Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Türkgücü

DBB-Analyse: Wenn zwei nur abwarten, gähnt der Dritte

DBB-Analyse: Wenn zwei nur abwarten, gähnt der Dritte

Foto: Eibner-Pressefoto/Alexander Neis

Nach 3:4 nur 0:0 - woran liegt's, dass sich die vielbeschworene "Balance" zwischen Abwehr und Angriff nicht finden lässt, weil das Pendel mal zur einen, mal zur anderen Seite ausschlägt? Die Antwort ist doch so einfach: am Gegner.

Die Wechselaktion in der 72. Minute wirkte fast, als wolle Jeff Saibene, Trainer des 1. FC Kaiserslautern, es den nervigen Mediennerds mal so richtig zeigen. Hatten die doch gerade zuletzt wieder gefragt, weshalb er nicht mal mit zwei Stürmern spielen lasse, obwohl er schon oft genug erklärt, dass sein Team mit einem Stürmer auf dem Platz mehr Chancen kreiert als mit zweien. Also nimmt Saibene die Solo-Spitze Marvin Pourié sowie Mittelfeldspieler Marlon Ritter raus und setzt in verbleibenden 20 Minuten auf das Sturmduo Daniel Hanslik/Elias Huth. Sollen die Besserwisser doch mal sehen, was sie davon haben.

Und siehe da: Die Umstellung bringt tatsächlich wenig bis gar nichts - jedenfalls nicht in diesen letzten 20 Spielminuten, auf dem dann auch schon ziemlich tief gewordenen Rasen. Hanslik hätte vielleicht nochmal netzen können, wenn er nicht einen Schritt zu spät gekommen wäre, aber das war's auch schon. Der Trainer hat also Recht behalten. Wenngleich er sich kaum darüber gefreut haben dürfte. Aber das war jetzt natürlich nur so dahin schwadroniert.

Doppelwechsel sollte für mehr "Dynamik" sorgen: hat nicht geklappt

Die offizielle Begründung Saibenes lautete später, er habe mit dem Doppelwechsel eine neue "Dynamik" ins Spiel bringen wollen, da dieses "zu verflachen" drohte. Dann soll das so gelten. Auch wenn es schon verwunderlich ist, für die neue Dynamik die neben Kenny Redondo einzigen Offensivspieler zu opfern, die ein Spiel auch mal mit einer überraschenden Aktion entscheiden können.

Ansonsten ist nach dem 0:0 gegen Türkgücü München, der vierten Nullnummer des FCK in dieser Spielzeit, wieder viel über die "Balance" erzählt worden, die nach der 3:4-Niederlage in Dresden in die andere Richtung nicht gestimmt hätte. Diesmal hätte die Defensive wieder gut gestanden, dafür sei halt nach vorne nichts gelaufen. Woran liege es denn nur, dass das Pendel mal in die eine, mal in die andere Richtung ausschlägt, und das so extrem?

Gegen Dresden mehr Torgefahr: Weshalb, liegt auf der Hand

Die Antwort ist im Grunde einfach: "Schuld" daran ist allein der jeweilige Gegner. Dresden wollte das Spiel dominieren, agieren, erst recht, nachdem der FCK in Führung gegangen war. Das kommt der Spielweise, die Saibene den Lautrern verordnet hat, entgegen:

Abwarten, reagieren, aufs berühmte "schnelle Umschaltspiel" setzen. Und da sie das bisweilen gut hinbekommen, kreierten sie gegen Tabellenführer Dresden mehr Torszenen als in den meisten anderen Partien dieser Saison. Denn die meisten Gegner der 3. Liga bevorzugen ebenfalls eine reaktive Spielweise. So wie Türkgücü München. Der Unterschied zum FCK: Türkgücü hat damit in dieser Saison bislang zwölf Punkte mehr geholt. Und ist deswegen nun Tabellen-4., der FCK steht auf Platz 17.

Die angesprochenen guten Torchancen für Lautern in Hälfte eins resultierten dementsprechend aus Umschaltsituationen, und die wurden sogar absolut ansehnlich ausgespielt. Beiden gingen Ballgewinne tief in der eigenen Hälfte voraus, beide Male war Dampfmacher Jean Zimmer beteiligt: Einmal legte er mit einem präzisen flachen Diagonalball Kenny Redondo auf, einmal scheiterte er, nach starkem Ritter-Vertikalpass und guter Ablage von Pourié, freistehend an Türkgücüs Zu-Null-Keeper René Vollath.

Wobei angemerkt werden muss: So "hundertprozentig", wie sie hinterher gemacht wurden, waren auch diese Gelegenheiten nicht. Redondo wird bei seinem Schussversuch arg bedrängt, und Zimmer ist, als er den Ball erreicht, dem herauslaufenden gegnerischen Keeper bereits recht nahe. Mal ganz abgesehen davon, dass es "Hundertprozentige" sowieso nicht gibt, wie wir aus unseren "expected Goals"-Analysen wissen

So spannend, wie Wandfarbe beim Trocknen zuzusehen

In der zweiten Hälfte standen sich dann zwei Teams gegenüber, die beide nur tief stehen und reagieren wollten. Folgerichtig war es so spannend, diese am Flachbildschirm zu verfolgen, wie Wandfarbe beim Trocknen zuzusehen. Da Türkgücü mit einer Nullnummer wesentlich besser leben konnte als der FCK, war es an diesem, die Initiative zu ergreifen. Und nach einer Idee zu suchen, den Münchner Defensivblock zu knacken. Und da der "Wandspieler" fürs Spiel mit langen Schlägen und den zweiten Ball nunmal fehlt, mussten die Lautrer es mit Kombinationsspiel versuchen.

Üblicherweise werden solche Bemühungen - so sie erfolglos bleiben, und das tun sie beim FCK meistens - damit kommentiert, dass es dem "letzten Pass" an Genauigkeit gefehlt habe. Vergessen wird dabei, dass sich die möglichen Empfänger eines solchen Zuspiels permanent bewegen müssen, so dass der gegnerische Abwehrriegel in Unordnung gerät. Außer dem meist doppelt gedeckten Pourié bot sich vorne jedoch kaum eine Anspielstation an.

Ciftci außer Form - und Zuck "hat Rücken"

Das Übrige scheiterte an der Tagesform von Spielern, die es eigentlich besser können. Diesmal war es Hikmet Ciftci, dem in der zweiten Hälfte gar nichts mehr gelang. Allein zwei Mal verlor er den Ball in der Vorwärtsbewegung, was, einmal unmittelbar, einmal eine Station weiter, zu Freistoßchancen des Gegners führte. Ebensowenig kamen seine vertikalen Zuspiele an.

Manchmal braucht es nur einen, der einfache Bälle im richtigen Moment richtig spielen kann. Einen wie Hendrick Zuck, der das vielleicht nicht immer, aber ziemlich oft hinbekommt. Aber der "hat Rücken" zurzeit.

Die Positions- und Passgrafik sagt mehr als tausend Worte

Unsere xG-Timeline zeigt. Unterm Strich hatte der FCK "leichte Vorteile", wie auch der Kommentator von "Magenta Sport" resümierte. Diese allerdings auch nur aufgrund der beiden guten Gelegenheiten in Hälfte eins. Ein xG-Gesamtwert von 0.82 - bei 0.41 des Gegners - ist absolut nicht zufriedenstellend. Dass es sich hier um ein Heimspiel auf dem Betzenberg handelte, der vor langer Zeit mal als "Bastion" galt, sollten wir am besten gar nicht mehr erwähnen.

xG-Plot FCK-Türkgücü

Im Prinzip genügt die Positions- und Passgrafik, um dieses Spiel zu analysieren. Die dicken Pfeile und die Größe der Spots verdeutlichen, wo und wie der Ball die meiste Zeit lief. So sieht das aus bei einer Mannschaft, die die Lücke nicht findet. Vorne Mitte: Gähnende Leere.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Gäste: zumindest ein sehr ungewöhnliches Bild. Statt Flügelspiel immer schön durch die Mitte. Ein Tor erzielt haben sie damit freilich auch nicht.

Passmap Türkgücü

"Spiel auf Kante" wäre auf dem Rasen vielleicht hilfreicher

Und nun? Drauf hoffen, dass Sportdirektor Boris Notzon bis zum Transferschluss am kommenden Sonntag die herbeigesehnte "Kante" noch verpflichtet? Das würde wenigstens eine Umstellung der Spielanlage auf die Langer-Ball-Zweiter-Ball-Variante erlauben, was zumindest im eigenen Stadion erfolgversprechender sein könnte. Sich durch tief gestaffelte Deckungen durchzuspielen, ist auf dem Rasen in seinem gegenwärtigen Zustand in der Tat ungleich schwerer.

Oder doch den Trainer entlassen? Wir bleiben dabei: Darüber sollte der angekündigte neue Funktionsträger im sportlichen Bereich entscheiden.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Grafiken sagen nicht alles, aber viel: Die Taktikanalysen von den FCK-Spielen

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