Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVM

DBB-Analyse: Am Ende ein Rückfall in den Saibene-Trott

DBB-Analyse: Am Ende ein Rückfall in den Saibene-Trott

Foto: Eibner-Pressefoto

Zwei Rückstände ausgeglichen, von einem frühen Fünffach-Wechsel durchgerüttelt - und dennoch nicht heiß genug, um aus einem 2:2 gegen den SV Meppen noch einen Sieg zu machen. Dieses FCK-Team hat nun auch Trainer Marco Antwerpen erstmals an Rand der Verzweiflung gebracht.

Was am 14. Unentschieden dieser Saison so deprimiert? Zum einen die unerklärlichen
Brüche, die sich im FCK-Spiel einstellten, obwohl eigentlich positive Signale gesetzt waren. Zum anderen die Art und Weise, wie die Mannschaft gegen Ende der Partie auf dem Feld präsentierte. In einer 4-1-4-1-Formation, mit der offensiven Viererreihe hinter der Mittellinie, unsicher, verzagt, nichts als die vage Hoffnung im Herzen, der Gegner könne doch bitte mal einen Pass in die Tiefe versemmeln und so eine Konterchance eröffnen.

Nach dem vierten Spiel unter Marco Antwerpen scheint der FCK wieder da angekommen zu sein, wo er unter Jeff Saibene aufgehört hat. Nach drei Partien, die zwar nur vier Punkte brachten, aber doch einen neuen Spirit andeuteten: Mehr Aggressivität, mehr Mut zum Risiko, mehr Fußball.

Ein starker Anfang - aber keine Tore

So beginnt der FCK auch gegen den SV Meppen - deswegen tun die anschließenden Brüche im Spiel ja so weh. Nach nur einer Minute der erste Abschlussversuch von Marlon Ritter. Möglich geworden, weil die FCK-Elf nach einer Freistoßflanke in den gegnerischen Strafraum den Ball verliert, danach aber beherzt übers gesamte Feld hechelt, am eigenen Sechzehner bereits wieder in Überzahl ist, das Leder zurückerobert, Hikmet Ciftci Marius Kleinsorge auf der linken Seite einsetzt, der übers halbe Feld sprintet und schließlich auf Ritter ablegt.

Nicht einmal 40 Sekunden später der nächste Versuch, diesmal von Kleinsorge selbst. Entstanden, weil Meppen-Keeper Erik Domaschke lediglich einen 20 Meter-Abschlag in die linke Verteidiger-Position riskiert - zugegeben: merkwürdige Idee - die FCK-Offensiven direkt pressen, den Ball erobern und den Abschluss suchen.
So geht es zunächst weiter. Kleinsorge und Anas Ouahim versuchen es aus der Distanz. Kleinsorge taucht allein vor Domaschke auf, scheitert aber beim Versuch, den Keeper auszuspielen - hätte er mit der Pike zum mitgelaufenen Daniel Hanslik rübergelegt, hätte der ins leere Tor schießen können.

Der erste Bruch: Schon der zweite Pass landet beim Gegner

Und dann? Nach einer knappen Viertelstunde ist die Herrlichkeit plötzlich vorbei. Balleroberungen gelingen dem FCK zwar weiterhin, aber spätestens der zweite Pass danach landet beim Gegner.

Exakt dies geschieht vor dem Führungstreffer der Gäste, und das nicht zum ersten Mal: Ritter erobert den Ball, als Meppen sich über die Mittellinie kombiniert hat, spielt aber zu schludrig auf Ouahim ab, der über die linke Seite einen Konter fahren könnte. So kommt Meppen wieder in Ballbesitz, der rechte Flügelspieler René Guder darf sich viel zu viel Zeit zum Flanken nehmen, am langen Eck zieht Jean Zimmer im Kopfballduell gegen den ehemaligen Lautrer Christoph Hemlein den Kürzeren. Doch auch FCK-Keeper Avdo Spahic hätte wenigstens eine Hand an den Flugball bekommen können. Was wieder einmal zeigt: Gegentreffer haben selten einen Alleinschuldigen.

Der zweite Bruch: Antwerpens Innenverteidigung verliert ihre Unschuld

Das macht auch der zweite Einschlag deutlich, der Lautern unmittelbar nach Wiederanpfiff trifft. Abermals kommt der Gegner über die linke FCK-Abwehrseite, die flache Flanke landet bei Alex Winkler, der sie aber nicht geklärt bekommt und den Ball am Fünfmeterraum abgibt. Anschließend kann Tim Rieder seine Hände nicht von seinem Gegenspieler Tom Boere lassen, obwohl der mit dem Rücken zum Tor steht und keine unmittelbare Einschussmöglichkeit hat. Nach dem anschließenden Elfmeterpfiff vollstreckt der Gefoulte selbst.

Bitter: Mit diesem Doppelfehler hat auch die von Antwerpen neu formierte Innenverteidigung ihre Unschuld verloren. Es ist zwar nicht das erste Gegentor, das Rieder/Winkler kassieren, aber das erste, bei dem beide so richtig patzen.

... und zwischendurch mal Fußball fürs Herz

Zwischen den beiden Toren ereignet sich allerdings eine Szene, die das Herz des Lautrer Anhangs so richtig lachen lässt. Der Ausgleich. Erzielt von Ritter. Möglich geworden einmal nicht nach Balleroberung und schnellem Umschalten. Sondern nach einem Abwurf Spahics, also in einer Situation, in der dem Gegner Zeit gegeben ist, sich zu formieren. Beinahe im One-Touch-Modus folgen anschließend die Stationen: Zuck-Ouahim-Zuck-Ritter-Hanslik-Ritter-Zimmer-Ritter. Und Tor. Fußball kann so schön sein.

Nach dem neuerlichen Rückstand kurz nach der Pause entscheidet Antwerpen dann rigoros: Fünf raus, fünf rein. Innerhalb von zwei Minuten. Nach nicht einmal einer Stunde Spielzeit. Er habe damit seiner Unzufriedenheit Ausdruck verleihen wollen, erklärt der Trainer nach dem Spiel.

Dementsprechend hat er gehandelt, knallhart. Das ist die Gangart, die Antwerpen von seinem Vorgänger unterscheidet. Vermutlich haben die Entscheidungsträger - wer genau das war, ist nach wie vor nicht so ganz klar geworden - ihn auch genau deswegen auf den Betzenberg geholt. In den Fanforen wird schließlich ebenfalls oft und gerne ein "harter Hund" gefordert.

Fünffach-Wechsel wirkt nur kurz, reicht aber zum Ausgleich

Und siehe da: Zunächst mal fruchtet die Entscheidung. Nur zwei Minuten, nachdem der Fünffach-Wechsel abgeschlossen ist, fällt der erneute Ausgleich. Möglich gemacht wieder einmal durch eine Flanke Zucks, die der eingewechselte Philipp Hercher am langen Eck direkt nimmt. Der ebenfalls frisch ins Spiel gekommene Elias Huth köpft den Ball nach einer Fußabwehr Domaschkes über die Torlinie.

Zwei Rückstände aufgeholt - und das in einem Heimspiel am "Betze". Okay, es sind keine Zuschauer da, die pushen. Doch eigentlich sollte doch auch dieser Torverlauf, verbunden mit der Hallo-Wach-Wechselaktion des Trainers, genug Endorphine ausschütten, um beherzte Angriffe in der verbleibenden halben Stunde zu befeuern. Mal ganz abgesehen davon, dass auch die Tabellensituation dringend Siege erfordert. Aber nichts da. Sicher, es gibt noch den ein oder anderen vertikalen Pass auf Zuck, der dann - beinahe - gute Einschusspositionen für Ritter & Co. schaffen kann, insgesamt aber bleiben die Meppener bis zum Ende besser im Spiel.

Und hätten den Sieg eher verdient gehabt, wie der Zeitstrahl der "expected Goals" (xG´s) zeigt:

xG-Plot FCK-SVM

Die Positions- und Passgrafik lässt ein wenig wundern, weshalb Antwerpen seine Grundordnung nach dem Spiel als 4-2-3-1 bezeichnete. Wie man sieht, agierten Ouahim und Ritter ungefähr auf gleicher Höhe, von daher war’s eigentlich eher ein 4-1-4-1.

Passmap FCK

Deutlich auch zu sehen, wie weit vorne die Außen Kleinsorge und Redondo agierten. Wie beweglich sie waren, belegen die Links- und Rechtspfeile neben ihren Spots. Dass diese so zentral visualisiert sind, liegt daran, dass das Computerprogramm diese Position als ungefähren Durchschnitt errechnet hat. Tatsächlich kamen Kleinsorge und Redondo hauptsächlich über die Seiten.

Zum Vergleich der SV Meppen. Interessant hier: Die hielten den Ball nicht lange hinten.

Passmap SVM

Ob’s die Erinnerung ans Hinspiel ist, die die Lautrer in der finalen halben Stunde hindert, mehr zu riskieren? Auch in Meppen hatten sie zwei Rückstände ausgeglichen - um kurz vor Schluss dann doch noch den dritten Gegentreffer einzufangen. Wenigstens der bleibt diesmal aus.

Dennoch scheint die Mannschaft am Ende wieder in den Trott aus der Zeit vor Antwerpen zu verfallen. Nun ist der Trainer gefragt, diesen nicht einreißen zu lassen. Dass er dabei vor rigorosen Entscheidungen nicht zurückschreckt, beweist der Trainer an diesem Samstag nicht erst bei seinem Fünffach-Wechsel.

Harte Entscheidungen können helfen, aber auch Unruhe stiften

Den Stürmer Marvin Pourié, trotz aktueller Ladehemmung immer noch bester Torschütze der Saison, hatte Antwerpen kurzerhand aus dem Kader gestrichen - "wegen mangelnder Trainingsleistungen", wie er sagte. Klingt konsequent. Allerdings: Pourié ist ein Typ, der schnell querschießt, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Und andererseits einer, der, wenn er die entsprechende Rückendeckung spürt, auch Verantwortung übernehmen kann. Und vorangeht.

So wie Jean Zimmer, der Rückkehrer, der von Düsseldorf genau deswegen ausgeliehen wurde: um der Mannschaft Mentalität und Führung zu geben. Ihm die Kapitänsbinde zu reichen, war eine der ersten Amtshandlungen Antwerpens.

Am Samstag zählt auch Zimmer zu dem Quintett, das früh vom Feld muss. War der Trainer auch mit ihm unzufrieden? Konkreter begründet hat er seine Wechsel nicht. Was freilich angezeigt gewesen wäre, sollte der Kapitän raus gemusst haben, weil er noch von seinem Zusammenprall mit Hemlein in der ersten Hälfte angeschlagen war. Möglich wär’s ja.

Wir sehen: "Harte" Entscheidungen mögen nun angezeigt sein. Sie müssen aber auch richtig fallen, gut überlegt und begründet sein. Sonst können sie noch mehr Unruhe stiften, als ohnehin schon vorhanden ist.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2020/21: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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