Taktik-Nachlese zum Spiel FCH-FCK

DBB-Analyse: Was in Rostock Mut machte und was nicht

DBB-Analyse: Was in Rostock Mut machte und was nicht

Foto: Imago Images

So berechtigt der Zorn auf den Schiedsrichter ist, so ungerecht sich das Endergebnis darstellt, der FCK muss sich nach der Last-Minute-Niederlage in Rostock erneut auch mit eigenen Schwächen befassen: Neben der obligatorischen Chancenverwertung vor allem mit dem Abwehrverhalten nach ruhenden Bällen. Aber es gibt auch Mut machendes.

Das böse Ende zeichnet sich schließlich schon Mitte der ersten Hälfte ab. Bereits da kommt der spätere Siegtorschütze Damian Roßbach nach einer Freistoßflanke völlig frei am Fünf-Meter-Raum zum Kopfball: Er hat sich Hikmet Ciftci aus dem Rücken gestohlen, Linksverteidiger Hendrick Zuck übernimmt ihn nicht, doch Avdo Spahic kann letztendlich retten. In der - kein Witz - 96. Minute, der vorletzten Szene des Spiels, köpft Roßbach dann zum 2:1 ins Netz.

Diesmal darf er zwischen den zwei Innenverteidigern hochsteigen, also ausgerechnet zwischen den beiden, die eigentlich als Erste fürs Abräumen von Kopfbällen zuständig sind: Kevin Kraus und Alex Winkler. Kraus war für den kurzfristig wegen muskulären Problemen ausgefallenen Tim Rieder in die Startelf gekommen, macht ansonsten eine ordentliche Partie, erzielt nach einem Zuck-Freistoß per Kopf sogar den Führungstreffer für sein Team.

Es sind aber eben immer diese kurzen Aussetzer, die den FCK Punkte kosten, vor allem nach ruhenden Bällen. Dass Sekunden vor dem Knock-Out den Lautrern ein klarer Elfmeter verweigert wird, ist bereits in allen Spielberichten hinreichend erörtert worden.

Beim Ausgleich fehlt die "Konzentration auf den zweiten Ball"

Auch die Szene, die zum Ausgleichstreffer der Rostocker führt, wird im Grunde durch eine Freistoßflanke eingeleitet - ob diese als ursächlich in die Statistiken Einzug halten sollte, ist davon abhängig, wie scharf man die Analytikerbrille justiert. Den Flugball kann die FCK-Defensive zwar verteidigen, wobei Winkler erst ein wenig handspielverdächtig klärt, dann den Ball aber gemeinsam mit Jean Zimmer nicht weit genug aus der Gefahrenzone bugsiert. So kommt Hansa im Zehnerraum wieder in Ballbesitz. Der gerade eingewechselte Simon Rhein darf viel zu unbedrängt in den Strafraum passen, Hansa-Zehner Bentley Baxter Bahn die Kugel zu unbedrängt annehmen. Er leitet auf Nik Omladic weiter, der den Ball ziemlich unbedrängt ins kurze Eck jagt. Da hat die berühmte "Konzentration auf den zweiten Ball" nicht gestimmt - auch so ein Problem, das die Roten Teufel schon durch die gesamte Saison begleitet, sowohl defensiv als auch offensiv.

Ärgerlich auch, dass der Ausgleich - wie schon in der Vorwoche gegen Meppen - wieder unmittelbar nach der Pause fällt. Es wird oft über einen "psychologisch ungünstigen Zeitpunkt" geredet, wenn ein Gegentreffer unmittelbar vor der Halbzeit erzielt wird. Aber ist er psychologisch nicht viel ungünstiger, wenn er unmittelbar danach fällt? Schließlich bleibt so keine Pause, in der ein Trainer die Szene mit dem Team aufarbeiten und eventuell die Weichen neu stellen kann. Andererseits: Gibt es überhaupt einen psychologisch günstigen Zeitpunkt für einen Gegentreffer?

Die eigenen Standards: Mittlerweile besser, als viele glauben

Abgesehen davon, dass der FCK wieder einmal Punkte nach schlecht verteidigten Standardsituationen verschenkt, lassen auch die eigenen wiederholt zu wünschen übrig. Und damit sind gar nicht mal die Flanken nach Freistößen und Eckbällen gemeint. Eine davon nickt Kraus schließlich zum 1:0-Führungstreffer ein. Außerdem köpft Elias Huth, der diesmal den Vorzug vor Daniel Hanslik erhalten hatte, kurz vor der Pause eine Ecke von Kenny Redondo an den Pfosten.

Überhaupt ist die Bilanz nach eigenen Standards mittlerweile gar nicht mehr so schlecht, wie dem FCK oft nachgesagt wird. Das hatte bereits unsere am Freitag veröffentlichte Statistik von "Createfootball" gezeigt - was für einige überraschte Reaktionen sorgte. Wir werden den Punkt demnächst noch weiter vertiefen.

Ein weiterer Schwachpunkt: Die direkten Freistöße

Viel dringender sollte die Ausführung direkter Freistöße Trainingsthema werden. Mit Zuck, Ciftci, Marlon Ritter, dem momentan verletzten Carlo Sickinger sowie Alex Winkler hat Lautern einige Spieler in seinen Reihen, die schon gezeigt haben, dass sie solche Situationen zu nutzen wissen. In Rostock verzeichnet der FCK mindestens vier vielversprechende Freistoßpositionen in Strafraumnähe. Wirklich gefährlich ausgeführt wird davon keine einzige.

Doch soll hier nicht nur gemeckert werden - so prekär die Tabellensituation nach dieser neuerlichen Niederlage auch ist. Vom Ergebnis abgesehen war’s nämlich ein Auswärtsauftritt, der wirklich Mut für die kommenden Wochen machen sollte. Wenn nur der Abstand zu den Abstiegsrängen nicht so verdammt knapp wäre.

Wieder mit Raute - und das sieht gut aus

Trainer Marco Antwerpen setzt, wie schon beim ebenfalls starken, aber verlorenen Gastspiel gegen den Aufstiegsaspiranten Ingolstadt, erneut auf ein 4-4-2 mit Raute - und sorgt damit wieder einmal für eine Überraschung. Philipp Hercher, im FCK-Trikot bislang stets als Außenverteidiger im Einsatz, bildet den rechten Eckpunkt der Raute.

Gegen die Mannschaft der Stunde der 3. Liga - Rostock sammelte bis dato im Jahr 2021 19 Punkte in acht Spielen - bietet der FCK gerade in Bezug auf taktisches Verhalten und Engagement eine Partie, der man gerne zusieht. Das Sturmduo Huth/Redondo attackiert die Hansa-Hintermannschaft schon am eigenen Strafraum, was vor allem gegen die wenig stressresistenten Markus Kolke und Jan Löhmannsrüben zu Ballgewinnen weit in der gegnerischen Hälfte führt. Zählbaren Nutzen daraus ziehen vermag das Team jedoch leider nicht.

Auch an der Bereitschaft zu "tiefen" Läufen mangelt es nicht: Ist die erste Pressinglinie überspielt, haben die Lautrer bereits wieder genug Spieler hinter dem Ball, wenn der Gegner die Gefahrenzone erreicht. Lediglich in der zweiten Hälfte schleichen sich da auch mal Unsauberkeiten ein, etwa in den ersten Minuten nach dem Ausgleichstreffer. Ansonsten ist eigentlich nur das Verhalten nach gegnerischen Standards zu bemängeln - doch das ist spielentscheidend.

Schwedes Riesenchance schönt xG-Zeitstrahl zu Hansas Gunsten

Dass der Zeitstrahl der "expected Goals" (xG’s) Hansa sogar leicht im Vorteil sieht, liegt in erster Linie an der Riesenchance für Tobias Schwede, die sich diesem offenbart, als Spahic ihm eine Art Schussflanke des eingewechselten Pascal Breier direkt vor die Füße klatscht. Spahic bügelt seine Unsicherheit jedoch direkt im Anschluss wieder aus. Die Gelegenheit, die sich unmittelbar danach Redondo bietet, als Ritter ihn in halblinker Position freispielt, sieht für den subjektiven Betrachter zwar auf den ersten Blick mindestens ebenso gut aus, doch ist der Winkel offenbar doch ein wenig spitz, wie die niedrigere xG-Bewertung zeigt.

xG-Plot FCH-FCK

Insgesamt aber ähnelt die Timeline einem stetig aufsteigenden Treppchen, zumindest ab der 20. Minute. Was zeigt: Der FCK arbeitet über den gesamten Spielverlauf hinweg Torgelegenheiten heraus. In der Positions- und Passgrafik erstaunen die kleinen Spots, die die Abwehrspieler bilden. Sie sind also nicht oft am Ball, passen auch nicht viel hin und her, da keine Linien zwischen ihnen verzeichnet sind. Statt dessen wird zügig nach vorne gespielt.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Rostocker. Die sieht besser aus, als man nach der subjektive Bewertung des Spiels erwartet hätte. Gute Passkommunikation, die alle Spieler einbezieht.

Passmap FCH

Fazit: Hilft alles nichts. Mund abputzen, Gegner-Standards künftig besser verteidigen, im Training direkte Freistöße üben. Ansonsten einfach weitermachen. Die nächsten Gegner heißen Zwickau, Magdeburg, Halle und Lübeck. Da muss gepunktet werden. Und die Mannschaft hat es drauf.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2020/21: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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