Im Blickpunkt: Außerordentliche Mitgliederversammlung am 9. Mai 2012

Ein langer Abend steht bevor

Ein langer Abend steht bevor


„Wir wollen uns stellen und Tacheles reden. Dabei soll auf den Tisch kommen, was falsch gemacht wurde und was wir für die Zukunft planen.“ Mit diesen Worten lud der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Rombach die Mitglieder vor gut vier Wochen zur großen Aussprache ein. Auf der ersten außerordentlichen Mitgliederversammlung beim 1. FC Kaiserslautern seit 1996 - damals kam es zur großen Revolution - sollen die Fehler der Abstiegssaison aufgearbeitet und ein neuer Zusammenhalt für das bevorstehende Zweitligajahr geschaffen werden.

Eine Revolution ist diesmal nicht zu erwarten, dennoch wird Stefan Kuntz wohl viele kritische Fragen beantworten müssen. Das er und sein Team, den Aufsichtsrat eingeschlossen, die Gesamtverantwortung für das Wohl und Wehe des FCK tragen, ist auch von offizieller Seite unbestritten. Sie können zwar keine Tore schießen, aber sie haben die Spieler verpflichtet, die das Runde in der abgelaufenen Saison nicht ins Eckige brachten.

Über eine Stunde, zuletzt sogar fast 90 Minuten sprach Kuntz in den vergangenen Jahren auf den Mitgliederversammlungen des FCK. Am Mittwoch dürfte seine Redezeit kaum kürzer ausfallen, denn der Vorstandsvorsitzende will mit einer ganzen Reihe von lästigen Gerüchten und Vorwürfen aufräumen. Das er keine ungesunde Nähe zu irgendeinem Spielerberater pflegt, wird er wohl ebenso klarstellen wie die aus seiner Sicht nicht vorhandene Vetternwirtschaft auf dem Betzenberg. Es wird um Team-Manager Marco Haber und Nachwuchsleiter Frank Lelle gehen, um Kuntz' Schwägerin Trudi, die im Sog des Aufstiegs den Fanshop lukrativer machte, und um seinen Bruder Michael, der früher auf 400-Euro-Basis und für Spesen Spieler gescoutet hat.

Es wird aber auch um Fritz Grünewalt gehen, im Fahrwasser dessen Verpflichtung vor zwei Jahren der Aufsichtsrat fast zerbrach. Die Vorwürfe der Kumpanei bei der Installation des Landauers als zweiten Vorstand stehen trotz aller Dementis bis heute im Raum, auch sie könnten ein Thema der Mitgliederversammlung werden. Unstrittig ist, dass Grünewalt weitere Mitarbeiter aus dem Umfeld seiner früheren Firmen OF-Consulting und trans-marketing beim FCK installiert hat, zuletzt den neuen Geschäftsführer Marco Stenger. An diesen hochrangigen Personalien entzündet sich die wahre Kritik, die vor zwei Monaten im FAZ-Artikel über den „Pfälzer Klüngel“ gemündet ist, und nicht an den Mitarbeitern vom Fanshop oder im Scouting.

Auch Grünewalt wird am Mittwoch Stellung nehmen und als Herr der Zahlen und der guten Ideen auf die finanzielle und strategische Entwicklung des Vereins eingehen. Selbst seine Kritiker innerhalb des Vereins bescheinigen dem Nachfolger von Dr. Johannes Ohlinger dabei speziell aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine gute Arbeit. Die Finanzen werden demnach viel transparenter dargestellt, der Schuldenstand des FCK konnte auch dank der sportlichen Erfolge deutlich verringert werden.

Vor dem Bericht des Vorstands wird - dies ist ein Unterschied zu sonstigen Mitgliederversammlungen - Dieter Rombach für den Aufsichtsrat sprechen. Auch das Gremium des „Prof“, wie er von Kuntz gerne genannt wird, ist heftig unter Beschuss geraten. Mangelhafte Aufsicht, fehlende Kontrolle, mehrheitliches Abnickertum - die aktuellen Vorwürfe gegen die Vorgesetzten von Kuntz und Grünewalt tragen verschiedene Namen, aber sie haben die gleiche Bedeutung. Zwei Rücktritte von langjährigen Aufsichtsratsmitgliedern in den vergangenen zwölf Monaten, bei denen nicht nur zwischen den Zeilen heftige Kritik an der Arbeitsweise des Gremiums zu lesen war, liefern die nötigen Argumente. Zehn Tage vor der Versammlung, die eigentlich zur Beantwortung aller Vorwürfe einberufen wurde, sah sich der Aufsichtsrat sogar zu einer vorzeitigen Stellungnahme gezwungen. Darin wurde dem Vorstand ausdrücklich der Rücken gestärkt und jegliches unseriöse Geschäftsgebahren ins Reich der Lügen verwiesen. Mittlerweile schließt Rombach sogar nicht mehr aus, dass er als Konsequenz der Pleitesaison 2011/12 zurücktritt, möchte diese Entscheidung aber nicht übers Knie brechen: „Das werde ich mir mit genügend Abstand nach der Versammlung durch den Kopf gehen lassen.“

Vorstand und Aufsichtsrat werden aber auch am Mittwoch noch kritische Fragen beantworten müssen. Schließlich wurde die außerordentliche Mitgliederversammlung extra dafür einberufen.

Warum läuft die Nachwuchsarbeit so schlecht? Als Vorzeigeprofis werden Julian Derstroff oder Willi Orban genannt, de facto aber spielen U19 und U17 in der kommenden Saison wohl zweitklassig gegen Vereine wie Eisbachtal und Gonsenheim. Die mangelhafte Infrastruktur am Fröhnerhof wird immer wieder beklagt, jedoch macht diese bei der Bewertung durch die DFL - in der der FCK von drei auf null Sterne zurückfiel - nur 12% aus. Beispielsweise 14,6% entfallen auf die Chancen für Einsätze im Seniorenbereich (Effektivität/Durchlässigkeit) und gar 42,8% auf die penibel geplante Förderung der Jugendspieler (Fußballausbildung/Talententwicklung). Die Sterne-Bewertung der DFL ist dabei bares Geld wert, welches dem FCK zurzeit durch die Lappen geht. Die mangelhafte Bilanz von Frank Lelle nur auf die fehlenden finanziellen und personellen Möglichkeiten zu schieben, erscheint zu einfach.

Welche Fehler wurden im Scouting gemacht und wie sollen diese korrigiert werden? Mit Andreas Fehse steht laut Kuntz nur ein echter Spielerbeobachter zur Verfügung, ansonsten habe man sich auf die Kontakte von Vorstand und Trainer verlassen. Welche Arbeit haben dann aber Michael Kuntz und Danny Fuchs verrichtet, die ebenfalls zeitweise als Scouts gearbeitet haben? Und wie konnten solche Pannen passieren, wie mit der Leverkusener Leihgabe Lucas, der für die Bundesliga zu schlecht war und aufgrund der Ausländerregelung dann aber auch in der U23 nicht eingesetzt werden durfte. Nun war die Personalie Lucas kein Millionengrab, aber auch teure Spieler wie Itay Shechter, Gil Vermouth oder Stiven Rivic konnten die Erwartungen nicht erfüllen. Seit Stefan Kuntz' Amtsantritt vor vier Jahren haben inklusive Nachwuchsleuten 63 Spieler einen Profivertrag beim FCK unterschrieben, nicht jeder davon war ein Lakic, Ilicevic oder Sam. 61 Spieler verließen den Verein in derselben Zeit.

Warum wurde FCK-Torwart Kevin Trapp nicht für 2,5 Millionen plus Jan Moravek abgegeben, wo man doch intern - im Gegensatz zur allgemeinen Fan-Diskussion - von der Ausstiegsklausel für 1,5 Millionen wusste und einen Abstieg in die Kalkulation mit einfließen lassen musste? Warum liefen andere Transfers so, wie sie gelaufen sind, etwa der Austausch von Martin Amedick gegen Anthar Yahia oder allgemein die teamzerstörende Wechselorgie im Winter?

Aber nicht nur Kuntz und Co. werden Farbe bekennen müssen: Wer verbreitet die zum Teil wirklich ehrabschneidenden und haltlosen Gerüchte rund um die FCK-Verantwortlichen, sei es die Amedick-Kurz-Affäre oder die oder die Beteiligung von Kuntz' Frau Sabine an einer Spieleragentur? Welche Interessen stecken dahinter? Geht es um den Verein, um den eigenen Geldbeutel oder um Rache für frühere Zwistigkeiten? Wird sich der anonyme Teil der Kuntz-Gegner am Mittwoch zu erkennen geben? Die meisten Fans rechnen nicht damit, verlangen aber nach der großen Aussprache von allen Beteiligten den gemeinsamen Schulterschluss und ein Ende des Kleinkriegs. Wer etwas zu sagen hat, der soll es jetzt tun!

Wieso überhaupt gibt es so viele Grabenkämpfe auf dem Betzenberg? Heckenschützen und Pseudo-Oppositionelle schön und gut, aber wieso werden nicht Leute wie Hans-Peter Briegel, Dr. Markus Merk oder Dr. Johannes Ohlinger wieder offensiver in die Vereinsarbeit eingebunden? Nicht nur die 1991er-Meistermannschaft bietet kompetente FCK-Koryphäen, ohne dass man jedem einzelnen gleich eine Führungsposition anbieten müsste. Aber es sollte fortwährend versucht werden, weiteres Know-How in den Verein zu bekommen. Eintracht Frankfurt hat es vorgemacht, als der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen nach dem Abstieg mit dem Ex-Lautrer Bruno Hübner einen erfahrenen Sportdirektor zur Seite gestellt bekam und gemeinsam mit ihm den sofortigen Wiederaufstieg schaffte. Die entscheidenden Stichworte hier: Erfahrung! Gemeinsam!

Natürlich, die Eintracht hatte selbst in der zweiten Liga mehr Geld zur Verfügung als der FCK in der ersten. Auch im Nachwuchsbereich fehlt es an finanziellen Mitteln, ebenso im Scouting, und mit einem begrenzten Budget ist die Gefahr für Fehleinkäufe naturgemäß höher, als wenn man mit den großen Scheinen wedeln kann. Aber die wirtschaftliche Situation des FCK kann nicht als alleinige Entschuldigung für diese schlechteste Saison aller Zeiten herhalten, in der die Roten Teufel sogar an den Rekorden von Tasmania Berlin kratzten. Sonst hätten nicht ähnlich aufgestellte Vereine wie Augsburg oder Freiburg 15 bzw. 16 Punkte mehr gesammelt, hätte der FCK selbst nicht im Vorjahr mit noch weniger Geld elf Tabellenplätze höher stehen können.

Diese Fragen sind nur einige wenige von denen, die am Mittwochabend diskutiert werden und die beweisen, wie komplex ein Traditionsverein wie der FCK aufgestellt ist. Stefan Kuntz hat in seinen zahlreichen Interviews der letzten Tage einen Einblick in die weiteren Themen gegeben, die er ansprechen wird.

Auch die anwesenden Vereinsmitglieder werden den Abend aktiv mitgestalten. Rund 30 zu behandelnde Anträge sind beim FCK eingegangen, so viele wie seit der von Kurt Beck geleiteten „Jahrhundertversammlung“ im November 2002 nicht mehr. Darunter sind auch durchaus brisante Anträge wie die Wahl eines neutralen Sitzungsleiters, der Ausschluss der Presse von der Versammlung oder die Nichtentlastung des Aufsichtrates - was eine Neuwahl vier Wochen später nach sich ziehen würde. Weitere Anträge beschäftigen sich in erster Linie mit der Forderung nach mehr Transparenz und mit den Konzepten für die Zukunft, unter anderem bei der Nachwuchsarbeit.

Ein langer Abend ist also garantiert, wenn neben den Berichten von Vorstand und Aufsichtsrat auch noch 30 Anträge ausführlich diskutiert werden und außerdem unbegrenzt viele Wortmeldungen der Vereinsmitglieder vorgetragen werden dürfen. Vor diesem Hintergrund ist der Mittwochabend ein denkbar ungünstiger Termin, der jedoch aufgrund der kurzfristigen Einberufung der Versammlung nahezu unumgänglich war. Aber trotzdem: Es geht um die lückenlose Aufklärung der vergangenen Fehler und um die Zukunft des FCK - da darf es keine Rolle spielen, ob die Mitgliederversammlung bis Mitternacht dauert oder vielleicht sogar noch länger.

Hauptsache, die entstandenen Gräben werden zugeschüttet und man kann anschließend wieder mit berechtigtem Optimismus in die Zukunft des 1. FC Kaiserslautern schauen!

„Der Betze brennt“ wird am Mittwochabend wie gewohnt mit einem Live-Ticker von der Mitgliederversammlung berichten.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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