition ist.

Sofort ins Rampenlicht rückte Bünning allerdings bei einem Offensiveinsatz. Er kam im Gästestrafraum zu Fall, worauf Schiedsrichter Martin Thomsen und der VAR über fünf Minuten benötigten, um auszubaldowern, dass kein Elfmeter gepfiffen werden kann, da vorher bereits eine strafbare Abseitsposition vorlag. Auch so kann man ein mit 41.362 Zuschauern prall gefülltes Stadion zum Kochen bringen.

De Preville, Hanslik, Lobinger kommen - Schuster versucht alles

Rapp wechselte nach Bünnings Einwechslung nach rechts. Als nächster kam Nicolas de Préville für Hercher - und zeigte direkt, dass er sich in engen Räumen besser durchsetzen kann als jeder andere FCK-Stürmer. Es folgte Daniel Hanslik für Niehues. Mit dem gelernten Stürmer auf der Mittelfeldposition ging Schuster noch mehr Risiko. Was ums Haar belohnt worden wäre: Hanslik setzte in der Nachspielzeit eine Freistoßflanke von Klement aufs Tor, die DSC-Keeper Martin Fraisl gerade noch vor der Torlinie erwischte.
Und in der 84. Minute kam Stürmer Lex Tyger Lobinger für Zuck. Redondo wechselte daraufhin auf die linke Seite, de Préville auf die Zehn. Und Lobinger markierte das 1:1. Nach einem Freistoß-Kick vom Klement, den Boyd kaum merklich verlängerte. Wieder mal also ein Jokertor für den FCK.

Und da dank der durch den VAR bedingten Spielverzögerung eine Nachspielzeit von neun Minuten festgelegt wurde, durfte sich das Publikum anschließend an einer kompletten Viertelstunde Betze-Fußball erfreuen, in der die Hausherren noch einmal so richtig aufdrehten. Und in der eigentlich nur sie noch den Siegtreffer erzielen konnten. Weil sie doch "Mentalitätsmonster" sind und der Fußballgott an diesem Tag, an dem der Titelgewinn von 1998 gefeiert wird, ja wohl keinem anderen Drehbuch folgen kann.

Oder?

Von wegen. Es kann es eben doch.

Der Schlag zum Schluss: Harte Strafe für verschnarchten Start

In der 97. Minute darf der eingewechselte Marc Rzatkowski einen kurzen Einwurf vollkommen unbedrängt annehmen. Und flanken. Auf den ebenfalls eingewechselten Janni Serra, diesen eigentlich recht veranlagten Stürmer, der aber schon die komplette Rückrunde durchhängt und noch keinen einzigen Treffer erzielt hat. Und ausgerechnet der macht das 2:1 für Bielefeld. Abpfiff.

"Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen." Hätte Bertolt Brecht gesagt. Andere vielleicht: "So ist Fußball nunmal." Oder, noch kürzer: "Shit happens." Könnte alles passen - wenn nicht die eingangs geschilderten Ärgernisse wären. Denn auch wenn die Niederlage fast mit dem Schlusspfiff besiegelt wurde - bestraft wurde damit der verpennte Start ins Spiel.

Boyd sah gegen Andrade und Jäkel kaum Land

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline bestätigt noch einmal: Aufgrund der überlegen geführten ersten Halbzeit steht die Arminia am Ende dennoch als die insgesamt torgefährlichere Mannschaft da.

xG-Dynamik FCK-DSC

Zur Positions- und Passgrafik: Bei dieser dürfte es sich um die merkwürdigste der gesamten Saison handeln. Wer den Ball haben wollte, musste sich zentral anbieten. Zucks Flanken Richtung Boyd und Hercher in den Strafraum waren ohne Frage gut, erreichten meist aber nicht den vorgesehenen Empfänger, drum existieren da keine Linie. Zimmer flankt zwar nicht so gut wie Zuck, ist offenbar aber eine wichtige Verteilstation.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Position- und Passgrafik der Bielefelder. Das sieht einfach strukturierter aus.

Passmap DSC

Zum Abschluss wieder mal die von "Wsycout" entnommene Überkreuzgrafik der gewonnenen Duelle. Dass Terrence Boyd einmal mehr in die meisten Zweikämpfe gehen musste, überrascht nicht. Diesmal aber sah er gegen DSC-Innenverteidger Andres Andrade überhaupt kein Land, gegen Frederik Jäkel nicht viel. Interessant auch, wie präsent Bielefelds rechter Flügelstürmer Bryan Lasme in den Zweikämpfen war. Auch er zählt zu den zahlreichen Arminia-Spielern unter 25, die enormes Entwicklungspotenzial haben, in dieser Saison aber nicht richtig vorwärts kamen.

Zweikampf-Duelle FCK-DSC

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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