Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Fürth

Die DBB-Analyse: Erst die Rochade, dann die Raute

Die DBB-Analyse: Erst die Rochade, dann die Raute


Wie vertrackt so ein Spiel Elf gegen Zehn doch werden kann - wenn zwei Trainer an der Seitenlinie stehen, denen immer noch was Neues einfällt. Das 3:1 des 1. FC Kaisers­lautern über die SpVgg Fürth bot dafür ein Lehrbeispiel.

Zunächst mal: FCK-Coach Dirk Schuster kehrte für diese Partie wieder zur Viererkette zurück. Und diese Entscheidung hing nicht damit zusammen, dass Robin Bormuth, der vor Wochenfrist beim 0:1 in Paderborn noch die Dreierkette komplettierte, kurzfristig ausfiel. Wie der Trainer nach dem Spiel erzählte, tendierte er schon unter der Woche zum Viererriegel - und seinem Plan A zufolge hätte Bormuth sogar zur Startelf gehört. Also hätte eigentlich ein anderer Defensivspieler weichen sollen. Wer? Dass Schuster dies verriet, glaubt hoffentlich niemand ernsthaft.

Dass der gegnerische Trainer plante, seine Jungs früh ge- und entschlossen anlaufen zu lassen, überraschte insofern nicht, als dass man dies von Mannschaften Alexander Zornigers gar nicht anders kennt. Möglicherweise aber haben die Hausherren die Gäste überrascht, denn die kamen in den ersten Minuten gar nicht dazu, im gegnerischen Verteidigungsdrittel Balljagden zu veranstalten. Denn dort war das Leder gar nicht zu finden.

Die Roten Teufel nämlich setzten ihrerseits auf frühes Pressing, attackierten gleich mit fünf Mann tief in der gegnerischen Hälfte. Kenny Redondo hätte ums Haar schon nach vier Minuten den Führungstreffer markiert. Erst eroberte sich der linke Flügelmann das Leder von Fürths rechtem Innenverteidiger Sebastian Griesbeck, dann nagelte er es an den kurzen Pfosten.

Fürths Pressing stresst den Capitano - Zur Pause kommt Durm

Bald schon aber signalisierte ein Distanzschuss von Kleeblatt-Stürmer Ragnar Ache, dass sich die Gäste nicht dauerhaft hinten rein drängen lassen wollten. Und, siehe da, nach zehn Minuten boten sie immer wieder Kostproben ihres energischen Pressings. Probleme damit hatte vor allem Jean Zimmer auf der rechten Abwehrseite, der für einige Ballverluste verantwortlich zeichnete. Zur Halbzeit nahm Schuster den Capitano vom Feld. "Er hatte keinen guten Tag, war auch mit sich selbst unzufrieden", bestätigte der Trainer hinterher, "sowas gibt's" nunmal in einem Fußballer-Leben.

Nicht nur des Anstands, sondern auch der Vollständigkeit wegen darf aber nicht vergessen werden. Beim Führungstreffer seines Teams nach 22 Minuten war Zimmer aktiv mitbeteiligt. Erst leitete er mit einem langen Ball auf den rechten Flügel eine Angriffsaktion von Aaron Opoku und Philipp Klement ein. Als diese abgewehrt wurde, beteiligte er sich noch im Angriffsdrittel am erfolgreichen Gegenpressing. Auf sein Zuspiel setzte Klement Nicolai Rapp am rechten Flügel eint, der mit exzellentem Timing in die Mitte passte. Redondo fälschte die flache Flanke noch ab, ehe Terrence Boyd einschoss, so dass ihm die Vorlage zuzuschreiben ist.

Schade für Rapp: Schon vor Wochenfrist in Paderborn hatte er mit ähnlichen feinem Zuspiel Boyd bedient, da aber hatte dieser nur die Latte getroffen ... Das mit den Assist-Punkten wird aber noch werden, so oft, wie der Winter-Neuzugang mit überlegten Pässen auffällt.

Die Marker vor der Pause: Platzverweise und Redondo-Aus

Bis zur Pause prägten anschließend zwei Szenen die Partie, die sich nicht unmittelbar vorm Tor abspielten. Erst sah Simon Asta die Ampelkarte, dann musste der bis dahin bärenstarke Redondo verletzt raus, Philipp Hercher kam.

Lautern nun also mit elf Mann gegen zehn. Doch spätestens seit dem glücklichen 3:2-Sieg der Betze-Buben in Bielefeld am 15. Spieltag wissen wir: Das muss kein Vorteil sein. 1:0 und ein Mann mehr, das verpflichtet eigentlich, das Spiel zu machen und den Gegner hinterher laufen zu lassen. Allerdings: Mit einer Führung im Rücken will man doch nicht so blöd sein, einen plötzlichen Ballverlust und einen Konter zu riskieren ... Aus diesem Dilemma entwächst dann schnell mal Krampf.

Kompliziert, aber gut: Zornigers Tüfteleien für Hälfte zwei

Hinzu kam, dass Fürth-Coach Zorniger sich noch lange nicht geschlagen geben wollte. Zur Pause baute er sein 3-5-2 um, und das in einer Art und Weise, auf die man erstmal kommen muss. Trotz Rückstand nahm er mit Griesbeck und Damian Michalski von zwei von seinen drei Innenverteidigern raus. Der dritte, Oussama Haddadi, gab fortan den linken Außenverteidiger einer Vierkette.

Für die rechte Abwehrseite war bereits nach Astas Platzverweis Marco Meyerhöfer gekommen, für ihn hatte der Trainer Stürmer Armindo Sieb aus dem Spiel genommen. Das Innenverteidiger-Pärchen bildeten nun Gideon Jung, den Zorniger aus dem defensiven Mittelfeld zurückzog, sowie Luca Itter, der bis dato auf der linken Außenbahn zuhause war.

Die Überlegung hinter den Rochaden? Vermutlich wollte Zorniger in seiner hinteren Viererreihe mehr Speed sehen. Denn die rückte nun mutig auf, der Unterzahl zum Trotz. Das Mittelfeld des Kleeblatts formierte sich zur Raute, wobei Zehner Branimir Hrgota die verbliebene Spitze Ache permanent unterstützte. Zudem brachte Zorniger die offensiv versierten Mittelfeldspieler Julian Green und Lukas Petkov als Achter.

Ausgleich mit Ansage - doch der Krampflöser folgt auf dem Fuße

Diese neue Formation funktionierte gegen zunehmend konturloser werdende Lautrer hervorragend. Vom Wiederanpfiff weg beherrschte das zehnblättrige Kleeblatt elf Rote Teufel im eigenen, mit 39.124 Zuschauern wieder mal sehr gut gefüllten Fritz-Walter-Stadion. Der aufgerückte Meyerhöfer traf nach 50 Minuten die Latte, Hrgota hatte geflankt - "ein Warnschuss, den wir überhört haben", gab Dirk Schuster hinterher zu. Zwölf Minuten später war es soweit: Die eingewechselten Meyerhöfer, Green und Petkov durften sich munter durchs Mittelfeld kombinieren, Hrgota Durm düpieren - und schon stand es 1:1.

Damit drohte das Lautrer Spiel noch mehr zu verkrampfen. Doch schon wenige Augenblicke später gelang den Schuster-Jungen endlich eine Aktion, bei der sie sich ihre Überzahl zunutze machten. Ballgewinn Klement, ein erster Diagonalball auf Boyd, ein zweiter Diagonallball in den Lauf des in den Strafraum eindringenden Opoku. Der war seit Herchers Einwechslung auf dem linken Flügel unterwegs und schien sich dort wesentlich wohler zu fühlen. Mit viel Gefühl flankte Richtung langer Pfosten, wo Hercher einmal mehr seine Vollstrecker-Qualitäten unter Beweis stellte. 2:1.

Als dann nochmal drei Minuten später Kevin Kraus nach einer Klement-Ecke und abgewehrtem Boyd-Kopfball den dritten Treffer für den FCK markierte, schien das Spiel gelaufen. Oder? Nochmal zwei Minuten stand Ache nach einem langen Ball frei vor Luthe, lupfte den Ball aber nicht nur über den Keeper, sondern auch am Tor vorbei.

Und dann tüftelt Schuster: Raute kontert Raute

Jetzt platzte Dirk Schuster der Kragen. Und er wartete seinerseits mit einer Idee auf, die er sein Team in dieser Saison so noch nicht umsetzen ließ. Er konterte die Fürther Raute mit einer eigenen. Rapp agierte fortan allein auf der Sechs, Klement auf der Zehn, Ben Zolinski, der nach 60 Minuten für Marlon Ritter gekommen war, halbrechts, und Opoku, für ihn vollkommen ungewohnt, halblinks. Erst nach 86 Minuten ersetzte den gelernten Flügelstürmer mit Julian Niehues ein etatmäßiger Sechser, Rapp rückte dafür auf die Acht. Mit Opoku gemeinsam durfte Boyd vom Platz, für den Nicolas de Préville noch ein paar Minuten Einsatzzeit sammeln durfte.

Passiert war bis zum Schlusspfiff dann tatsächlich nicht mehr viel. Die Rauten hatten sich gegenseitig neutralisiert. "Ich bin ein bisschen sauer, aber mehr auf mich, dass wir mit den Wechseln zu spät reagiert haben", meinte Dirk Schuster hinterher. Passt schon, Trainer. Auf solche Ideen muss man ja auch erstmal kommen.

Rapp gegen Hrgota: Wir plädieren auf Unentschieden

Die xG-Timeline von "Wyscout" sieht den FCK mit 2,56 : 1,67 vorn, "bundesliga.de" und andere haben sogar ein 3,42 : 1,43 errechnet. Muss man beides nicht so ernst nehmen. Was die Fürther mit nur zehn Mann in der zweiten Hälfte aufzogen, war schon recht imposant, egal, was irgendeine PC-Software erkennt.

xG-Plot FCK-Fürth

Auch die Positions- und Passgrafiken gibt's diesmal von "Wyscout". Die sind schon üblicherweise nicht sehr übersichtlich, weil sie auch die Einwechselspieler mitberücksichtigen. Und wegen der vielen Rochaden speziell sind in diesem Spiel sind sie noch weniger aussagekräftig.

Passmap FCK

Dito die Positions- und Passgrafik der Gäste:

Passmap Fürth

Spannender ist da schon diese Überkreuztabelle, die über die geführten Zweikämpfe Aufschluss gibt. Überzeugend wieder mal Boris Tomiak, der sich überwiegend erfolgreich gegen Ragnar Ache behauptete, mit dessen Nachfolger Dickson Abiama aber Schwierigkeiten hatte.

Und das Duell des starken Nicolai Rapp gegen den nicht minder starken Branimir Hrgota? Lassen wir es enden wie den Kampf des schwarzen Ritters gegen König Artus bei Monty Pythons Suche nach dem Heiligen Gral: Plädieren wir auf Unentschieden.

Durchschnittliche Aufstellungslinie FCK-Fürth

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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