Der neue FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen im Porträt

Ein Vielflieger mit Stallgeruch, der Kummer kennt

Ein Vielflieger mit Stallgeruch, der Kummer kennt

Foto: Imago Images

Er ist wieder da: Thomas Hengen schließt sich zum dritten Mal dem 1. FC Kaiserslautern an, diesmal als Geschäftsführer Sport. Von einem, der auszog, sich seinen Stallgeruch aber stets bewahrte.

Anrufe der Familie Merk ist Thomas Hengen ja gewohnt. 1989 rief Rudi Merk im Elternhaus des Rülzheimers an. Merk war damals Leiter der Fußballabteilung des 1. FC Kaiserslautern und Vater des Schiedsrichters Markus Merk, der im Jahr zuvor sein erstes Bundesligaspiel gepfiffen hatte. Der Senior überredete den talentierten Jungen, der in der C-Jugend des FC Phönix Bellheim kickte, auf den Betzenberg zu wechseln.

Wo sich für Hengen zunächst alles erfüllen sollte, wovon ein Nachwuchskicker träumt: 1992 gewann er mit der A-Jugend des FCK die Deutsche Meisterschaft, gemeinsam mit Weggefährten wie Torsten Lieberknecht, Mirko Bitzer, Christoph Dengel und Marco Dittgen. Anschließend wurde er Profi, kam im Mai 1993 gegen den VfL Bochum zu seinem ersten Bundesligaeinsatz, bestritt im Februar 1994 gegen den 1. FC Nürnberg sein erstes Spiel von Beginn an - und zählte von da an zur Stammbesetzung von Trainer Friedel Rausch.

Doch so gut es persönlich für ihn lief - er war zu einer Zeit gekommen, in der der Deutsche Meister von 1991 in eine Talsohle hinein steuerte. 1996 stieg der FCK zum ersten Mal in seiner Geschichte aus der Bundesliga ab, die Bilder des in Leverkusen hemmungslos weinenden Hengen kommen einem auch ein Vierteljahrhundert später noch mit als erstes in den Sinn. Zuvor aber setzte der FCK unter anderem im DFB-Pokal noch einige Ausrufezeichen. So stand Hengen im September 1994 beim legendären 6:3 gegen Borussia Dortmund auf dem Platz. Und im Mai 1996, als die Roten Teufel nur eine Woche, nachdem der Abstieg besiegelt war, im Berliner Olympiastadion den allzu siegessicheren Karlsruher SC im Pokalfinale mit 1:0 schlugen. Ausgerechnet den Verein, zu dem das zu dieser Zeit größte Lautrer Talent Hengen anschließend wechselte, um erstklassig zu bleiben.

Pokalsieger, Abstieg, Bundesliga, FCK-Kapitän: Eine bewegte Spielerkarriere

Damit endete für ihn eine erste, intensive Zeit in der Pfalz. Vor allem die Kameradschaft sei eine ganz andere gewesen als heute, erinnerte er sich später in der "Rheinpfalz", "was ein Stück weit mit Smartphones zusammenhängt. Damals saß man fast jeden Abend zusammen und spielte Karten, alleine auf dem Zimmer war man fast nie."

Nach Karlsruhe machte Hengen in Dortmund Station, gab ein Gastspiel bei Besiktas Istanbul, wechselte anschließend zum VfL Wolfsburg - und kehrte zur Saison 2001/02 zum FCK zurück. Wieder lief es für ihn persönlich zunächst blendend: Er wurde direkt zum Mannschaftskapitän gekürt, startete unter Teamchef Andreas Brehme mit einer Serie von sieben Siegen in die Saison, kam in dieser Spielzeit auf 33 Einsätze. Doch wieder war er zu einer Zeit gekommen, in der es mit dem Deutschen Meister von 1998 abwärts ging. 2006 sollte der nächste Abstieg anstehen.

In der zweiten Spielzeit nach seiner Rückkehr plagten den nunmehr 28-Jährigen zunehmend Verletzungen. 2004 dann der persönliche Tiefpunkt: Trainer Erik Gerets suspendierte Hengen sowie dessen Mitspieler Markus Anfang und Steffen Freund vom Trainingsbetrieb - weshalb, ist bis heute nie bekannt geworden. Dass kein Fehlverhalten seinerseits zugrunde lag, ließ Hengen sich später sogar vor Gericht bestätigen. 2004 wechselte er zu Alemannia Aachen.

Aachen: Kein Spiel bei den Profis, aber eine neue Heimat

Einen Einsatz in der Ersten Mannschaft bestritt er dort jedoch nie, eine Hüftarthrose zwang Hengen, seine Karriere zu beenden. Heimisch geworden ist er in Aachen dennoch: "Die rheinische Kultur, die Offenheit und die direkte Art der Menschen hat mir schon immer gefallen."

Von 2006 bis 2008 leitete Hengen das Nachwuchsleistungszentrum der damals sehr erfolgreichen Alemannen und betreute ihre U23. Und er erwarb seine Fußballlehrer-Lizenz an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln. Zu den Dozenten, die er während dieses Lehrgangs erlebte, zählte auch ein gewisser Kalli Feldkamp. Lauterns Meistertrainer von 1991 referierte über "Mannschaftsführung von sehr international geprägten Mannschaften" und "Aspekte der Tätigkeit eines deutschen Trainers im Ausland."

Dazu, sich selbst als Trainer im Profibereich zu versuchen, kam Thomas Hengen jedoch nicht. Als er 2009 ein Spiel von Bayer Leverkusen besuchte, kam er mit Robbie Cooke ins Gespräch, dem Chefscout des FC Everton. Der erzählte, dass er für den englischen Erstligisten einen hauptamtlichen Späher suche, der für ihn die Regionen West-Deutschland/Niederlande/Belgien beackere. Hengen bewarb sich, bestand die Praxisprüfung und fühlte sich fortan pudelwohl in diesem Job - nicht zuletzt deswegen, weil er die gewünschten Ziele von Aachen aus prima anfahren konnte: "Nachmittags Köln, abends Enschede, das ist zu schaffen", gewährte er den "Aachener Nachrichten" später Einblicke in sein buchstäblich bewegtes Leben.

Neustart bei der Alemannia nach bewegten Jahren

Nach Everton scoutete Hengen für den Hamburger SV, West Ham United und drei Jahre für den PSV Eindhoven, für den er auch Südeuropa durchstreifte. Bis ihn die Alemannia-Verantwortlichen Anfang 2020 überredeten, wieder für seine Wahlheimat aktiv werden, diesmal als Sportdirektor.

Ein Verein, der innerhalb von zwölf Jahren von der Bundesliga in die Regionalliga West durchgereicht worden war, zwei Insolvenzen überstanden hatte, Trainer und Spieler wechselte, wie die meisten Menschen ihre Unterwäsche, und öfter mal Knatsch mit Geldgebern hatte. Freunde bissigen Humors dürften nun sagen: In diesem Umfeld musste einer, der in Kaiserslautern groß geworden war, sich ja wohlfühlen. Thomas Hengen nahm die Herausforderung an. Mit Fuat Kilic stand ihm ein Trainer zu Seite, der mit Milan Sasic zusammen ebenfalls schon beim FCK aktiv war - und mit dem Hengen einst in Köln die Schulbank gedrückt hatte. Gemeinsam musste da doch was zu erschaffen sein.

Als Corona der Saison 2019/20 im März ein Ende setzte, rangierte die Alemannia auf Rang 6, ohne ernsthafte Chance, noch an der Spitze anzudocken. Trainer Kilic musste gehen. Auch in der aktuellen Spielzeit läuft es nicht rund und schon gar nicht ruhig: Ende letzten Jahres kam es zu einem Spieleraufstand gegen den neuen Trainer Stefan Vollmerhausen, der mittlerweile ebenfalls entlassen wurde. Haupt- und Trikotsponsor Helmut Kutsch überwarf sich mit dem Verein, drohte mit Ausstieg und soll der "Aachener Zeitung" zufolge dem Sportdirektor zwischenzeitlich sogar Hausverbot erteilt haben. Kein Wunder, dass die Medien schreiben, Thomas Hengen habe zuletzt "zermürbt" gewirkt.

Wie der Vater, so der Sohn: Anruf aus dem Hause Merk

Am Montag nun bat er um Vertragsauflösung. Weil ihn, wie kurz darauf bekannt wurde, schon vor einigen Wochen erneut ein Anruf aus Kaiserslautern erreicht hatte. Abermals meldete sich ein Merk am anderen Ende. Der Junior diesmal, Markus Merk, der nun bekanntlich Beiratsvorsitzender des FCK ist. Und wie der Vater, wollte nun auch der Sohn Hengen zum Betzenberg holen.

Der nun 46-Jährige wird künftig als Geschäftsführer Sport beim FCK fungieren, offiziell erst ab dem 01. März, "mit Respekt auf die am 26. Februar stattfindende Mitgliederversammlung", wie es in der offiziellen Presseerklärung heißt. Schließlich käme sonst der nicht ganz unberechtigte Vorwurf, dass der alte Aufsichtsrat/Beirat den dann neuzuwählenden vor vollendete Tatsachen gestellt hätte. Einfach die Hände in den Schoß legen wollten Merk und Co. aber verständlicherweise auch nicht - weshalb nun diese Lösung mit dem 01. März herausgekommen ist. Sein Sportdirektorenamt in Aachen trat Hengen vergangenes Jahr am gleichen Tag an. Was gar kein so schlechter Zeitpunkt sei, wie betonte er damals betonte: "Genau richtig, um die Kaderplanung für die kommende Saison voranzutreiben".

Kaderplanung für 2021/22 dürfte den ersten Fokus bilden

Und dabei kommt er in der Tat einiges auf ihn zu. Besonders vor dem Hintergrund der vielen Leihspieler, die der FCK zurzeit beschäftigt, ist noch reichlich unklar, mit welchem Personal der Klub in die nahe Zukunft startet. Nennenswerte Einnahmen durch Ablösen sind in diesem Sommer ebenfalls nicht zu erwarten. Immerhin ist die Trainerfrage erstmal geklärt und man darf davon ausgehen, dass hier auch die Meinung von Hengen schon mit einbezogen wurde.

Spannend wird vor allem sein, wie Hengen sein Netzwerk auf den internationalen Märkten nutzt, das er in seinen Jahren als Scout geknüpft hat. Sportdirektor Boris Notzon, der zuletzt für die Kaderplanung verantwortlich zeichnete, bevorzugte Verpflichtungen im einheimischen Umfeld. Wie mit Notzon weiter verfahren wird, dessen Vertrag im Sommer bekanntlich ausläuft, ist nun ebenfalls Angelegenheit der neuen Führungskraft.

"Dynamisch, modern, frisch, innovativ, hungrig auf Erfolg", charakterisiert Markus Merk seinen neuen Geschäftsführer. Er hätte ruhig ergänzen können: "Ist Kummer gewohnt."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Chronologie im DBB-Forum: Thomas Hengen wird neuer Geschäftsführer Sport beim FCK

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