Taktik-Nachlese zum Spiel BTSV-FCK

Die DBB-Analyse: Gescheitert am eigenen Spiegelbild

Die DBB-Analyse: Gescheitert am eigenen Spiegelbild

Foto: Imago Images

0:1 bei Eintracht Braunschweig. Die fünfte Zu-Null-Aus­wärts­nieder­lage in Folge. Die unnötigste von allen, und die, die am nachhaltigsten zeigte, woran es dem 1. FC Kaisers­lautern noch fehlt, um höhere Ansprüche stellen zu können.

Sinngemäß erklärte FCK-Coach Dirk Schuster hinterher, seine Mannschaft sei an sich selbst gescheitert. Weil sie die "Basics" nicht hundertprozentig umsetzte, die "Antennen nicht auf Sendung" gewesen seien. Das stimmt - und das nicht nur vordergründig. In gewisser Weise scheiterten die Lautrer auch an ihrem eigenen Spiegelbild. Denn die Braunschweiger gewannen, weil sie im Prinzip so spielten, wie es die Betzebuben in den erfolgreichen Phasen ihres bisherigen Saisonverlaufs getan hatten.

Das deutete sich schon in den ersten Minuten an. Die Roten, die diesmal keine Teufel waren, hatten den Ball zunächst fast ausschließlich allein im Besitz, ohne sich irgendwann mal Richtung gegnerisches Tor durchspielen zu können. Die Blau-Gelben dagegen empfingen den Gast tief in der eigenen Hälfte und lauerten auf die erste Möglichkeit zum Konter. Die sich in der achten Minute dann auch auftat.

Lion Lauberbach setzt auf der rechten Seite Maurice Multhaup in Szene, der flankt. Der nicht sehr groß gewachsene, aber kopfballtechnisch sehr gewandte Mittelstürmer Anthony Ujah hat sich hinter dem langen Pfosten freigelaufen, köpft in die Mitte, Robin Bormuth putzt den Ball von der Torlinie.

Kennen wir das nicht? Einer hat den Ball, der andere die Chancen

In diesem Stil ging es weiter. Der FCK hatte öfter den Ball, der BTSV die klareren Tor-Aktionen. Schuster-Style also, aber mit vertauschten Trikots. Wobei Ausnahmen auch in diesem Fall die Regel bestätigen: Die gute Chance von Anton Donkor in der elften Minute erspielte sich die Eintracht tatsächlich mal aus einer Ballbesitzphase. Dergleichen gelang den Gästen aus der Pfalz nicht ein einziges Mal.

Ansonsten schlossen die Gastgeber ihr Vorwärtsspiel lieber mit Distanzschüssen ab, wenn der Gegner sich in der Defensive bereits formiert hatte. Deren Einschlagswahrscheinlichkeit ist statistisch gesehen zwar wesentlich geringer als allgemein vermutet wird, aber man kann ja nie wissen. Außerdem halten gut angesetzte Weitschussversuche den Adrenalinspiegel im Publikum hoch.

Einigermaßen gefährlich zu werden vermochten beide Teams aber nur aus Umschaltsituationen. Und wenn beide nur auf diese Qualität vertrauen, fragt man sich als Betrachter bisweilen, wann es endlich mal soweit kommt, dass Einwürfe bewusst zum Gegner geschleudert werden, nach dem Motto: Nehmt ihr doch den Ball, damit wir auf Konter lauern können ...

Ritter zeigt kurz vor der Pause: Fußball kann so schön sein

Wobei der FCK diesmal auch mögliche Umschaltaktionen reihenweise verschenkte, weil schon der erste Pass direkt wieder beim Gegner landete. Die erste mit Torabschluss glückte erst kurz vor der Pause. Ausgangspunkt war Marlon Ritter, der, um sie einzuleiten, zuerst tief in der eigenen Hälfte elegant einen Gegenspieler überlupfte, um kurz darauf am gegnerischen Strafraum mit der Hacke den halblinks einlaufenden Daniel Hanslik zu bedienen - Fußball kann so schön sein, wenn er schön gespielt wird. Hansliks anschließender Linksschuss allerdings war nicht wirklich gefährlich.

Zuvor hatte Ritter schon mal einen Freistoß aus 20 Meter auf den Kasten von Eintracht-Keeper Ron-Thorben Hoffmann gezirkelt. Das gab dem Vertreter von Stammtorhüter Jasmin Fejzic die Gelegenheit zu einer schön anzusehenden Flugparade. Bei genauerer Betrachtung in der Wiederholung zeigte sich jedoch: Der Ball kam halbhoch und ziemlich mittig aufs Tor, seine Abwehr war für einen Profi-Torhüter nicht gerade ein Hexenwerk.

Formations-Verschiebungen: Ein paar Notizen für Nerds

Ansonsten hielt diese erste Halbzeit nur für Nerds ein paar mehr oder weniger interessante Beobachtungen bereit. Etwa, was taktische Anpassungen oder Weiterentwicklungen angeht. BTSV-Trainer Michael Schiele hatte den lange verletzten Brian Behrendt wieder in seine Defensive eingebaut - auf dem Papier als Rechtsverteidiger, obwohl er eigentlich Innenverteidiger ist. Und da auf der gegenüberliegenden Abwehrseite Donkor für sein Leben gern marschiert, formierte sich die Braunschweiger Hintermannschaft zu einem gewöhnlichen Zwitter aus Dreier- und Vierkette - so etwas ähnlich Asymmetrisches hatte Marco Antwerpen seinerzeit in Kaiserslautern mal zusammengeknoddelt.

Der FCK versuchte es im Grunde wieder mit der Grundordnung vom 2:2 gegen Heidenheim in der Vorwoche: 4-2-3-1 mit, 4-4-2 ohne Ball. Philipp Hercher war für den angeschlagenen Aaron Opoku in den Startelf gerückt, außerdem ersetzte Hendrick Zuck als Linksverteidiger Erik Durm. Dabei fiel auf: Boris Tomiak profiliert sich als Sechser zunehmend auch als erster Aufbauspieler, lässt sich dazu häufig zwischen die beiden Innenverteidiger fallen. Im Eintracht-Stadion hatte er außerdem noch eine Spezialaufgabe: Als fast klassischer "Manndecker" den besten Braunschweiger Immanuel Pherai aus der Partie zu nehmen, der von Trainer Schuster als "Unterschiedsspieler" des Gegners identifiziert wurde.

Ritter mit Distanzschuss - die falsche Entscheidung

Ritter wiederum stand auch beim erstem ordentlich vorgetragenen Konter der Pfälzer in Hälfte zwei im Mittelpunkt. Da versuchte er sich aus 20 Metern mal an einem Distanzschuss, der für Hoffmann aber ebenfalls keine Gefahr darstellte. Damit hatte Ritter die falsche Entscheidung getroffen: Links und rechts waren Hanslik und Hercher mitgelaufen, und das jeweils ohne blaugelbe Begleitung.

Nun ergriffen die Hausherren endlich mal die Initiative, und der FCK hatte im Folgenden ein Flankengewitter durchzustehen, das sowohl aus Ecken als auch aus Flügelangriffen resultierte, bei denen die Außenverteidiger nicht gut aussahen. In der Mitte räumten aber Bormuth, Kevin Kraus und - bezeichnenderweise - Mittelstürmer Terrence Boyd gut ab. So dass beim Gäste-Anhang trotz der Bedrängnis allmählich die Hoffnung keimte, jetzt könnten die Ihren doch öfter mal zum "Umschalten" kommen.

Zwei Wechsel, die sich unterschiedlich auswirkten

Zumal sich auch ein Unglücksfall auf Seiten der Gastgeber - so ist Fußball eben auch - zu ihren Gunsten auszuwirken schien: BTSV-Zehner Pherai, der bis dato fast an jeder Offensivaktion seines Teams beteiligt war, aber von Tomiak dabei meist gut gestört wurde, musste verletzt raus. Bei einem Zweikampf mit Kraus hatte er die Balance verloren, und im Fallen hatte ihn Kraus mit dem Schienbein getroffen. Auch die Männer in Rot hatten bereits einen verletzungsbedingten Wechsel vornehmen müssen, aber der hatte sich eher positiv ausgewirkt: Julian Niehues war in der Pause für Nicolai Rapp gekommen.

Niehues profilierte sich nicht nur als stabilisierendes Element im Mittelfeld, sondern zeichnete auch alsbald für eine weitere Tor-Aktion des FCK verantwortlich. Seinen kernigen Schuss, halbrechts von der Strafraumkante abgezogen, konnte Hoffmann nur abklatschen. Niehues hatte sich den Ball zurückgeholt, nachdem Donkor einen Konter über den ebenfalls eingewechselten Tyger Lobinger unterbunden hatte. Jetzt kann man sagen: Starke, energische Rückeroberung eines zweiten Balles. Aber auch: Donkor hat einfach nur einen haarsträubenden Fehlpass gespielt.

Ujahs Tor: Eine Kopie des Kwarteng-Treffers? Nicht ganz

Und als sich die Betrachter auf beiden Seiten langsam damit anfreundeten, dass diese Begegnung wohl auf ein torloses Unentschieden hinauslaufen würde, knallte es doch noch. Auf den ersten Blick war Ujahs Treffer eines Kopie des Tores, das der Magdeburger Moritz Kwarteng vor ein paar Wochen gegen den FCK erzielte. So wie damals Jason Ceka legte diesmal Maurice Multhaup seinem Stürmer den Ball mit einem präzisen Pass durch die Mitte auf, und der bewegte sich mit gutem Timing in den Passweg und vollstreckte. Wobei Ujah den fürs Auge schöneren Ball spielte: Er lupfte ihn über den herausstürzenden Andreas Luthe hinweg.

Auf den zweiten Blick ergibt sich beim Vergleich der Szenen jedoch ein gewaltiger Unterschied: Die Magdeburger erspielten sich die Chance aus einer Ballbesitzphase, die Braunschweiger aus einer Balleroberung im Mittelkreis. Jannis Nikolaou ertrotzte sich das Leder gegen Niehues und Tomiak. Grenzwertig, aber unterm Strich erwischte er bei seiner Grätsche mehr Ball als Gegner.

Zolinski der Sündenbock? Das bringt doch nichts

Und, ja, dann kam es noch zu den beiden Szenen, die bei der Betrachtung der Kurzzusammenfassungen des Spiele zum Schluss führen, das hätte - mindestens - noch der Ausgleich für den FCK "sein müssen". Erst schoss der eingewechselte Ben Zolinski aus vier Meter freistehend vor dem leeren Tor an die Latte, dann vermochte der gleiche Spieler einen Eckball aus ungefähr der gleichen Entfernung nicht mit dem Kopf im Kasten unterzubringen. Aber wem hilft es, Zolinski jetzt zum Sündenbock zu erklären? Lautern hat dieses Spiel aus anderen Gründen verloren.

Den Eckball hatte der eingewechselte Philipp Klement getreten. Die erste Zolinski-Chance hatte der ebenfalls eingewechselte Nicolas de Préville mit einer bockstarken Aktion über die rechte Seite vorbereitet. Beide sind übrigens Spieler, auf die man eigentlich nicht verzichten kann, wenn man einen tiefstehenden Gegner bespielen will.

Jetzt gegen Hamburg: Da darf es wieder Schuster-Style sein

Im kommenden Heimspiel am Samstagabend gegen den Hamburger SV wird dergleichen eher nicht vonnöten sein. Der Aufstiegsfavorit wird auch im Fritz-Walter-Stadion dominant auftreten wollen, sodass der FCK wieder die abwartende Spielanlage pflegen kann, mit der er in der Hinrunde so gut punktete. Die nächsten Gegner allerdings heißen Regensburg, Rostock und Nürnberg. Da wird mehr Initiative gefragt sein, sonst wird sich die Ergebnisflaute weiter fortsetzen. Seit dem 20. Spieltag hat der FCK nur fünf Punkte geholt. Lediglich Hansa Rostock und der SV Sandhausen waren noch weniger erfolgreich. Das muss angesichts eines immer noch guten siebten Tabellenplatz keine Abstiegsängste mehr auslösen, sollte aber alarmierend genug sein, sich bis Saisonende noch einmal zu berappeln.

xGoals, Zweikampfbilanz, Passquote: Diesmal alles nichts wert

Vor allem sollte man sich in diesem Fall mal nicht von den Statistiken blenden lassen. Etwa vom xGoals-Ergebnis, nach dem der FCK vorne liegt, aber nur wegen der ausgelassenen Zolinski-Chancen.

xG-Plot BTSV-FCK

Lautern verzeichnet auch mehr gewonnene Zweikämpfe (104:94) und die bessere Passquote (80:76 Prozent) - und doch sollte das nicht trösten (Quelle: bundesliga.de). Die Positions- und Passgrafik zeigt schon eher, woran es haperte.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Gegner: Die Braunschweiger hatten zwar weniger Ballbesitz, haben insgesamt als Mannschaft aber besser zusammengespielt.

Passmap BTSV

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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