Im Blickpunkt

Offene Fragen am Betzenberg

Offene Fragen am Betzenberg


Die Stimmung rund um den 1. FC Kaiserslautern hängt nach der Niederlage gegen den SC Freiburg tief. Die Roten Teufel treten auf der Stelle und manch einer befürchtet eine echte Horrorsaison. Es stellen sich viele Fragen. Wir haben sie zusammengefasst.

Für Außenstehende mag es vielleicht seltsam anmuten, dass die Anhängerschaft des 1. FC Kaiserslautern offen über einen Trainerwechsel diskutiert. Schließlich sind gerade einmal sechs Liga-Spiele bestritten, in denen der FCK eine unglückliche Niederlage gegen die heimstarken Heidenheimer und eine Schlappe gegen Aufstiegsaspirant Freiburg einstecken musste. Die Diskussionen und üblichen Forderungen haben längst Einzug in die täglichen Gespräche über den FCK gefunden. Dabei steht erwartungsgemäß vor allem der Trainer im Fokus. Aber auch die übrigen Verantwortlichen müssen sich kritische Frage gefallen lassen.

1. Die T-Frage

„Keine Trainerdebatte bei den FCK-Verantwortlichen“ – innerhalb von 48 Stunden wurde dieses Forumsthema auf Der Betze brennt mehr als 50.000-mal angeklickt. Das verdeutlicht, wie sehr die FCK-Fans momentan die Zukunft von Cheftrainer Kosta Runjaic interessiert. Bereits im Sommer wurde er öffentlich wie intern hinterfragt, und nicht wenige Anhänger hätten gerne einen neuen Mann auf dem Trainerstuhl der Roten Teufel gesehen. Vor allem der Ausgang der letzten Saison, in der nur drei Auswärtssiege gelangen und man am Ende unnötig den Aufstieg verspielte, wird „Coach Kosta“ angekreidet.

Auch in der aktuellen Spielzeit gelingt es Runjaic nicht, seine Kritiker zu beruhigen. Ganz im Gegenteil: Nach spielerisch schwachen Auftritten gegen Braunschweig, Rostock, Paderborn und Freiburg droht das FCK-Team in seiner Entwicklung zu stagnieren. Öffentlichen Ankündigungen (wie zuletzt gegen Freiburg) kann die Mannschaft immer seltener Taten folgen lassen. Genauso nach der 1:3-Pleite in Heidenheim, als der Trainer proklamierte, an den Mechanismen arbeiten zu wollen. Tatsächlich war davon aber vor allem in den Offensivbemühungen gegen den SCF wenig zu sehen. Auch wenn es wieder ein individueller Fehler war, der die Niederlage einläutete – für eine Heimmannschaft blieb der FCK viel zu blass, zwang den gegnerischen Torhüter gerade einmal zu zwei Paraden im ganzen Spiel und kann damit den eigenen Ansprüchen, sowie denen des Publikums, nicht gerecht werden.

Neben den Ergebnissen wird in den nächsten Tagen auch entscheidend sein, ob Runjaic seine Spieler erreicht und weiter deren Vertrauen genießt. Daniel Halfar, gegen Freiburg in der zweiten Halbzeit nicht als Passgeber sondern Stürmer aufgestellt, war vom Spiel und seinen Kollegen deutlich frustriert. Viele Akteure, allen voran Alexander Ring, suchen nach ihrer Form oder wirken bisweilen überfordert, wie zum Beispiel Tim Heubach. Sollte das Team die Bindung zu seinem Coach verlieren, gäbe es wohl keinen Ausweg und die Verantwortlichen müssten reagieren. Danach sieht es allerdings noch nicht aus, beachtet man Halfars Aussage in der SWR-Sendung Flutlicht: „Was kann ein Trainer dafür, wenn wir solche individuellen Fehler machen?“

In großen Teilen der Anhängerschaft hat Runjaic dagegen dieses Vertrauen schon längst verloren. Nicht nur wegen der Auftritte seines Teams, sondern auch weil er im Konflikt zwischen Fans und Mannschaft deutliche Worte an das Publikum richtete („Ich weiß nicht, was die Fans wollen“). Das Ergebnis: In der zwar nicht repräsentativen, aber doch aussagekräftigen Fan-Umfrage von Der Betze brennt fordern 79% (Stand: 15. September, 17:00 Uhr) die Entlassung des Cheftrainers.

2. Die SD-Frage

Von der dünner werdenden Luft schreibt die Rheinpfalz am Montag und meint damit nicht nur Trainer Kosta Runjaic, sondern nimmt auch Sportdirektor Markus Schupp ins Boot. Schupp zeichnet sich für die Zusammenstellung des Kaders seit Sommer 2014 verantwortlich. Zuletzt erfüllte er mit der Verpflichtung von Robert Pich und Marcus Piossek die Forderung des Trainers nach neuem Personal für die Außenbahn und setzte dort an, wo es nötig war. Allerdings bleibt nicht verborgen, dass schon zum vierten Mal in Folge und zum zweiten Mal unter Schupp der FCK entgegen anderer Ankündigungen einen heftigen Kaderumbruch verkraften muss.

„Wir haben uns nach der letzten Saison entschieden, dass wir nicht mehr mit Hau-Ruck in die erste Liga wollen, sondern dass wir nachhaltig eine Mannschaft aufbauen“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Rombach im Juni 2014, „sodass - sollten wir nicht nach einem Jahr aufsteigen - die Mannschaft nicht auseinander bricht." Dieses Vorhaben ist, zumindest hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Kaders, misslungen. Ein gefestigter Stamm, der über einen längeren Zeitraum wächst und mit gezielten Verstärkungen weiter entwickelt wird, scheint zur Zeit in weiter Ferne. Freilich kann man den Sportdirektor hierfür nicht alleine in die Pflicht nehmen. Auch er unterliegt in seiner Arbeit anderen Zwängen. Doch stellt sich nach sieben Pflichtspielen die Frage, ob Schupp aus den ohnehin schmalen Mitteln das Optimale herausgeholt hat. Momentan hat es den Anschein, dass der Aderlass im Kader qualitativ nicht ersetzt werden konnte, trotz verhältnismäßig stattlicher Transfereinnahmen. Hinzu kommen die Absagen einiger Wunschkandidaten, die er nicht nach Kaiserslautern locken konnte. Und dann schweben über Schupp noch immer die schweren Vorwürfe von Ex-Torhüter Tobias Sippel, dessen Erzählungen über das Zustandekommen seines Abschieds in der Pfalz viele Fragezeichen bezüglich der Zuständigkeit zwischen dem Sportdirektor Schupp und seinem Vorgesetzten Stefan Kuntz zurücklassen.

Sollte sich mit dem aktuellen Kader nicht bald der gewünschte Erfolg einstellen, scheint auch Schupp in seiner Position angreifbar. Denn der mittelfristige Erfolg der 2014 ausgerufenen neuen Philosophie wird sich vor allem an seiner Arbeit, unabhängig von Trainernamen, messen lassen. Eigentlich muss es nach Wunsch und Plan des Aufsichtsrats in dieser Saison um den Aufstieg gehen: „Lieber zwei Jahre aufbauen und dann aufsteigen. Mit einer Mannschaft, die noch Steigerungspotenzial hat“, sagte Dieter Rombach im Sommer vor einem Jahr. Dass Markus Schupp nun um Geduld werben musste, ist ein Indiz dafür, wie weit man vom damaligen Plan entfernt ist.

3. Die V-Frage

So langsam sollte in den nächsten Spielen etwas „Zählbares rauskommen“, wurde Stefan Kuntz nach dem Freiburgspiel zitiert. Womit der Vorstandsvorsitzende sanft, aber deutlich den Druck auf seine handelnden Angestellten erhöhte. Denn auch Kuntz sieht, dass der FCK in der neuen Saison trotz angekündigter Aufarbeitung der letzten Spielzeit stagniert und schon früh den Anschluss nach oben verloren hat. Scheitert Kosta Runjaic, wäre er seit Marco Kurz‘ letzter Saison der dritte Trainer unter dem Vorstandsteam Kuntz und Grünewalt, der den FCK nicht entscheidend und vor allem dauerhaft nach vorne bringt. Womit auch auf den seit 2008 amtierenden Kuntz der Erwartungsdruck steigen könnte. Während anderswo die Verantwortlichen vom Sturm der Enttäuschung nach zwei verpatzten Jahren hinweggefegt werden (Martin Bader in Nürnberg, Helmut Schulte in Düsseldorf, Fredi Bobic in Stuttgart, usw.), genießt Kuntz in der Pfälzer Anhängerschaft deutlich mehr Kredit. Viele haben es dem ehemaligen Top-Stürmer nicht vergessen, dass er gemeinsam mit Vorstandskollege Dr. Johannes Ohlinger und Trainer Milan Sasic den Verein im Jahr 2008 vor dem Komplettabsturz bewahrte.

Allerdings wird Kuntz sieben Jahre später immer häufiger bei einer kritischen Bewertung der gegenwärtigen Lage mit einbezogen. Zwar geht der Umbau des Nachwuchsleistungszentrums endlich voran, womit wichtige Weichen gestellt werden, doch droht der 1. FC Kaiserslautern in der Zwischenzeit nach und nach seine Strahlkraft zu verlieren. Bemerkbar macht sich das nicht nur im sportlichen, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich. Große, langfristige Sponsoren-Engagements bleiben aus, worauf man eher deprimiert mit dem Verweis auf den angeblichen Standortnachteil reagiert, statt kämpferisch und mutig anzupacken. Mit einem dauerhaften Konzept, das sich nicht an Personen orientiert und einem ehrlichen, soweit wie möglich transparenten Fahrplan würde sich dies wohl zum Teil ändern. Und man könnte die Entwicklung der Roten Teufel deutlich unaufgeregter und verständnisvoller begleiten. Anders als in den letzten Jahren, die vor allem durch Umbrüche und Unstetigkeit geprägt waren. Von einer Mobilisierung um Umfeld, einer Aufbruchsstimmung ist der FCK im September 2015 sehr weit entfernt.

Im Gegensatz zur Trainerfrage scheint es hier allerdings nicht sofort auf ein „Hop oder Top“ hinauszulaufen. Viele wünschen sich, dass Kuntz und sein Team an den richtigen Stellschrauben drehen und dem FCK endlich wieder ein vertrauenswürdiges, sympathisches Gesicht geben, das auf und neben dem Platz für gewisse Werte steht. Werte, die nicht nach nur einem Jahr wieder zerknüllt und weggeworfen werden. Gelingt ihm das nicht und sollte es weiter eher zurück statt nach vorne gehen, wird auch die Kritik am Vorstand nicht kleiner werden. Klar ist nämlich auch, dass ein neuerlicher Konzept- und Paradigmenwechsel nicht so einfach auszurufen ist. Das blinde Vertrauen im Umfeld ist nicht unerschöpflich. Deutliche Veränderungen müssten für die Fans und Mitglieder des FCK erkennbar sein.

4. Die AR-Frage

Das Schwierige an großen Worten ist, dass man sich später daran messen lassen muss. Vor allem, wenn sich damit Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche verbinden. Insofern dürften wohl alle Alarmglocken im Aufsichtsrat läuten, vor allem beim Vorsitzenden Dieter Rombach. Der FCK läuft trotz neuer Philosophie den Ansprüchen und ausgerufenen Zielen hinterher. Der geneigte FCK-Fan wünscht sich, dass das fünfköpfige Kontrollgremium die Vorgänge im Verein in einer kritischen Distanz bewertet und gegebenenfalls einschreitet. Und ehrlich darüber berichtet, so wie es vierteljährlich auch laut Vereinssatzung vorgeschrieben ist.

Nichtsdestotrotz: Dass diese Prozesse nicht in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden sollten, ist selbstverständlich, und so bleibt eine abschließende Bewertung über die Arbeit des Aufsichtsrats während der laufenden Saison oftmals schwierig. Spannend wird es allerdings dann, wenn der Verein zum Jahreswechsel und spätestens am Ende der Spielzeit tatsächlich weit von seinen Ansprüchen entfernt spielen sollte. Zumindest hier hatte man sich im Umfeld des FCK in der letzten Sommerpause mehr Klartext erhofft, auch vom mit großen Erwartungen gestarteten Nikolai Riesenkampff. Die Folgewirkungen einer weiteren Saison ohne erkennbare Verbesserung würde auch abseits der Tabellenplatzierung weitreichende Folgen haben - von der Identifikation im Umfeld bis hin zur Verteilung der Fernsehmillionen.

In den letzten Jahren sagte man, ausgehend von den Mehrheitsverhältnissen im Aufsichtsrat, dem Gremium eine eher unkritische Betrachtung und Bewertung der Arbeit der Vorstandsmitglieder nach. Auch um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen sollten die Mitglieder des Aufsichtsrates die gegenwärtige Unzufriedenheit im Umfeld wahr- und ernstnehmen, unemotional einordnen und bewerten. Es gilt einen Weg zwischen den Extremen zu finden. Andernfalls wird der drohende Niedergang am Betzenberg, auch wegen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, zum Alltag werden. Und das kann auf keinen Fall im Sinne der gewählten Mitgliedervertreter sein.

Es sind ebenso viele wie unterschiedliche Fragen, die sich gegenwärtig stellen. Einige könnten sich schon mit besseren Ergebnissen auf dem Platz in den nächsten zwei Wochen beantworten lassen - zumindest vorübergehend. Andere erfordern längeren Einsatz, eine gründliche Analyse und Bewertung. Aus Sicht der Anhängerschaft bleibt zu hoffen, dass sich alle Verantwortungsträger ihrer Aufgaben bewusst sind, sie bestmöglich erfüllen und begreifen, dass die gegenwärtige Unzufriedenheit, ausgedrückt durch Pfiffe, Kommentare, Rufe oder Fernbleiben, das Produkt einer übergreifenden Entwicklung der letzten Jahre ist, der man durch mutiges, entschiedenes Handeln entgegenwirken muss. Die Lage ist noch nicht eskaliert, aber sie ist explosiver, als es Außenstehende vielleicht glauben mögen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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