Im Blickpunkt

Wie sehr fehlt der FCK-Elf die "West"? Ein Zahlenspiel

Wie sehr fehlt der FCK-Elf die "West"? Ein Zahlenspiel


Geisterspielen fehlt das Feuer, das der Funke von den Rängen entzündet. Exklusiv für DBB hat "Createfootball" Daten erhoben, die dies für die 3. Liga durch objektive Zahlen bestätigen. Allerdings: Der 1. FC Kaiserslautern tickt auch in dieser Beziehung anders.

Für die Bundesliga hat der Fußball-Autor Christoph Biermann es bereits in der März-Ausgabe von "11 Freunde" nachgewiesen: In dem Jahr, in dem Deutschlands Oberhaus coronabedingt fast durchgehend ohne Live-Publikum kickte, ist es zu einem "messbaren Druckabfall" gekommen. Soll heißen: Aus dem laufenden Spiel heraus wird in den Spielen der Ersten Liga der Gegner nicht mehr so früh attackiert wie in den Spielzeiten zuvor, auch insgesamt wird weniger aggressiv gespielt. Das weist Biermann nicht nur anhand simpler Faktoren nach: So ist etwa die Zahl der Gelben Karten, die die Akteure zu sehen bekamen, gegenüber den Spieltagen der Vorsaison, die noch vor Publikum ausgetragen wurden, um 30 Prozent gesunken.

Bundesliga: Weniger "Pressures", weniger "Aggressive Actions"

Der Autor zieht auch Spielanalyse-Daten heran. Beispielsweise die "Pressures", die Drucksituationen, die ein Team pro Spiel erzeugt. Von einer solchen wird gesprochen, wenn sich ein gegen den Ball agierender Spieler dem Ballführenden näher als 3,5 Meter nähert. Bis zum 18. Spieltag der Spielzeit 2019/20 erzeugte eine Bundesliga-Elf im Schnitt 167 "Pressures" pro Spiel. Nach einem Jahr Geisterfußball sind es nur noch 144.

Ebenso bezeichnend sind die "Aggressive Actions", die Defensivaktionen innerhalb von zwei Sekunden nach der Ballannahme des Gegners. 120 Aktionen pro Team und Spiel waren es vor Corona, 106 sind es nur noch seit Beginn der Pandemie-Bedingungen. Dabei berücksichtigt Biermann auch stilistische Änderungen bei einzelnen Klubs, die die Durchschnittswerte beeinflussen. So bevorzugen etwa Rasenballsport Leipzig und Union Berlin in dieser Saison ein wesentlich weniger auf schnelle Balleroberung und Umschalten ausgerichtetes Spiel als zuvor.

Unterm Strich jedoch ist der Schluss erlaubt: "Ohne Publikum fehlt ein sehr großer Faktor, der die Spieler ins Spiel gegen den Ball peitscht und in Pressingsituationen zwingt", zitiert der Autor René Maric, den Co-Trainer von Marco Rose bei Borussia Mönchengladbach.

3. Liga: Blick auf "PPDAs", Fouls und Gelbe Karten

Soweit, so interessant. Aber lassen sich diese Erkenntnisse auch für die Liga verifizieren, in der der 1. FC Kaiserslautern gegenwärtig ums nackte Überleben kämpft? In der dritten Klasse werden bekanntlich weit weniger Daten erhoben als in der ersten. "Createfootball" hat es dennoch geschafft, einige aufzubereiten, die aufschlussreich sind.

Dabei betrachteten Mats Beckmann und Quirin Sterr etwa die "Passes per Defensive Action" (PPDA) über einen Zeitraum von vier Jahren. Diese geben an, wie viele Pässe ein Team dem Gegner erlaubt, ehe es den Ballführenden attackiert.

Und siehe da: Gegenüber den beiden Spieljahren zuvor ist es ab 2019/20, wo bereits elf Spieltage ohne Publikum ausgetragen wurden, zu Zunahmen gekommen. Durften sich die Gegner 2017/18 im Schnitt nur 8,59-mal den Ball zuschieben, bevor sie angegriffen wurden, sind es heuer im Mittel 11,16 Kontakte, bis es kracht.

Der vergleichsweise simple Blick auf Fouls und Gelbe Karten pro Spiel bestätigt den Eindruck. Beides hat abgenommen. 2017/18 wurde im Schnitt 14,52-mal pro Kick und Team gefoult, 2020/21 nur noch 12,34-mal. Und den gelben Karton gab es vor vier Jahren 2,11-mal pro Spiel zu sehen, 2020/21 nur noch 1,62-mal.

Die "Pressingeffizienz" dagegen scheint dazu auf den ersten Blick im Widerspruch zu stehen. Die ist im Betrachtungszeitraum von 40 auf 45 Prozent gestiegen. Mit ein wenig Überlegung leuchtet jedoch auch dies ein: Weiter hinten auf dem Feld kann ein Team sich kompakter formieren, ein erst 40 Meter vorm eigenen Tor organisiertes Pressing ist daher in der Regel erfolgreicher.

Und beim FCK? Unterschiede zwischen Saibene und Antwerpen

Und wie sieht dies aus, wenn man diese Betrachtungen allein für den 1. FC Kaiserslautern anstellt? Liegt in der fehlenden Anfeuerung durch die "West" vielleicht eine - und vielleicht gar nicht mal so unbeträchtliche - Ursache für den erbärmlichen Tabellenstand der Mannschaft? Von den gerade mal vier Siegen dieser Saison glückte schließlich nur einer zuhause, allein das könnte doch schon ein Indiz sein.

Ist es aber nicht. Und das ganz abgesehen davon, dass der sogenannte "Heimvorteil" schon durch Corona zunehmend an Bedeutung verloren hat, und das nicht nur auf dem Betze, sondern überall.

Dabei hat "Createfootball" unseren Wunsch berücksichtigt, die Amtszeiten Jeff Saibenes und Marco Antwerpens getrennt voneinander zu betrachten. Denn augenscheinlich steht der FCK ja höher, seit Antwerpen auf der Trainerbank sitzt. Die Elf attackiert früher und spielt aggressiver: Allein zuletzt gegen Magdeburg hagelte es sechs Gelbe Karten.

Die von "Createfootball" erhobenen Daten bestätigen dies: Die "PPDA" haben sich unter Antwerpen mehr als halbiert, nachdem die Mannschaft unter Saibene im Mittel bis zur Attacke 3,3 Pässe des Gegners mehr zuließ als der Liga-Durchschnitt. Und sie begeht im Schnitt pro Spiel vier Fouls mehr. Die Zahl der Gelben Karten ist pro Spiel von 2,4 auf 2,83 geklettert. Die nur 2,5 Prozentpunkte, um welche die Pressingeffizienz gesunken ist, muten da vergleichsweise akzeptabel an.

Createfootball: Druck in der 3. Liga - Die Folgen von Corona

Aggression allein schießt keine Tore

Wir sehen: Das FCK-Team kann auch ohne die "West" im Rücken einen ansehnlichen Aggressionslevel erreichen. Nur erzielt es damit nicht die nötigen Ergebnisse. Leider.

In den bislang sechs Spielen unter Antwerpen schaffte der FCK bislang lediglich einen Punkteschnitt von 0,83 pro Spiel, Saibene kam in 21 Partien immerhin auf einen Schnitt von 1,14. Betrachtet man die "expected Goals", also die anhand der qualitativ bewerteten Torchancen zu erwartenden Resultate, hatte Saibene in seiner Amtszeit sogar ziemlich Pech gehabt. Demnach hätte er vier Spiele mehr gewinnen müssen, als es tatsächlich der Fall war.

Antwerpen dagegen hätte den "xG’s" zufolge nicht einmal das Derby in Mannheim gewinnen dürfen - sein bislang einziger Sieg. Saibenes zurückhaltender Stil war demnach nicht nur erfolgreicher, sondern auch Erfolg versprechender. So sieht es jedenfalls bislang aus.

Jetzt ist der gute, alte "Betze"-Spirit gefragt

Doch Zahlen sagen eben doch nicht alles. Wer es mit eigenen Augen gesehen hat, weiß: In Mannheim gewann der FCK verdient. Gegen den FC Bayern München war ein Sieg möglich, in Ingolstadt und Rostock spielte die Mannschaft über weite Strecken richtig stark auf und das 2:2 gegen Meppen war zumindest phasenweise ordentlich geführt. Wirklich grauslich anzuschauen war in der Antwerpenschen Amtszeit bislang lediglich der jüngste Auftritt in Magdeburg.

Und: Sechs Spiele im Vergleich zu 21 sind statistisch von nur bescheidener Relevanz. Es bleiben noch zehn, um dieses Bild zurecht zu rücken. Und auf 38 Spiele hochgerechnet, wäre es auch mit dem Saibene-Schnitt von 1,14 knapp in Sachen Klassenverbleib geworden. Angesichts von nunmehr sieben Punkten Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz - bei einem Spiel weniger - müssen jetzt "Dreier" her. Und die sind ohne Mut zum Risiko nicht zu holen. Der Blick zurück hilft da ohnehin nicht mehr. Der gute, alte "Betze"-Spirit muss wieder erwachen, auch ohne lautstarke Unterstützung der Westkurve.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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