Taktik-Nachlese zum Spiel SCP-FCK

Die DBB-Analyse: Einfach unge-Heuer-lich

Die DBB-Analyse: Einfach unge-Heuer-lich

Foto: Imago Images

Das "Momentum" war erneut auf Gegners Seite. Der 1. FC Kaiserslautern kassiert beim SC Paderborn das zweite 0:1 in Folge, diesmal aber nach einem bemerkenswert konzentrierten Auftritt, der weiter Mut machen sollte.

Gleich auf fünf Positionen hatte Dirk Schuster seine Startelf gegenüber der Vorwoche verändert. Wobei es ihm, das wurde in den ersten Minuten klar, nicht darum ging, den nicht nominierten Spielern nach der insgesamt mauen Teamleistung beim 0:1 gegen den FC St. Pauli einen Denkzettel zu verpassen. Der Trainer hatte eine neue Grundordnung ausbaldowert und sein Personal entsprechend angepasst. Der nach Gelbsperre zurückgekehrte Boris Tomiak wurde Teil einer Dreierkette, die Schuster diesmal von Beginn formierte. Und das große Ganze sollte sich als 3-4-1-2 darstellen, mit dem ebenso wie Marlon Ritter wieder nominierten Kreativspieler Philipp Klement als Mann hinter den Spitzen.

Damit wollte Schuster nicht nur das auf St. Pauli vermisste spielerische Element im Spiel nach vorne belebten. Vor allem sollte die Elf in dieser Formation bei gegnerischem Ballbesitz die Wege durch die Mitte versperren. Zehner Klement und die beiden Spitzen attackierten bereits in der Paderborner Hälfte die drei Innenverteidiger und ganz besonders Sechser Ron Schallenberg, den Schuster als "Taktgeber" der Ostwestfalen ausgemacht hatte. Im Zehner-Raum vorm eigenen Strafraum, den St. Pauli viel zu intensiv hatte bespielen dürfen, machten die Dreier-Abwehrkette sowie die beiden Sechser Ritter und Nicolai Rapp dicht.

Die erste Viertelstunde: Gute Struktur, aber ...

Das sah beinahe sogar richtig gut aus. "Beinahe" nur deswegen, weil die Lautrer in der Anfangsviertelstunde trotz gut strukturierter Spielanlage der Elf von Paderborns Lukas Kwasniok dann doch zwei gute Einschussmöglichkeiten gestattete. Beide Male funktionierte die Flügelverteidigung nicht. Einmal durfte sich Julian Justvan nach einem langen Ball von Innenverteidiger Uwe Hünemeier aus dem rechten Halbfeld in den Strafraum stehlen, wo er vollkommen frei vor FCK-Keeper Andreas Luthe auftauchte, an diesem aber scheiterte.

Und ein zweites Mal attackierten Ritter und Jean Zimmer auf der rechten Abwehrseite Robert Leipertz, ließen aber Raphael Obermair freistehen, der aufs lange Eck flankte, wo Marcel Hoffmeier mit dem Kopf SCP-Mittelstürmer Marvin Pieringer auflegte, der den Ball mit dem Schädel aber nicht im Tor unterbrachte. Scheint halt kein Zufall zu sein, dass die Torfabrik der Liga von ihren nunmehr 45 Treffern nur vier mit dem Kopf erzielte.

Insider wissen Bescheid: Wehe, wenn der Kraus marschiert

Und die Pfälzer? Die Schussversuche von Klement und Terrence Boyd muteten nicht ganz so vielversprechend ab, waren aber gut herausgespielt. Doch dann machte sich Kevin Kraus wieder mal auf den Weg nach vorne. Was Insider natürlich sofort aufhorchen lässt. Denn der "Schnorres" geht nur sehr, sehr selten aus dem Spiel heraus mit nach vorne, aber wenn, hat’s in der jüngsten Vergangenheit schon zwei Mal effektvoll geschnackelt. Einmal bereitete ein unvermittelteter Kraus'scher Vorwärtsmarsch das 1:0 im zweiten Relegationsspiel in Dresden vor und stieß so die Tür zum Aufstieg auf. Und am 3. Spieltag dieser Saison leitete ein ebensolcher Kenny Redondos Treffer beim 2:1 gegen St. Pauli ein. Diesmal schloss Kraus seinen Vorstoß mit einem Seitenwechsel auf Zimmer ab. Der schickte Boyd auf die Reise - und gegen den konnte SCP-Innenverteidiger Jannis Heuer nur mit einer Volles-Risiko-Grätsche in höchster Not retten.

Doch ob der Treffer gezählt hätte? Kraus hatte den Ball mit einem von den TV-Bildern klar nachweisbaren Trikotzupfer gegen Leipertz erobert - dass der VAR da sein Veto eingelegt hätte, ist ziemlich wahrscheinlich.

Insgesamt aber hielt der FCK die Kwasniok'sche Kombinationsmaschine bis zur Pause gut im Griff. Einen großen Teil ihrer 63 Prozent Ballbesitz vermochte sie lediglich in der eigenen Hälfte oder um die Mittellinie herum abzuspulen. Es war aber auch zu erkennen: Da Schuster sämtliche seiner flinken Flügelspieler auf die Bank gesetzt hatte, fehlte es Lautern an Speed, um sein Umschaltspiel gefährlicher zu gestalten.

Hälfte zwei: Vier Ecken, SCP-Wirbel, dann das "Momentum"

Nach der Pause sorgten die Gäste erst einmal mit vier Ecken in Serie für Betrieb in Gegners Strafraum. Anschließend sah es eine runde Viertelstunde lang aus, als wiederhole sich das Muster aus der Niederlage am Millerntor. Sie wichen zu stark zurück, so dass die Paderborner vorm Strafraum ins Spielen kamen, insbesondere Linksfuß Justvan stresste, der aus seiner halbrechten Position immer wieder in die Mitte zog. Auch Feinmotoriker Florent Muslija ließ sich nur schwer stoppen. Andererseits ist zu konstatieren: Die Männer in Rot attackierten vor und hinter der Strafraumgrenze sehr besonnen.

Innerhalb von sieben Minuten entschied dann das "Momentum", von dem auch Dirk Schuster gerne spricht. Erst steuerte Boyd das Leder artistisch an die gegnerische Querlatte. Vorausgegangen war eine gefühlige Diagonalflanke von Ritter auf Rapp, der halbrechts im Strafraum den Ball ebenso feinfüßig in die Mitte weitergeleitet hatte.

Und dann glückte Heuer aus halblinker Position an der Strafraumgrenze der perfekte Freistoß. Über die Mauer in den kurzen Winkel, besser geht’s einfach nicht. Eben der Heuer, der vor der Halbzeit die Top-Chance Boyds mit einer Wahnsinnsgrätsche zunichte gemacht hatte. Die Bezeichnung "Matchwinner"wird im Reportersprech zwar viel zu oft gebraucht, in diesem Fall aber ist sie wohl angebracht.

Große Schlussoffensive bleibt ohne Frage

So einfach geschlagen wollten sich die "Comebacker der Liga" auch diesmal nicht. Mit Philipp Hercher, Daniel Hanslik und Nicolas de Préville jagte Schuster alles auf den Platz, was ihm an Offensivkräften noch zur Verfügung stand. Nur Aaron Opoku musste bis zum Schluss zuschauen. Kenny Redondo war schon nach 60 Minuten für Ben Zolinski gekommen, der nach langer Verletzungspause erstmals seit dem 1. Spieltag wieder von Beginn an ran durfte.

Ums Haar wäre die Schlussoffensive noch in der Nachspielzeit belohnt worden, doch der eingewechselte Hinspiel-Torschütze Felix Platte kratzte einen Gemeinschaftskopfball von Hercher und Boyd nach Klement-Ecke von der Torlinie. Wie gesagt: Das "Momentum" fehlte.

Insgesamt aber ein Auftritt der Roten Teufel, der sie, auch wenn’s die zweite Niederlage in Folge war, auf keinen Fall entmutigen sollte. Das belegen auch die statistische Werte: Sie haben wieder mal öfter aufs Tor geschossen als Gegner (Endergebnis: 15:13), es auch innerhalb des Strafraums öfter versucht (9:5) und auch mehr Ecken herausgeholt (6:3) - und das bei nur 37 Prozent Ballbesitz.

Patt bei xGoals, "unterirdische" Passquote verbessert

Bei den xGoals-Berechnungen weichen die Datenanbieter diesmal voneinander ab. "bundesliga.de" und andere sehen Paderborn mit 1,00 : 0,95 vorne, die Software von ""11tegen11" und Co. dagegen hat ein 1,32 : 0,96 für Lautern errechnet. Wobei uns die finale Chance durch Boyd/Hercher ein wenig überbewertet erscheint. Hier die Timeline von Sander Ijtsma:

xG-Plot SCP-FCK

Die Positions- und Passgrafik zeigt, dass die Konzentration auf die Mitte zumindest die linke Seite flügellahm machte: Hendrick Zuck ist nun einmal kein Schienenspieler, der bis zur Grundlinie marschiert.

Passmap FCK

In dem Zusammenhang noch eine Anmerkung zur Passqualität, die auf St. Pauli von Schuster als "unterirdisch" bezeichnet wurde. Lag sie am Millerntor noch bei 58 Prozent, vermeldet "sofascore" diesmal 77 Prozent Passgenauigkeit, "bundesliga.de" hat sogar 81 Prozent registriert. Die Steigerung bewirkt hat vor allem die Nominierung Klements, dessen Pässe zu 89,2 Prozent bei seinen Mitspielern landete (Quelle: sofascore).

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Paderborner. Beeindruckend, ohne Frage.

Passmap SCP

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

Kommentare 301 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken