Im Blickpunkt: Außerordentliche Mitgliederversammlung am 9. Mai 2012

Ärger, Fakten, Diskussionen, Schulterschluss

Ärger, Fakten, Diskussionen, Schulterschluss

Foto: 1. FC Kaiserslautern

Das war sie also, die mit Spannung erwartete Außerordentliche Mitgliederversammlung beim 1. FC Kaiserslautern. Stefan Kuntz ging als großer Sieger hervor, Krassimir Balakov wackelt, die angebliche Opposition ist nicht mehr als heiße Luft und zu einigen Punkten wurde emotional diskutiert. Ein kleiner Rückblick.

- Fotos von der Außerordentlichen Mitgliederversammlung

Den ersten Hammer gab es gleich beim Betreten der Nordtribüne: Alles voll! Rund 2.450 Mitglieder waren es laut offiziellen Vereinsangaben, mehr als die Fan-Halle eigentlich fassen kann. Viele mussten stehen, ein großer Teil hatte keinen Blick auf die Rednertribüne (und umgekehrt), exakt 100 wurden sogar in die VIP-Ebene 1900 ausquartiert.

Die Nachricht des Tages war wohl die, die eigentlich gar nicht wörtlich ausgesprochen wurde: Krassimir Balakov wird demnächst entlassen! Wer genau auf die Zwischentöne geachtet hat, für den können die entsprechenden Aussagen Stefan Kuntz' nur diese Schlussfolgerung zulassen.

Der Gewinner des Abends war ganz klar Stefan Kuntz. Der Vorstandsvorsitzende ging energisch gegen Gerüchte (Vetternwirtschaft, Bereicherung) und sonstige Kritikpunkte (Transferflops, Nachwuchsarbeit) vor und zog mit glänzender Rhetorik das Publikum in seinen Bann. Konkrete kurzfristige Änderungen blieb er aber schuldig, außer dass zur neuen Saison ein Spieler weniger gekauft und dafür lieber neue Scouts installiert werden sollen. Egal, die Reaktionen waren eindeutig: Stehende Ovationen für Stefan Kuntz, der nach seiner emotionalen Rede mit den Tränen kämpfte.

Einen akribisch vorbereiteten Auftritt hatte auch Vorstandsmitglied Fritz Grünewalt, der bei seinen finanziellen Kennzahlen aber leider nach dem bekannten Leitsatz verfuhr: „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Einige Gegenüberstellungen waren zwar durchaus korrekt und nachvollziehbar, an anderen Stellen verglich er dann aber doch Äpfel mit Birnen. 2003 stand der FCK im Pokalfinale und qualifizierte sich für den UEFA-Cup, 2004 hatte das Fritz-Walter-Stadion noch nicht die heutigen Kapazitäten, 2006 gab es nach dem Abstieg einen großen Mitgliederzuwachs - klar, dass in diesem Zeitraum die Einnahmen und Ausgaben völlig anders waren als zwischen 2008 und 2012. Letztendlich musste Grünewalt im Verlauf des Abends mehrere Zahlen korrigieren, beispielsweise auf Hinweis des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Buchholz die getätigten Steuernachzahlungen (immerhin von 6,5 auf 4,6 Millionen Euro) und die tatsächlichen Stadionkosten im Ligavergleich.

(Update: Die FCK-Verantwortlichen legen in einer Rückmeldung wert auf die Feststellung, dass keine Zahl aus dem Vortrag von Fritz Grünewalt korrigiert wurde. Vielmehr handelte es sich bei der Diskussion mit Dieter Buchholz um eine ergänzende Erläuterung zur genannten Zahl.)

Fast schon zurückhaltend präsentierte sich der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. Dieter Rombach, der gleich zu Beginn freiwillig die Versammlungsleitung an den Ehrenratsvorsitzenden Dr. Michael Koll übergab - und damit einem entsprechenden Antrag zuvorkam. Somit trat er eigentlich nur in seinem 15-minütigen Bericht auf, in dem er Stefan Kuntz den Rücken stärkte, die Gerüchteküche nach den getätigten Stellungnahmen für beendet erklärte und sich von Vorwürfen bezüglich Abnickertum oder Abmahnungen genervt zeigte: „Das Thema hängt mir zum Hals raus!“

Nach zwei Stunden und den drei Berichten der Vorstandsmitglieder und des Aufsichtsratsvorsitzenden durften dann die Mitglieder das Wort ergreifen. Durch einen geschickten Trick hatte Versammlungsleiter Koll gleich zu Beginn die Tagesordnung geändert und die Zulassung der eingereichten Anträge nach hinten verschoben - dies hatte nicht nur gravierende Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Abends, sondern auch auf die anschließende Berichterstattung der Medien, die vielfach nur auf die Reden von Kuntz und Co. eingingen und danach Feierabend machten.

Bereits bei der Abstimmung über die Änderung der Tagesordnung hatte es hitzige Debatten gegeben, eine eindeutige Mehrheit sah hier nur Koll. Trotz Wahlempfehlung durch den eigentlich zur Neutralität verpflichteten Versammlungsleiter, zwei Abstimmungsversuchen, bereits angekündigtem und dann doch abgebrochenem schriftlichem Votum blieb das tatsächliche Ergebnis unklar. Dennoch wurde die Änderung unter großem Protest zahlreicher Mitglieder durchgedrückt.

Auch spätere Abstimmungen wurden teilweise zur Farce, weil Koll Teile des Auditoriums aufgrund der Überfüllung überhaupt nicht einsehen konnte. Manche Voten waren eindeutig, zumindest eines aber eindeutig falsch: Als noch mal genauer auf die „Vetterleswirtschaft“ im Fanshop und im Scouting eingegangen werden sollte - die Mehrheit der Mitglieder stimmte mit „Ja“, Koll sah das Ergebnis aber bei „Nein“ - sprang plötzlich Kurt Beck ohne jegliche Vorwarnung auf die Bühne. Der Ministerpräsident forderte die FCK-Mitglieder auf, diesen Antrag abzulehnen, man habe doch schließlich schon alles dazu gehört. Einen zweiten Teil des Antrags („Offene Trainerdiskussion“) ignorierte er dabei komplett und bekam vom Publikum Buh-Rufe als Quittung für seinen peinlichen Auftritt. Abgerundet wurde diese Anekdote davon, dass der Antragsteller seine Fragen eigentlich vorher schon persönlich bei Versammlungsleiter Koll zurückgezogen hatte, was aber scheinbar niemand mitbekam...

Von 38 eingereichten Anträgen (einige Briefe enthielten mehrere Fragen, die hier aufsummiert sind) wurden am Schluss nur noch drei (!) behandelt. Einige wurden aufgrund voriger Beantwortung zurückgezogen, andere wurden von den Mitgliedern abgelehnt, manche verstießen laut Jurist Koll gegen die Satzung und ganze 17 sollen nicht fristgerecht beim Verein eingegangen sein. Der FCK sah die zehntägige Abgabefrist dabei einem Sonntag, obwohl laut gesetzlicher Regelung im BGB in einem solchen Fall der folgende Werktag, also Montag, das Fristende bildet. Dazu eine weitere Anekdote: Ein Mitglied wollte auf Nummer sicher gehen und seinen Antrag an jenem Sonntag persönlich beim FCK abgeben. Sonntags arbeitet jedoch niemand auf der Geschäftsstelle. Einen Briefkasten gibt es nicht. Die Faxgeräte waren zumindest teilweise abgeschaltet. Und Anträge per E-Mail sind laut Geschäftsführung ungültig. Deshalb landete der Antrag auf Wahrung des Andenkens an Fritz Walter erst am Montagmorgen auf der Geschäftsstelle und wurde für die Mitgliederversammlung nicht zugelassen.

Auch ob die Einladungen zur Mitgliederversammlung überhaupt fristgerecht am Mittwoch, 11. April 2012 ausgestellt wurden, erscheint zumindest fragwürdig, wenn man es schon so genau nimmt.

Was bleibt als Fazit des Abends? Vorstand und Aufsichtsrat konnten ihre Sichtweise darlegen, ihre wichtigsten Argumente detailliert aufschlüsseln. Das haben sie insgesamt auch gut gemacht. Die zweite Ankündigung für diese Mitgliederversammlung, nämlich das „Tacheles geredet“ wird und alle offenen Fragen der Fans beantwortet werden, war hingegen ein Flop. Den Mitgliedern wurden nur je zwei Minuten Redezeit zugestanden, in die zum Teil sogar die Antworten der Vereinsführung mit einflossen. Viele Fragen wurden nur oberflächlich behandelt, andere - speziell aus den abgelehnten Anträgen - durften nicht einmal gestellt werden. Von „Tacheles“ war in diesen kurzen Gesprächen zwischen Vorstand und Mitgliedern nur wenig zu hören.

Als komplett heiße Luft entpuppten sich jegliche Gerüchte zu einer Oppositionsgruppe - es gibt keine Opposition! Alle kritischen Fragen kamen von einzelnen, engagierten Vereinsmitgliedern. Auch diverse Maulhelden aus dem Internet blieben stumm. Als Gruppe ist mit mehreren Beiträgen am Mikrofon höchstens die „Perspektive FCK“ ins Auge gefallen, die aber ausdrücklich nicht als Opposition auftritt, sondern die Vereinsführung vielmehr mit konkreten Vorschlägen und Konzepten aktiv unterstützen will.

Sei's drum: Die Mehrheit der anwesenden Vereinsmitglieder hat die Entscheidungen im demokratischen Verfahren gestern so getroffen, Beeinflussung von außen hin oder her. Die meisten dürften dabei ohnehin nicht von Michael Koll, sondern von Stefan Kuntz überzeugt worden sein. Die FCK-Fans und -Mitglieder wollen den Weg mit ihrem Vorstandsvorsitzenden weiter gehen, die emotionale Mitgliederversammlung ebenso wie die katastrophale Abstiegssaison abhaken und gemeinsam nach vorne schauen - diese Mehrheitsmeinung sollte jeder akzeptieren, denn nur so kann das Projekt „Sofortiger Wiederaufstieg“ gelingen!


Natürlich kann von einer fast fünfstündigen Sitzung nicht jedes Detail in einem einzigen Artikel abgehandelt werden und sicher gibt es auch andere Sichtweisen zur Außerordentlichen Mitgliederversammlung beim FCK. Deshalb an dieser Stelle der Verweis auf weitere Berichte anderer Medien, in denen speziell auf die Rede von Stefan Kuntz noch etwas ausführlicher eingegangen wird:

- Befreiungsschlag für FCK-Bosse (Rheinpfalz)
- FCK arbeitet Abstieg auf - Kuntz wird gefeiert (SWR)
- Details aus der Mitgliederversammlung (Magazin Insider)
- Offene Worte den Mitgliedern (fck.de)
- Kuntz erklärt sich und droht mit Klage (Bild)
- Live-Ticker von der Außerordentlichen Mitgliederversammlung (Der Betze brennt)

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Kommentare 278 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken