Im Blickpunkt

Deutlich mehr Argumente für die U23 als dagegen

Deutlich mehr Argumente für die U23 als dagegen


Braucht der 1. FC Kaiserslautern eine U23-Mannschaft? Wir haben die aktuelle Diskussion anhand konkreter (Spieler-)Beispiele unter die Lupe genommen.

"Wir müssen über alles nachdenken", sagte der FCK-Vorstandsvorsitzende Thomas Gries am Wochenende in der Rheinpfalz und entfachte damit die neuerliche Diskussion über eine Abmeldung der U23-Mannschaft. Sportdirektor Uwe Stöver konterte nur einen halben Tag später: "Ich halte es für wichtig und absolut richtig, die U23 zu halten."

Aus diesen konträren Aussagen ist noch kein neuer Streit in der Lautrer Vereinsführung abzuleiten, denn die reine Prüfung aller Optionen gehört zu den Pflichtaufgaben von Aufsichtsrat, Vorstand und Sportdirektor. Beim Thema U23 wird dabei schnell – und mal wieder – ein Konflikt zwischen finanziellen und sportlichen Argumenten deutlich:

Die Kosten sind mal wieder der Hemmschuh beim FCK

Eigentlich möchte beim FCK niemand die oberste Nachwuchsmannschaft abschaffen, aber beim Blick auf die nackten Zahlen wirkt die Möglichkeit für manch einen dann doch verlockend: Dem Vernehmen nach kostete die U23 in den letzten Jahren zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro pro Saison. Mit einem verkleinerten Kader und einem neuen Trainer wurden die Kosten zwar im vergangenen Sommer schon runtergefahren (und das sportliche Abrutschen in den Abstiegskampf mit einkalkuliert), liegen aber vermutlich immer noch im siebenstelligen Bereich. Aus sportlicher Hinsicht wird von Abmeldungsbefürwortern bundesweit außerdem folgendes Argument vorgebracht: "Gute Spieler schaffen es direkt aus der U19 zu den Profis."

Bezugnehmend auf den 1. FC Kaiserslautern lohnt es sich, diese Argumente anhand konkreter Beispiele zu analysieren. Dabei bietet sich vor allem der Blick auf die starke A-Jugend-Mannschaft von 2011 an, die Deutscher Vize-Meister wurde und gleich mehrere spätere U21-Nationalspieler hervorbrachte. Hätten diese Spieler auch ohne den Umweg über die U23-Mannschaft den Durchbruch beim FCK geschafft?

Die leistungsstarke U19-Mannschaft von 2011 und einige weitere Spieler in der Einzelbetrachtung:

Durchbruch auch ohne U23: Dominique Heintz

Dominique Heintz

Der Innenverteidiger aus Kirrweiler schaffte es als einziger Spieler der jüngeren Vergangenheit direkt aus der A-Jugend (U19) zu den Profis beim FCK. In der Saison 2011/12 wurde Heintz bei der U19 (16 Einsätze) und der U23 (11 Einsätze) fertig ausgebildet und war fortan fester Bestandteil des Profikaders. Im Sommer 2015 wechselte Dominique Heintz für 1,5 Mio. Euro zum 1. FC Köln, heute ist er bereits ein vielfaches dieser Ablösesumme wert.

Mit Anlaufschwierigkeiten zu den Profis: Willi Orban

Willi Orban

Der in Kaiserslautern geborene Orban schaffte es zwar schon fast ein Jahr früher als Dominique Heintz zu seinem ersten Startelf-Einsatz bei den FCK-Profis (2011 als Rechtsverteidiger in Nürnberg). Dann brauchte er aber noch fast eineinhalb Jahre und 35 Einsätze als Führungsspieler bei der U23, ehe er sich zum Ende der Relegationssaison 2012/13 bei den Profis durchsetzen konnte. Im Sommer 2015 wechselte Willi Orban als FCK-Kapitän für 2,5 Mio. Euro (festgeschriebene Ablösesumme) zu Rasenballsport Leipzig, heute liegt sein Marktwert ebenso wie bei Dominique Heintz deutlich höher.

Erst über die U23 zum Erfolg: Jean Zimmer

Jean Zimmer

Der Flügelflitzer aus Landstuhl ist das Paradebeispiel für einen Erhalt der U23. Zimmer stand 2011 zusammen mit Heintz und Orban im Finale um die Deutsche Meisterschaft, durfte dann aber altersbedingt noch ein Jahr länger als seine Kollegen in der U19 spielen. Einen Profivertrag erhielt er erst nach einer vollen Saison bei der U23, fest in den Kader der Profis schaffte er es dann nach eindreiviertel Jahren bzw. 59 Ligaspielen für die U23. Nach weiteren 66 Pflichtspielen für die FCK-Profis wechselte Jean Zimmer im Sommer 2016 schließlich für 2,0 Mio. Euro (festgeschriebene Ablösesumme) zum VfB Stuttgart und betonte ganz aktuell im Interview bei FCK-Blogwart, dass ihm die U23 sehr geholfen habe.

Gerry Ehrmanns Torwarttalente: Marius Müller und Co.

Marius Müller

Die Torhüter sind ein Spezialfall, weil sie theoretisch freitags auf der Ersatzbank bei den Profis sitzen und samstags bei der U23 Spielpraxis sammeln können – und weil Gerry Ehrmann auf dieser Position regelmäßig Talent und Geld in den Verein bringt. Marius Müller absolvierte 60 Spiele für die Lautrer U23, Kevin Trapp kam zu 50 Einsätzen und selbst Tim Wiese wurde einst zunächst für die U23 (15 Einsätze) von Fortuna Köln verpflichtet. Alleine diese drei Torhüter brachten 7,5 Mio. Euro Ablöse in die FCK-Kasse, wobei der heutige PSG-Schlussmann Trapp für 1,5 Mio. Euro festgeschriebene Ablöse sogar noch deutlich unter Marktwert hergegeben wurde.

Sonstige Spieler: Hendrick Zuck und Co.

Hendrick Zuck

Die mittlerweile etablierten Bundesligaspieler Heintz und Orban sind nur die Spitze des Eisbergs. Für niedrigere Summen gab der FCK auch noch andere Ex-U23-Spieler wie Hendrick Zuck (61 U23-Spiele, 19 Profi-Spiele, 500.000 Euro Ablöse), Denis Linsmayer oder Julian Derstroff an andere Vereine ab. Ex-U23-Torjäger Andrew Wooten (80 Spiele, 43 Tore für den FCK II) brachte zwar nur 80.000 Euro Ablöse ein, schickt sich aber gerade an, zum wiederholten Male für Sandhausen mehr Zweitliga-Tore zu erzielen als der jeweils erfolgreichste FCK-Stürmer.

Zwischenfazit: Den direkten Kosten für die U23-Mannschaft standen in den letzten Jahren auch indirekte Einnahmen in ganz erheblicher Höhe gegenüber. Alleine durch die Verkaufserlöse von Heintz, Orban und Co. – die es vielleicht ohne den Zwischenschritt bei den "FCK-Amateuren" nicht gegeben hätte – wurde der U23-Etat über Jahre hinaus finanziert. Vorteile wie die positive Außenwirkung durch eine weitere FCK-Profimannschaft, Möglichkeiten zur Spielpraxis für zuvor verletzte Spieler oder der jederzeitige Direktzugriff auf die eigenen Talente (im Gegensatz etwa zu den Modellen "Farmteams" oder "Ausleihgeschäfte") sind dabei noch nichtmal mit eingerechnet.

Also eigentlich ein klares Ergebnis für den Erhalt der U23. Vor allem für den Moment, also die nächsten paar Jahre: Solange der FCK sein Nachwuchsleistungszentrum noch nicht auf Vordermann gebracht hat, so dass bessere Voraussetzungen für den erhofften Sprung direkt von der U19 zu den Profis geschaffen werden, könnte eine Abmeldung der U23 sogar fatal werden. Gerade jetzt, wo sich nach mehreren sportlich mageren Jahren ein wieder hochklassiger A-Jugend-Jahrgang herauszubilden scheint, würde den Talenten der risikomindernde "Plan B" bei der U23 – wie zuvor etwa bei Jean Zimmer – entzogen und zwangsläufig zu Vereinswechseln führen.

Nicht finanziell, aber sportlich noch deutlicher wird die Argumentation beim Blick auf den aktuellen FCK-Kader:

Die U23-Talente von heute: Julian Pollersbeck, Robin Koch, Robert Glatzel

Robin Koch

Julian Pollersbeck und Robin Koch haben sich mitten in der laufenden Saison 2016/17 zu absoluten Leistungsträgern bei den FCK-Profis entwickelt. In der Sommerpause 2016 war damit noch nicht zu rechnen. Hinzu kommt U23-Torjäger Robert Glatzel, der in der Rückrunde schon zwei Tore in der 2. Bundesliga erzielte und nun einen Profivertrag erhalten soll.

Das Kuriose daran: Diese drei Spieler wurden alle nicht in der FCK-Jugend ausgebildet, sondern erst im Erwachsenenalter für die U23 verpflichtet und nach ein, zwei Jahren in den Profikader hochgezogen. Pollersbeck (47 U23-Spiele) kam 2014 als 19-jähriger von Wacker Burghausen, Koch (27 U23-Spiele) als ebenfalls 19-jähriger ein Jahr später von Eintracht Trier, ebenso wie Glatzel (45 U23-Spiele, 27 Tore) mit schon 21 Jahren im Sommer 2015 von 1860 München II. Ohne U23 wären diese drei Talente vielleicht nie zum FCK gekommen oder hätten irgendeinen anderen Umweg finden müssen.

Mehrheitsmeinung: Die U23 soll erhalten bleiben

Angesichts dieser Statistiken verwundert es nicht, dass sich seit Bekanntwerden der Überlegungen eine breite Diskussion mit relativ eindeutigen Mehrheitsverhältnissen ergeben hat: Eine nicht repräsentative Umfrage mit über 200 FCK-Fans im DBB-Forum hat ein Zwischenergebnis von 79% für den Erhalt der U23 ergeben. Auch die Kommentatoren bei Rheinpfalz und Kicker hoben vor allem die sportlichen Vorteile der Zweitvertretung hervor.

Die Kosten senken – oder die Einnahmen erhöhen?

Aber was ist nun mit den anfallenden Kosten? Eine weitere Überlegung könnte sein: Nicht nur die Ausgaben für die zweite Mannschaft senken, sondern auch die Einnahmen (wenigstens ein bisschen) erhöhen. Warum müssen denn gerade die vielen interessanten Derbys in der Regionalliga Südwest zeitgleich zu den FCK-Profis und damit fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden? Andere Städte und Vereine zeigen, dass auch bei den Zweitvertretungen mehr los sein kann als die üblichen 250 Zuschauer bei FCK-U23-Spielen: Beim VfB Stuttgart II wurden im August 2012 durch geschickte Mobilisierung 19.970 Zuschauer zum Drittliga-Derby gegen den Karlsruher SC ins Neckarstadion gelockt. Das Münchner Amateure-Derby von 1860 II gegen Bayern II sorgt regelmäßig für Zuschauerzahlen jenseits der 10.000 im altehrwürdigen Grünwalder Stadion. Und auch Borussia Dortmund II hat regelmäßig deutlich vierstellige Zuschauerzahlen gegen Oberhausen, Wuppertal, Schalke II und Co. Warum nicht auch in Lautern? Fünfstellige Besucherzahlen bei der U23 sind zwar momentan utopisch, aber 1.000 Zuschauer statt nur 250 würden ja schon was ausmachen.

Und dann war da noch... Miroslav Klose

Übrigens, auch das größte FCK-Talent der letzten Jahrzehnte kam über die U23: Miroslav Klose. Der spätere Weltmeister und DFB-Rekordtorschütze kam bekanntlich im Sommer 1999 als 21-jähriger vom FC Homburg zu den FCK-Amateuren und schaffte erst nach 50 Spielen (26 Tore) in der damals viertklassigen Oberliga Südwest den Durchbruch bei den FCK-Profis. Ohne die Zwischenstation bei der zweiten Mannschaft wäre Klose vielleicht nie beim 1. FC Kaiserslautern gelandet.

Vorläufiges Abschlussfazit: Eine Million Euro oder mehr einzusparen wirkt natürlich verlockend. Aber eigentlich kann es sich der FCK momentan – solange der Fröhnerhof noch nicht ausgebaut und die U19 nicht nachhaltig gefestigt ist – nicht leisten, die U23 dauerhaft abzumelden. Erst in ein paar Jahren könnte sich die Ausgangslage vielleicht geändert haben und der Gedanke neu diskutiert werden.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Weitere Links zum Thema:

- Vorstand erwägt Abmeldung der U23-Mannschaft (Der Betze brennt, 18.02.2017)
- Stöver spricht sich für Erhalt des U23-Teams aus (Der Betze brennt, 19.02.2017)

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