Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-HSV

Die DBB-Analyse: Schuster-Style at its best

Die DBB-Analyse: Schuster-Style at its best


Zum Traditionstag große Oper. Bei diesem 2:0 des FCK gegen den HSV traten die Heldentenöre allerdings erst im vierten Akt auf. Und der Hauptdarsteller stand während der gesamten Aufführung nur neben der Bühne.

Eines vorweg: Wir wissen nicht, wie es dereinst einmal enden wird mit dem Trainer Dirk Schuster und dem 1. FC Kaiserslautern. Ob er zu den vielen Übungsleitern gehören wird, die am Ende davongejagt wurden, oder zu den wenigen, die erhobenen Hauptes gehen durften. Eines aber hat Schuster schon jetzt mit Legenden wie König Otto und King Kalli gemein: Er zieht sein Ding konsequent durch, lässt sich weder von anderslautenden Meinungen noch von scharfer Kritik aus dem Umfeld beeinflussen.

Gegen den Hamburger SV startete er wieder mit einer Dreierkette, obwohl der letzte Versuch in dieser Richtung beim 0:2 in Magdeburg allgemein als missglückt gewertet worden war. Und in seinem neu formierten 3-4-1-2 nominierte der Coach nicht Philipp Klement, auch nicht den zuletzt dort positionierten Marlon Ritter, sondern Ben Zolinski, der spätestens seit vergangener Woche ein schweres Standing bei den Fans hat, nachdem er beim 0:1 in Braunschweig mindestens eine sogenannte "Hundertprozentige" versiebte. Und Terrence Boyd, seinen besten Torschützen, auf den er bislang noch nie verzichtet hatte, setzte er kurzerhand auf die Bank.

Ohne jetzt unter dem Eindruck dieses großen Fußballabends allzu schwelgerisch klingen zu wollen: Schuster lag mit all diesen Entscheidungen richtig, nachdem sein Matchplan in Braunschweig eine Woche zuvor oft kritisiert worden war. Sein Meisterstück machte er dann mit seinen Einwechslungen in der zweiten Halbzeit: Mit Boyd und Aaron Opoku erzielten gleich zwei Joker die Tore zum Sieg. Insgesamt gehen nun 15 Saisontreffer des FCK aufs Konto von Einwechselspielern - kein Kollege Schusters verfügt bislang auch nur annähernd über ein derart goldenes Händchen.

Wieder kam die beste Offensive - und wieder sah sie kein Land

Die Dreierkette funktionierte, weil sie vom breit aufgestellten Dreiersturm des HSV nie entscheidend auseinandergezogen werden konnte. Dafür sorgte das davor angeordnete Mittelfeldquartett, aus dem sich bei Bedarf immer mindestens ein Akteur in die hintere Reihe zurückfallen ließ, um den Raum zu verdichten. Wiederholt Probleme hatte der Defensivverbund lediglich auf der linken Abwehrseite, dort war allerdings mit Bakery Jatta ein überragender Einzelspieler unterwegs.

Nachdem die Hanseaten vergangene Woche gegen Hannover sechs Buden markiert hatten, kam erneut die beste Offensive der Liga nach Lautern. Vor zwei Wochen noch haftete dieses Etikett dem Gast aus Heidenheim an. Und wie das Team von Frank Schmidt seinerzeit verzeichnete auch das Ensemble von Tim Walter nach 45 Minuten die wenigsten Toraktionen in der bisherigen Spielzeit. Der Erfolg eines hochkonzentrierten FCK-Spiels gegen den Ball. "Uns kam es darauf an, defensiv-taktisch sauber zu arbeiten, nicht den Fehler zu machen, bei den vielen Positionswechseln des Gegners mitzulaufen, sondern eher in Korridoren und in Räumen zu denken und die Leute zu übergeben", erklärte Dirk Schuster nach dem Spiel.

Dabei hatten die Rothosen in der ersten Halbzeit 67 Prozent Ballbesitz - und dennoch erst in der 44. Minute ihre erste Torchance: Anssi Suhonen verzog halblinks im Strafraum, nachdem ihn Mittelstürmer Robert Glatzel schön freigespielt hatte.

Zolinski als Zehner, der nicht zaubert, sondern arbeitet

Doch auch Lauterns Spiel nach vorne lief nur zäh an. Zolinski ist nun mal kein Zehner, der permanent mit Schnittstellenpässen glänzt. Dass er den Vorzug vor Klement erhielt, lag wohl eher daran, dass er weniger zaubern, sondern vor allem die Kreise von Sechser Jonas Meffert einengen sollte, der normalerweise den Takt in der Walter-Elf vorgibt. Meffert aber war kurzfristig ausgefallen, so dass der HSV-Trainer den sonst offensiver ausgerichteten Ludovit Reis auf die Position vor der Abwehr zurückzog. Den Slowaken weist "Wyscout" als "smartesten" Passgeber der Zweiten Liga aus, sowie als den Mittelspieler, der die meisten "progressiven Läufe" startet. Dieser Samstagabend aber wurde für Reis zum Albtraum: Vor beiden FCK-Treffern zeichnete er für die entscheidenden Ballverluste verantwortlich.

In der Anfangsphase machte sich zudem das Fehlen Boyds bemerkbar. Der wirkte zuletzt zwar nicht immer frisch und war vor Gegners Kasten nicht mehr so präsent, doch sind seine Mitspieler gewohnt, dass er sich stets auf der gesamten Breite des Spielfelds als Prellbock anbietet. Das neue Sturmduo Kenny Redondo und Nicolas de Préville indes wollte eher mit Pässen hinter die Abwehr in Szene gesetzt werden. Das gelang zunächst nur selten, doch wenn der Ball mal zum Franzosen kam, war’s jedes Mal ein Fest für Freunde des technisch feinen Fußballs. Wie er sich auf engstem Raum gegen seinen Gegenspieler durchsetzt, ihn manchmal sogar überlupft, das weckt Erinnerungen an Youri Djorkaeff, den größten Sohn der Grande Nation, der jemals das Trikot der Roten Teufel trug.

De Préville hatte nach 22 Minuten dann auch die erste gute Einschusschance für den FCK. Vorausgegangen war ein Abschlag von Keeper Andreas Luthe, der wohl nicht ganz so halbhoch geplant war, wie er dann tatsächlich übers Spielfeld flog. Und den Zolinski mit der Hacke auf den Franzosen weiterleitete, der aus halbrechter Position an Hamburgs Torsteher Daniel Heuer Fernandes scheiterte.

Da hatte der ansonsten unspektakuläre Zehner Zolinksi dann doch mal eine starke Offensivaktion. In Hälfte zwei fiel er nochmal durch ein Hinterhaltsgeschoss nach einer kurz abgewehrte Ecke von Hendrick Zuck auf.

Wie gehabt: Lautern weniger am Ball, aber gefährlicher

Und auch wenn die Gastgeber an dem mit 49.327 Zuschauer restlos ausverkauften Betzenberg kein Offensivfeuerwerk abbrannten: Nach etwa 25 Minuten wurden sie mutiger und gingen wiederholt in stets nur kurzzeitiges, aber druckvolles Angriffspressing über, das Hamburgs Abwehr direkt wackeln ließ. Gestartet wurden diese Attacken nach Einwürfen in Gegners Hälfte oder, wenn Heuer Fernandes das Spiel seines Teams mit kurzen Pässen aufzubauen versuchte.

Nach Wiederanpfiff glich die Lage daher ein wenig der im vorangegangenen Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim. Die Männer in Rot hatten zwar deutlich weniger Ballbesitz, waren aber einen Tick gefährlicher.

Im Heidenheim-Spiel setzte es dann eine eiskalte Dusche in Form eines Treffers von Tim Kleindienst. Die wäre, das muss gesagt werden, auch diesmal möglich gewesen. HSV-Verteidiger Miro Muheim traf nach 65 Minuten nur die Latte. Jatta hatte ihm das Leder in den Rückraum gelegt, nachdem Sonny Kittel am linken Flügel erstmals eine Flanke geglückt war.

Da half es den Betze-Buben möglicherweise, dass Tim Walter auf seiner rechten Abwehrseite zunächst mit Noah Katterbach, später mit Muheim zwei Linksfüße aufbieten musste. Denn der etatmäßige Rechtsverteidiger Moritz Heyer war ebenfalls kurzfristig ausgefallen. Hätte er seinen starken Linken einsetzen können, hätte Muheim bestimmt eher getroffen.

Nach 66 Minuten zieht Schuster den ersten Joker

So aber blieb es beim 0:0 - und Schuster konnte seine Joker ziehen. Nach 66 Minuten kamen Boyd und Philipp Hercher für Redondo und de Préville, neun Minuten später Daniel Hanslik für Zolinski - ebenfalls ein Zehner, der mehr mit Laufstärke und taktischer Disziplin auffällt als durch Zauberei. Boyd und Hercher waren es dann auch, die Heuer Fernandes in der 72. Minute so geschickt anliefen, dass diesem sein Abspiel auf die linke Abwehrseite zu unpräzise geriet. Reis unterlag im Zweikampf gegen Jean Zimmer, der startete Richtung Strafraum durch, flankte flach auf Boyd in der Mitte - und der machte allein mit seinem Hackentor diesen Abend unvergesslich.

In der 85. Minute brachte Schuster Opoku für Julian Niehues. Und während sich alle Welt noch fragte, wie und wieso ein Flügelstürmer bei einer solch knappen Führung kurz vor Schluss ausgerechnet einen so rustikalen Sechser ersetzen sollte, machte Opoku nach nur 35 Sekunden alle möglichen Antworten überflüssig. Hercher lief Reis davon, kam im Strafraum zu Fall, vermochte aber noch, den mitgelaufenen Ex-Hamburger ins Spiel zu bringen, und der vollstreckte.

Hanslik hatte später sogar noch die Möglichkeit, auf 3:0 zu erhöhen, aber das wäre dann wirklich too much gewesen. Und mehr Pfälzer Glückseligkeit wäre ohnehin nicht vorstellbar gewesen. Damit hat der FCK nun alle sechs Spiele gegen die Top 3 der Liga absolviert. Die Bilanz: Vier Remis, eine Niederlage, ein Sieg. Das ist mehr als ordentlich für einen Aufsteiger.

Entscheidend waren die Zweikämpfe im zentralen Mittelfeld

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline weist bei "11tegen11" ein 1,77 : 0,46 zugunsten des FCK aus, "bundesliga.de" und andere Anbieter künden von einem 1,51 : 0.55. Und das bei am Ende nur 34 Prozent Ballbesitz der Lautrer. Schusterscher Underdog-Style at its best.

xG-Plot FCK-HSV

Die Positions- und Passgrafik: Wegen des wenigen Ballbesitzes fast nur durchgehend kleine Spots, insgesamt aber eine ansehnliche Vernetzung. Interessant: Die Abwehrspieler suchten kaum einmal den Weg über die zentralen Mittelfeldspieler. Und Stürmer Kenny Redondo musste seine Mitspieler sehr entgegenkommen, um den Ball zu berühren.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Hamburger. Nicht so leicht zu erfassen, weil Sander Ijtsmas Software die Spots wieder mal weiß auf weiß zeichnete. Deutlich zu erkennen ist aber: Ohne Jatta konnte nach vorne gar nichts gehen beim HSV. Und die meisten Pässe wurden zwischen Innenverteidiger Schonlau und Keeper Heuer Fernandes gespielt. So verbreiten 66 Prozent Ballbesitz in der Tat weder Angst noch Schrecken.


Passmap HSV

Zum Schluss: Die beliebte Überkreuztabelle der geführten Duelle. Schnelllesern sei empfohlen, lediglich die Werte der zentralen Mittelfeldspieler auf beiden Seiten zu vergleichen. Bereits die sprechen Bände.

Zweikampf-Duelle BTSV-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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