Taktik-Nachlese zum Spiel DSC-FCK

Die DBB-Analyse: Ein Dreier trotz zwei blauer Augen

Die DBB-Analyse: Ein Dreier trotz zwei blauer Augen


Um ein Haar hätten sich die "Comebacker der Liga" Punkte von einem Gegner abknöpfen lassen, der mental mehr drauf hatte als sie. Mit Glück, Tüchtigkeit und Hanslik reichte es für den 1. FC Kaiserslautern aber doch noch für einen Auswärtssieg bei Arminia Bielefeld.

Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse in der zweiten Hälfte könnte die erste leicht in Vergessenheit geraten. Das aber wäre schade, denn die ersten 45 Minuten gestalteten sich zwar nicht so kurios wie die zweiten, waren aber dennoch bemerkenswert. Denn die Roten Teufel zeigten in der Anfangsphase ein Auswärtsgesicht, das sein Anhang bis dato kaum kannte. Sie attackierten ihre Gastgeber früher als zuletzt in Hamburg und Rostock. Nicht nur Stürmer Terrence Boyd, auch die offensive Dreierreihe dahinter erwartete den Gegner bereits vor der Mittellinie. Wodurch sich einige frühe Ballgewinne ergaben.

Philipp Klements Kopfballchance in der 20. Minute ging sogar erfolgreiches Gegenpressing voraus, wie man es beim FCK bislang ebenfalls nur selten zu sehen bekommt. Ein von Aaron Opoku vorgetragener Konter war abgefangen, aber direkt wieder zurückerobert worden. Und nach dem ebenfalls von Opoku eingeleiteten Flankenwechsel, hatte Kenny Redondo in die Mitte geflankt, Klement aber knapp verpasst.

Opoku: Zwei starke Szenen, aber da geht noch viel mehr

Und damit ist auch schon Opokus zweitbeste Aktion während seines 66 Minuten andauernden Einsatzes aufgezählt. Der 23-Jährige deutete seine Schnelligkeit zwar mehrmals an. Wie eng er den Ball am Fuß führen kann, war ebenfalls zu sehen. Insgesamt aber fehlte ihm bei seinem ersten Spiel von Anfang an noch die Bindung zu seinen Mitspielern.
Nur 19 Ballberührungen, lediglich 58,3 Prozent Passgenauigkeit, da geht noch viel, viel mehr. Allerdings: Mit seiner besten Aktion, einer schnellen Drehung und einem anschließenden Schuss ins kurze Eck aus zwölf Metern, markierte Opoku das 2:0 für sein Team. Das dürfte ihm mental Auftrieb geben und seine Integration weiter vorantreiben.

Schad mal wieder in der Startelf - und gleich mit schwerem Job

Noch ein anderer Roter Teufel feierte auf der Alm sein Startelfdebüt: Dominik Schad. Seine Nominierung überraschte zunächst, ist aber auf den zweiten Blick nachvollziehbar. Nachdem Linksverteidiger Hendrick Zuck kurzfristig erkrankt war, wäre die erste Option gewesen, Jean Zimmer auf eine Außenverteidiger-Position zurückzuziehen. Nachdem der Kapitän aber wegen fünf Gelber Karten ausfiel, hatte Dirk Schuster die Wahl zwischen Lars Bünning, der als Linksverteidiger zwar nicht unerfahren, aber als gelernter Innenverteidiger doch defensiver orientiert ist, oder eben Schad. Der übernahm die rechte Seite, während Erik Durm auf die linke Seite wechselte.

Und Schad rechtfertigte dieses Vertrauen. Es war sein erster Startelfeinsatz seit März diesen Jahres, und sein erster über zwei Halbzeiten seit Dezember 2021. Das war ihm vor allem in der Schlussphase anzumerken, als er sich mit Krämpfen quälte, bis ihn Lex Tyger Lobinger nach 84 Minuten ablöste. Dabei hatte Schad den schwersten Job im Defensivverbund zu erledigen. Mit Robin Hack stand Bielefelds stärkste Offensivkraft gegen ihn. Dennoch verzeichnet Dominik Schad laut "bundesliga.de" die meisten gewonnenen Zweikämpfe für die Roten Teufel.

Unterm Strich also ein starkes Comeback für den 25-Jährigen, der bereits seine fünfte Spielzeit in der Pfalz bestreitet. In den ersten beiden feste Stammkraft als Rechtsverteidiger, hat er nach einem Wadenbeinbruch im Oktober 2020 nie mehr dauerhaft ins Team zurückgefunden. Mit diesem Auftritt könnten für ihn wieder bessere Zeiten eingeläutet worden sein.

Ausgeglichene erste Hälfte, dann werden die Weichen neu gestellt

Zurück zum Spiel. Die Schuster-Elf war in der Anfangsphase also so forsch wie sonst nur selten bei Auswärtsauftritten. Und: Sie versuchte, mit Passspiel über mehrere Stationen zum Erfolg zu kommen.

Doch auch der Tabellenletzte präsentierte sich angesichts des enormen Drucks, unter dem er stand, erstaunlich unverkrampft. Formierte sich in einem mutigen 4-3-3 und nutze vor allem die zu großen Abstände, die der FCK gelegentlich zwischen erster Pressinglinie und letzter Reihe ließ. Vor allem der leichtfüßige Japaner Masaya Okugawa durfte immer wieder durchs Mittelfeld marschieren. Mit seiner Linksflanke auf Mittelstürmer Janni Serra leitete der 26-Jährige auch die größte Torchance des Anfangsdrittels ein.

So entwickelte sich eine muntere Partie, die erst nach 30 Minuten ein wenig erstarrte. Der DSC verlegte sich ein wenig zu sehr auf lange Bälle, und den Lautrern gelang ebenfalls nicht mehr allzu viel Richtung Gästetor.

Bis es in der 44. Minute zu der Szene kam, die die Weichen für die zweite Hälfte neu stellte. Beim Versuch, einen langen Ball zu erwischen, streckte Bielefelds Rechtsaußen Bryan Lasme den rechten Fuß hoch bis vors Gesicht des immerhin 1,91 Meter großen Boris Tomiak. Dafür gibt’s nunmal Gelb, und da der Franzose den Karton schon in der 30. Minute gesehen hatte - nach einem taktischen Foul an Redondo -, musste er vom Platz.

Nanu, der FCK in Überzahl? Das kennt er doch gar nicht

Der FCK, der in den vergangenen anderthalb Jahren mehrmals großartige Leistungen in Unterzahl zeigte, nun also plötzlich mal in der umgekehrten Rolle. Elf gegen Zehn, das kennt er doch fast gar nicht, auch wenn es ein Vorteil sein mag. Das Spiel breit machen, den Gegner laufen lassen, auch das will gekonnt sein.

Es war zwar ansatzweise zu sehen, dass Trainer Schuster es seinen Jungs in der Pause im Prinzip zwar richtig erklärt hatte, aber so richtig umzusetzen vermochten es die Pfälzer nicht. Die Bielefelder dagegen schienen sich in der Kabine gegenseitig eine ostwestfälische Version des berühmten Rütlischwurs abgerungen zu haben. Sie fighteten nicht nur wie die Teufel, sondern spielten auch so leidenschaftlich auf, dass ihre Unterzahl fortan kaum zu spüren war.

Zwei Einzelleistungen bescheren die 2:0-Führung

Im Prinzip waren es zwei Einzelaktionen, die die Gäste innerhalb einer Viertelstunde auf die Siegerstraße brachten. Einmal Klements überlegtes Hinterhaltgeschoss ins lange Eck - Redondo hatte dem Zehner das Leder an der Strafraumgrenze aufgelegt, nachdem Boyd es mit einer frühen Attacke von Bielefelds Manuel Prietl erobert hatte. Und kurz darauf Opokus starker Drehschuss. Eingeleitet hatte ihn ein entschlossener Vorwärtsgang von Sechser Julian Niehues, auf dessen Konto der Assist aber nicht so wirklich geht. Der Ball rollte zu Opoku, weil Prietl ihn unglücklich von Niehues’ Fuß spitzelte.

Überzahl und 2:0-Führung - da sollten doch nun alle Messen gelesen sein. Sollten. Und warum waren sie es nicht? Weil alles Gebabbel über Über- oder Unterzahl, Grundordnungen oder Systeme, Mittelfeld- oder Angriffspressing, Umschaltspiel oder Ballbesitzfußball überflüssig wird, wenn sich am Ende die reine Willenskraft durchsetzt.

Bielefeld kommt zurück - dank Lautrer Arroganz

Wobei die Lautrer selbst es waren, die den Arminia-Spielern wieder die Brust aufpumpten. Kurz nach Opokus Treffer hatte Marc Rzatkowski noch die Latte getroffen, sodass sich bei den Gastgebern eigentlich endgültig das Gefühl einstellen musste, dass heute einfach gar nichts ging. Eigentlich. Denn ausgerechnet FCK-Innenverteidiger Boris Tomiak, der bislang eine bärenstarke Runde spielt, passte kurz darauf Okugawa in letzter Linie den Ball in die Füße - der schaltete schnell, flankte flach auf Hack, und schon stand es nur noch 1:2.

Und damit waren die Hausherren wieder voll drin im Spiel. Sie übernahmen trotz Unterzahl sogar die Spielkontrolle und kamen in der 74. Minute völlig verdient zum Ausgleich. Redondo hatte beim Versuch, den Ball wegzuschlagen, den heranbrausenden Rechtsverteidiger Lukas Klünter getroffen. Schiri Patrick Alt pfiff Elfmeter, Hack vollstreckte.

Auch danach bekamen die Pfälzer, von einigen wenigen kurzen Momenten abgesehen, einfach kein vernünftiges Überzahlspiel mehr hin. Dirk Schuster sprach vorm "Sky"-Mikrofon hinterher von der schlechtesten zweiten Hälfte, die seine Jungs in dieser Saison zeigten, schlechter sei nur die erste Hälfte beim 3:-1-Auswärtssieg in Fürth gewesen. Und dann attestierte der Coach den Seinen etwas, das so gar nicht zu dem Aufsteiger passt, der sich in dieser Saison doch als Underdog sieht und sich in "Demut" üben will: "Arroganz". Immerhin spricht das rasche Erkenntnisvermögen des Trainers dafür, dass sich Anfängen dieser Art schnellstmöglich gewehrt wird.

Das Siegtor fällt dennoch: Dank Arminias Mithilfe - und Hanslik

Dass es doch noch drei Auswärtspunkte wurden, hat zwei Ursachen. Zum einen halfen in der entscheidenden Szene zwei Gastgeber mit. Hack verpasste es nur ganz knapp, in den Passweg zu grätschen, den der Ball zum eingewechselten Philipp Hercher nahm. Dessen Rechtsflanke wurde von Innenverteidiger Andrés Andrade auch noch unfreiwillig verlängert, wobei ansonsten Boyd zum Einnicken zur Stelle gewesen wäre.

Und als Torschütze am langen Pfosten lauerte einer, der in den vergangenen Wochen ebenfalls ein wenig untergegangen war. Redondos starke Form, Opokus Verpflichtung, Herchers Konkurrenz und Zimmers Führungsqualitäten hatten bewirkt, dass Daniel Hanslik seit dem 8. Spieltag nur noch zu einem Kurzeinsatz kam. Gestern durfte der Aufstiegsheld, der sich zwar meist unspektakulär, aber stets mit gutem Spielverständnis über den Platz bewegt, mal wieder für 24 Minuten ran. In der 88. Minute war er dann der richtige Mann am richtigen Platz.

Lauterns breiter Kader und Bielefelds Unglück

Was die erfreulichste Erkenntnis ist, die der FCK aus diesem in der Schlussphase glücklichen, aber unterm Strich trotzdem nicht unverdienten Sieg ziehen darf: Die Einsätze von Schad und Hanslik haben gezeigt, dass der Kader auch qualitativ breit aufgestellt ist. Das könnte gerade im weiteren Verlauf dieser Englischen Woche noch wichtig werden.

Arminia Bielefeld dagegen muss jedem fairen Sportsmann im Moment einfach nur leid tun. Dass eine Mannschaft mit diesem fußballerischen Potenzial nach 15 Spieltagen gerade mal elf Punkte auf dem Konto hat, ist kaum zu glauben. Und mal ganz abgesehen davon, dass der Gang in die 3. Liga für jeden Klub einen Gau darstellt - die zahlreichen Profis im interessanten Fußballalter sind wohl eher nicht mit Verträgen für den Abstiegsfall ausgestattet. Was es für einen Werteverlust darstellen würde, Spieler wie Hack, Serra, Lasme und Okugawa ablösefrei zu verlieren - nicht auszudenken.

Zu zehnt mehr Ballbesitz und bessere Chancen - das sagt fast alles


Zu den Grafiken und Zahlen. Arminia gewinnt laut "11tegen11" 1,82 : 1,2, gemäß "bundesliga.de" sogar 2,22 : 1,14 nach xGoals. Dazu ein Ballbesitzverhältnis von 55 : 45, und das, obwohl die Gastgeber eine Hälfte lang in Unterzahl spielten. Das spricht wohl für sich.

Und da wir mittlerweile festgestellt haben, wie interessant es geworden ist, die Laufleistungen von FCK-Heimspielen mit denen von Auftritten in der Fremde zu vergleichen: Glaubt man "bundesliga.de", sind die Schuster-Jungen auf der Alm 114,6 Kilometer gewieselt. Also abermals sechs bis neun Kilometer mehr als bei den jüngsten Darbietungen zuhause gegen Braunschweig, Regensburg und Nürnberg. Darauf zwei Tage vor dem anstehenden Heimspiel gegen Karlsruhe hinzuweisen, kann nicht schaden.

xG-Dynamik DSC-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Bestätigt, dass Opoku auf der rechten Seite tatsächlich ein wenig isoliert war. Stark dafür die linke Seite. Als ob Zuck gar nicht gefehlt hätte.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Arminia: Da diese Visualisierungen immer etwa 75 Minuten einer Partie abbilden, müssen sie zwangsläufig etwas windschief aussehen. Da fließen 30 Minuten Spiel in Unterzahl ein. In dieser Zeit formierte Bielefeld ein 4-4-1, in dem Okugawa rechts vor Klünter agierte. Gegen Ende hin probierte es die Arminia sogar mit einer Mittelfeldraute.

Passmap DSC

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

Kommentare 301 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken